Weil das Thema gerade drüben im DSA1-Thread angesprochen wurde...
ein paar Betrachtungen zum Thema Hotzenplotzigkeit.
“Hotzenplotz” ist ja immer wieder mal in vielermanns Munde, wenn es um Rollenspiel geht. Ähnlich wie der Begriff “Hartwurst” wird er gerne verwendet, meistens als schlechtes Beispiel für behäbiges Rollenspiel, doch bei näherem Nachsetzen bleibt zu konstatieren: So richtig genau weiß eigentlich keiner, was es damit auf sich hat.
Weil ich ein Rollenspielkind der frühen 80er bin, ein Nordlicht-Boy und ein bekennender Freund der Hotzenplotzigkeit, versuche ich ein Plädoyer.
Hotzenplotz: eine Faktensammlung
Laut Wikipedia ist Hotzenplotz der Name einer Stadt in Mährisch Schlesien, der dem Erfinder des berühmtesten deutschen Räuberhauptmanns, Otfried Preußler, seit seiner Kindheit in Erinnerung geblieben war.
Im Hotzenplotz geht es um eine Kasperlgeschichte.
Der Räuber Hotzenplotz gibt sich mit den kleinen Dingen zufrieden: Beispielsweise klaut er die Kaffeemühle der Großmutter. Gelockt werden kann er durch — Gold! Als Waffe benutzt er eine Pfefferpistole. Im weiteren Verlauf der Geschichte nimmt unser Räuber den Kasperl gefangen, verkauft ihn aber wegen vermeintlicher Dummheit weiter an einen Zauberer. Irgendwann geht der Zauberer dann auf eine Reise nach Buxtehude. Währenddessen findet Kasperl eine verhexte Fee im Keller des Zauberschlosses. Nur Feenkraut kann den Bann brechen, und so macht sich Kasperl auf die Suche. Später dann wird Hotzenplotz in einem Streit in einen Gimpel verwandelt.
Der Kasperl findet in der Zwischenzeit das Feenkraut, und so kann sich die in eine Unke verwandelte Fee wieder in ihre ursprüngliche Form zurückverwandeln. Sie zerstört das Schloss und gibt Kasperl als Dank einen Ring, der ihm drei Wünsche gewährt.
Und was macht er mit den drei Wünschen? Mit dem ersten wünscht er sich die Kaffeemühle der Großmutter zurück, mit dem zweiten eine neue Kasperlmütze (die alte war ihm abhanden gekommen), und mit dem dritten verwandelt er den Gimpel zurück in den Räuber Hotzenplotz. Letzterer wird im Spritzenhaus der Feuerwehr eingesperrt.
Soweit die Geschichte des ersten Buches.
Was mich nun interessiert, sind die Implikationen für den Begriff “Hotzenplotz” beziehungsweise “Hotzenplotzigkeit”, die sich aus der Quelle ergeben. Was hat das alles mit Rollenspiel zu tun? Lesen wir nochmal:
- die Geschichte dreht sich um Lokales, um kleine Ereignisse, die aber große Bedeutung für die Betroffenen haben Gold!
- unblutige Gewalt (Pfefferpistole)
- kleine Welt (die Reise nach Buxtehude, nicht etwa in ferne Länder)
- klassische Verwandlungszauber (Fee wird Unke)
- mächtige Wesen aus der Anderen Welt (die Fee, die mal eben das Schloss zerstört)
- magische Dinge (Feenkraut, Wunschring)
- wiederum kleine Ereignisse, wenn es um die Erfüllung der drei Wünsche geht
Aus oben genannten Dingen läßt sich einiges ableiten:
Hotzenplotzigkeit dreht sich in kleinen Kreisen. Weltbewegendes wie etwa ein großflächiger Angriff von Monstern auf zivilisierte Städte der Menschen ist nicht vorgesehen. Dies wiederum ist exakt deckungsgleich mit dem literarischen Genre der “Sword & Socery”: Es geht um individuelle Konflikte mit der Welt.
Hotzenplotzigkeit teilt die Welt in ein klares Schwarz-Weiß-Bild. Grautöne sucht man vergeblich. Sie unterstützt Geschichten mit Fortsetzungscharakter, indem Gegner lange Zeit Gegner bleiben (der Räuber erschießt seine Gegner nicht, sondern setzt sich lediglich mit einer Pfefferpistole außer Gefecht; er wird am Schluss für seine Untaten nicht gehängt oder schwer bestraft, sondern ins Spritzenhause der Feuerwehr gesperrt).
Hotzenplotzigkeit hat einfache Motive als Triebfedern.
Zaubersprüche sind klassische Märchensprüche, gerne auch in Reimform -- auch hier bietet hotzenplotziges Spiel viele Möglichkeiten, auf das kulturelle europäische und auch speziell deutsche Wissen zuzugreifen. Wer jetzt an die Merseburger Zaubersprüche denkt, versteht, worauf ich hinaus will.
Magische Wesen sind mächtig.
Magie ist ein integraler Bestandteil der Hotzenplotz-Welt. Auch hier ist eine deutliche Parallele zum “Sword & Sorcery”-Genre zu erkennen.
Lediglich die unspektakuläre Gewalt ist mir persönlich zu wenig -- aber das läßt sich ja leicht ändern.