Autor Thema: Gedankenexperiment: Explosionen  (Gelesen 12596 mal)

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Offline YY

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #50 am: 1.07.2012 | 15:47 »
Interessant. Wie weit war denn die Wurfweite und die Abweichung?
Und vor allem: wie war das Wurfgebiet? Freie Wiese?

Zunächst:
Das waren weitgehend Übungskünstlichkeiten; außer dem Weitwurf hätte ich in keiner der Wurfsituationen die Granate wie gefordert bzw. überhaupt eingesetzt.

- 8 Meter kniend in eine Tonne. Da gingen die meisten ziemlich knapp vorbei.
Realer Anwendungsbezug: Keine Ahnung  :)

- Stehender Wurf aus 12 Metern durch ein nachgebildetes Fenster - da muss man schon fest genug werfen, dass das Ding auch ankommt, aber dann haperts gleich wieder an der Genauigkeit...
Ich habe natürlich nur die Mannschaften gesehen, die vor uns geworfen haben, weil wir dann an die nächste Station mussten. Jedenfalls hat kaum ein Drittel gesessen (die meisten waren knapp drunter) - und das ist eine der Situationen, die ich ganz anders angegangen hätte als vorgegeben.

- Aus 12 Metern liegend in eine 3 Meter durchmessende, sehr flach gebaute (Sandsackwall aus einer einzigen Reihe Säcken) MG-Stellung auf einer "natürlichen" Wiese, also normal hohes Gras und kleine Unebenheiten im Boden.
So gut wie alles, was den ersten Bodenkontakt im Kreis hatte, ist wieder raus gehüpft.
Viele, die davor landeten, sind seitlich weiter gesprungen (Seitenabweichung bis ca. 50 Grad).
Einige sind nur im Kreis geblieben, weil sie direkt die Klappfallscheiben getroffen haben, die für die Darstellung eines liegenden Schützen zu hoch sind...

Einige, die nicht mehr gewertet wurden, hätten wohl trotzdem noch Wirkung gezeigt.
Aber es war teilweise richtig erschreckend, wo die Dinger überall hin gehüpft sind.

Dafür gab es übrigens recht wenig Punkte, weil es augenscheinlich so leicht war. Die Erfolgsquote war aber nicht viel höher als beim Fenster...


So wie sich das Ganze dargestellt hat, hätte ich bei freier Wahl der Mittel von Anfang an gar keine Handgranate eingesetzt, sondern geschossen.

Ein guter Bekannter von mir hat über mehrere Jahre hinweg sehr viele scharfe Granaten im Nahkampf geworfen und wusste eigentlich nur Gutes darüber zu berichten. Das war allerdings noch das Vorgängermodell mit Stab, über das man sagt, dass es schwieriger zu werfen ist.

Wenn man mal ein bisschen Gefühl dafür hat, was man selbst mit den Dingern trifft und nicht trifft, funktioniert das auch. Aber man wirft ja auch z.B. durch ein Fenster oder einen Türrahmen, indem man möglichst nah ran geht und ums Eck wirft - so ist man wenigstens gedeckt, wenn das Ding dann sonstwohin springt.

Also ungefähr so   ;D

Und selbst das kann noch schief gehen  ~;D

Man stelle sich im zweiten Fall mal vor, das wäre Spreng/Splitter gewesen statt Blend...

Handgranaten haben mMn immer das Potential für einen Darwin Award, da spielt man besser auf Sicherheit.
Mir stellen sich z.B. jedes Mal die Nackenhaare auf, wenn einer eine Granate in ein Fenster im ersten oder zweiten Obergeschoss werfen will, während die ganze Gruppe drunter steht.


Und fürs Protokoll:
Ich finde die alten Stielhandgranaten trotz deutlich weniger Übung damit (ist ja nicht mehr ganz meine Generation  :P :)) wesentlich besser zu werfen.

Dafür sind sie halt schrecklich zu transportieren und auch sonst etwas umständlich in der Handhabung...dafür könnte man zwar auch technische Lösungen finden, aber das braucht es eben nicht bei der Weise, wie Handgranaten meistens eingesetzt werden.

Was meinst Du denn eigentlich mit "Nahkampf" in dem Kontext? Für mich bezeichnet das normalerweise eine Distanz von nicht wesentlich mehr als 2-3m zum Gegner...

Tja, da ist man im Deutschen begrifflich etwas im Nachteil...

Auf Englisch hat man die Unterscheidung in CQC/CQB (militärischer Nahkampfbegriff im Deutschen) und Hand-to-hand (ziviler Nahkampfbegriff).

« Letzte Änderung: 1.07.2012 | 15:50 von YY »
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Offline OldSam

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #51 am: 1.07.2012 | 17:06 »
Nahkampf im militärischen Sinne sind Distanzen zum Feind von 50 und kleiner, zumindest hab ich das noch so gelernt bei der Bundeswehr. Also Pistolen, MPs und Handgranaten. Rollenspieler denken dann immer ans Scchwerterschwingen.

Auf Englisch hat man die Unterscheidung in CQC/CQB (militärischer Nahkampfbegriff im Deutschen) und Hand-to-hand (ziviler Nahkampfbegriff).

Jo, das ist im Englischen wirklich deutlich genauer...
Abgesehen von der schwierigen Differenzierung zu modernen Selbstverteidigungssituationen u.ä. (daran denke ich selbst bei dem Begriff zuerst), sehe ich für unsere Zwecke hier auch das Kernproblem, dass ein rein moderner Nahkampfbegriff die historische Zuordnung verliert.
Wenn ich z.B. Kriege der napoleonischen Ära (oder in unserem Fall z.B. auch eine Warhammer-Schlacht) betrachte und von Nahkampf spreche, muss für mich der Begriff klar differenzierbar sein. Speziell eben für Szenarien, wo z.B. Schwarzpulver-Schusswaffen noch mit traditionellen Nahkampfwaffen kombiniert eingesetzt wurden. Solche Feinheiten sind den meisten Leuten in heutigen Armeen natürlich weitgehend egal, weil sie weder Historiker noch Rollenspieler sind ;)

Also ich würde insofern klar dafür votieren, dass es außerhalb einer rein modernen, militärischen Kommunikation ziemlich ungünstig ist, den Nahkampf-Begriff in so einem weiten Sinne wie 50m-Distanzen zu verwenden, sonst verliert dieser seine Prägnanz. Zudem ist ja noch der Gag, dass wenn von "Militärischem Nahkampf" gesprochen wird (oder man den Begriff recherchiert) auch wiederum die meisten Quellen dieses im Sinne einer direkten Konfrontation Mann gegen Mann im militärischen Kontext verstehen (also z.B. häufig Kampfmesser/Bajonett usw.)
Ich überlege grad was ein prägnanter, also eindeutiger, deutscher Begriff sein könnte, für die Kämpfe in günstiger Reichweite für Granaten/MP/Pistole usw., aber außerhalb der Mann-gegen-Mann-Distanz, was meint ihr...?

Was ich schon ein paar Mal gelesen habe und mir sinnvoll erscheint, ist "Nahdistanz" oder vielleicht sogar noch sicherer gleich "mittlere Distanz", um jede Verwechslung auszuschließen (wenn "weite Distanz" Gewehrschüsse sind). Im Kontrast dazu spricht man ja auch oft von Kämpfen in "nächster Distanz", wenn es auch auf Tuchfühlung, also in den "Nahkampf" im klassischen Sinne geht bzw. gehen kann...




« Letzte Änderung: 1.07.2012 | 19:06 von OldSam »

Offline YY

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #52 am: 1.07.2012 | 17:59 »
Ich überlege grad was ein prägnanter, also eindeutiger, deutscher Begriff sein könnte, für die Kämpfe in günstiger Reichweite für Granaten/MP/Pistole usw., aber außerhalb der Mann-gegen-Mann-Distanz, was meint ihr...?

Was ich schon ein paar Mal gelesen habe und mir sinnvoll erscheint, ist"Nahdistanz" oder vielleicht sogar noch sicherer gleich "mittlere Distanz", um jede Verwechslung auszuschließen (wenn "weite Distanz" Gewehrschüsse sind).

Nahdistanz oder Nahbereich finde ich auch noch am Brauchbarsten.
Das wird jagdlich und militärisch so verwendet; Polizei und sonstige zivile Sicherheitskräfte verstehen darunter meist deutlich kürzere Entfernungen, aber damit können wir wohl leben  ;)

Jedenfalls ist mir im Vergleich "mittlere Distanz" viel zu schwammig.
Da hängt es nämlich noch mehr von der jeweils durchlaufenen Ausbildung ab, was man darunter versteht.

Für den einen ist das schon alles, wo man nicht mehr unmittelbar mit H2H rechnen muss, für den anderen fängt der mittlere Distanzbereich bei 50, 150 oder 300 Metern usw..
Daraus leitet sich ja schließlich auch ab, was jeweils "weit" ist - und da gehen die Definitionen auch um mehrere Hundert Meter auseinander...
Das ist mir zu diffus.


Anmerkung 1:
Gerade zu Schwarzpulverzeiten sprach man im deutschsprachigen Raum beim "richtigen" Nahkampf eher vom Kampf mit der blanken Waffe o.Ä. und hatte damit dieses Definitionsproblem gar nicht (früher war eben alles besser :)).


Anmerkung 2:
Themenmigration FTW  ;D
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Offline Turning Wheel

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #53 am: 2.07.2012 | 04:44 »
Old Sam, sorry, ich dachte du hättest auch polizeilichen oder militärischen Background, sonst hätte ich es anders formuliert.
Die militärische Begrifflichkeit orientiert sich mit kurz, mittel und weit im Prinzip am Einsatz größerer Waffengattungen (Pistolen - Gewehre - Kanonen).
Wenn im kompanietaktischen Sinn von Nahkampf gesprochen wird, ist es auch nicht unbedingt sinnvoll zwischen Close Quarter Combat und Hand to Hand Combat zu unterscheiden, weil man 50 m normalerweise innerhalb weniger Sekunden überbrückt hat.
Eine Granate aus dem Beutel zu fischen, werfen und kurz in Deckung vor Splittern zu verharren, die Pistole ziehen und ein Magazin in Richtung Gegner zu entleeren (natürlich ohne was zu treffen) oder 50 m rüberrennen und persönlich Watschen verteilen kostet etwa die gleiche Zeit.
Was in diversen Tabletops oder Rollenspielen geordenet abläuft, ist ja auch nicht die Realität, wenn in einem Waldstück zwei Kompanien im Nahkampf aufeinandertreffen. Ein paar habens schon hinter sich, die einen fechten heldenhaft rum, die nächsten rennen noch auf irgendjemand zu und ein paar haben sich "verlaufen". Das Kampfgeschehen unterscheidet sich aber grundlegend zu dem auf mittlere Distanz.

Was man unter diversen Wiki- oder YouTube-Links findet, hat mit Fachsprache diverser Berufe nichts zu tun. Geht ja auch gar nicht, weils sonst die Schüler nicht verstehen können, wenn sie was für die Hausaufgaben googeln.

YY, die Beschreibung deiner Wurferfahrung ist ziemlich interessant. Auch die Videolinks sind sehr geil!
Welchen Granaten-Typ hattest du beim Werfen?

Ich hab 'ne Weile mit einer hellblauen Übgranate vom Bund trainiert (hauptsächlich im Wald), weil ich zeitweilig eine hatte.
Ich denke, dass man das Werfen ziemlich gut drauf bekommt, wenn man das ein bisschen verfolgt.
Wenn du der Granate z.B. beim typischen Bogenwurf auf mittlere Wurfweite einen Gegendrall verpasst (was ganz natürlich ist, wenn man den Bügel beim loslassen über die Finger abrollt), dann ist nicht nur ihre Flugbahn stabiler (was dazu führt, dass sie eher mit der runden Breitseite aufkommt und nicht so unkontrolliert abhüpft), sondern beim Auftreffen, hat sie noch eine leichte Tendenz die Flugbahn abzubremsen. Nicht so stark, aber ähnlich wie ein unterschnittener Tischtennisball.
Die Wurftechnik ist aber nicht ganz einfach.
In vielen Kampfsituationen ist es aber nicht so arg relevant, ob die Granate zwei drei Meter weghüpft. Sie wird ja auch häufig auf Gehör geworfen oder einfach präventiv, ohne dass exakte Ziele feststehen.

Mein Bekannter meinte z.B:
Beim Vormarsch hatten wir uns bei Nacht immer auf flachen Hügelstellungen eingegraben. Bei Angriffen habe ich den Abhang immer schön von links nach rechts mit dem MG bestrichen ohne rauszuschauen. Wenn die (...) zu nah gekommen sind, habe ich ein paar Handgranaten geworfen, dann war wieder Ruhe.
:o

Offline YY

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #54 am: 2.07.2012 | 18:40 »
Welchen Granaten-Typ hattest du beim Werfen?

Die "nackte" hellblaue Übgranate (DM58), also ohne Bügel und Knallkörper.

In vielen Kampfsituationen ist es aber nicht so arg relevant, ob die Granate zwei drei Meter weghüpft. Sie wird ja auch häufig auf Gehör geworfen oder einfach präventiv, ohne dass exakte Ziele feststehen.

Taktisch natürlich richtig, aber davon hat man sich ja heute um Welten entfernt, teils aus nachvollziehbaren Überlegungen und Entwicklungen heraus, teils aus Unverständnis gegenüber militärischen Notwendigkeiten seitens Politik und Führung.

Z.B. werden Handgranaten in den Auslandseinsätzen nur an bestimmte Einheiten und in bestimmten Situationen ausgegeben und ihr Einsatz wird so gut wie ausnahmslos durch den Gruppenführer befohlen (!).

Ein "blindes" Werfen von Handgranaten in Eigeninitiative ist (in der BW, wohlgemerkt) heute genau so undenkbar wie das Aufpflanzen von Bajonetten (wenn man denn welche hätte  :P) bei einer Hausdurchsuchung oder dem Abdrängen einer Menschenmenge.

Dazu schwappen Verhaltensweisen von Spezialverbänden in die Orts- und Häuserkampfdoktrin der regulären Truppe - beim Nehmen von Gebäuden wird fast ausschließlich geblendet und gezielt geschossen.
Das hat zwar auch wieder teils gute Gründe, ist aber nicht unbedingt universell übertragbar.

Jedenfalls wird der Handgranate bei Weitem nicht mehr die Bedeutung beigemessen wie in den Weltkriegen oder in der Vorbereitung auf "Rotland", und dementsprechend wird ihr Einsatz nicht mehr in voller Breite ausgebildet.

Ich würde z.B. fast wetten, dass du mir aus dem Stegreif zwei Sprengfallenvarianten mit Handgranate nennen kannst.

Das sieht der deutsche Soldat heute in der "normalen" Ausbildung gar nicht mehr und in der Auslandsvorbereitung nur aus der Zielperspektive...


(YY motzt über den militärischen Untergang des Abendlandes:)
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Offline Turning Wheel

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #55 am: 3.07.2012 | 00:19 »
Ja, ich kenne ziemlich viele Arten von Sprengfallen, aber nicht von der Bundeswehr sondern weil ich ein paar Bücher über Guerillataktik gelesen habe (WW2, Vietnamkrieg und NVA).

Aber bei der Bundeswehr habe ich zwei Arten gelernt, wie man Menschen ohne jegliche Hilfsmittel an einen Baum oder Laternepfahl fesseln kann und sie sogar noch die Hände frei haben. :)

Offline OldSam

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #56 am: 3.07.2012 | 10:35 »
...ohne jegliche Hilfsmittel... hmmm.... mit Baumharz festkleben?  ~;D

Offline Dark_Tigger

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #57 am: 3.07.2012 | 10:47 »
Wenn man YY so liest könnte man fast denken, dass die Handgranaten in den CoD Spielen, das einzig realistische sind.
Eignen sich gerade so um Gegner in die -, oder aus der Deckung zu treiben, oder um selbst draufzu treten. ~;D
Zitat
Noli Timere Messorem
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Offline YY

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Re: Gedankenexperiment: Explosionen
« Antwort #58 am: 3.07.2012 | 11:12 »
...ohne jegliche Hilfsmittel... hmmm.... mit Baumharz festkleben?  ~;D

Schwerkraft zählt trotz entscheidender Beteiligung nicht explizit als Hilfsmittel ;)

@Dark_Tigger:

Wie kommst du denn zu diesem Eindruck?  wtf?

Mir ging es eher darum, dass Handgranaten gerade in der BW etwas "aus der Mode" gekommen sind und nicht mehr flächendeckend ausgegeben und eingesetzt werden.

Tauglich sind die Dinger schon, aber man muss eben wissen, was man selbst damit hinkriegt und was nicht.
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