Autor Thema: Systemtausch  (Gelesen 1470 mal)

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Offline JS

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Systemtausch
« am: 31.05.2013 | 13:33 »
Moin!
Ich habe i.d.R. gute Erfahrungen damit gemacht, meine Lieblingssysteme in anderen Settings gleicher oder ähnlicher Kategorie (z.B. Fantasy) zu verwenden, die im Original ein anderes System bieten. So nutzen wir z.B. das System für WFRS 2 auch für die DSA-Welt oder für die Pathfinder Königsmacher-Kampagne, die wir in den Vergessenen Reichen angesiedelt haben. Das klappt wunderbar und bedarf bitte keiner Diskussion.

Der Kern dieses Beitrages ist vielmehr die Frage, ob es spielerisch ergiebig ist, ein sehr komplexes System durch ein enorm vereinfachtes zu ersetzen. Geht dabei zuviel verloren und muß mit willkürlichem Handwedeln dahingeleitet werden? Verliert ein Setting dadurch einen Teil seines Reizes?
Wichtig: Es geht mir dabei weniger um die Basismechanismen (z.B. Fertigkeitsproben), sondern um den sonstigen Regelwust, der ja nicht per se unsinnig sein muß.

Zu diesen Fragen kam ich durch folgende Überlegung:
Ich spiele seit kurzem Einsamer Wolf Mehrspieler-Fantasy. Das ist trotz einiger Zusätze des SL (z.B. Fertigkeiten) ein sehr einfaches, flüssiges Regelsystem, das auf das Nötigste reduziert ist. Wir haben nicht nur mit der Spielwelt, sondern gerade auch mit diesem System ungewöhnlich viel Spaß und spielerische Freiheiten - und zwar ohne das Gefühl, daß es uns der Willkür des SL überläßt.
Nun ringe ich mit dem Gedanken, ob dieses einfache System z.B. zu einem regelkomplexen Setting wie Traveller passen könnte. Attribute und Fertigkeiten usw. wären problemlos zu übertragen, doch bliebe noch der Rattenschwanz an Regeln und Regelungen, der durch ein so einfaches System wie jenes von EW nicht abgedeckt werden könnte. Das würde (müßte?) also ein erhebliches Maß an Konvertierungsarbeit erfordern.
Einige meiner Spieler finden die Idee gut und erfolgsversprechend, andere wiederum sehen sie zum Scheitern verurteilt und finden diese Vereinfachung für das Setting unangemessen.
Ich schwanke noch...
:)
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Offline Waldgeist

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Re: Systemtausch
« Antwort #1 am: 31.05.2013 | 13:53 »
Ich persönlich finde, dass nicht die Menge der Regeln, sondern die Flexibilität der Regeln (insbes. der Charaktergestaltung) entscheidend ist.

Ein Beispiel aus meiner Erfahrung:
Ich mag Systeme, die mir ein Gefühl von Plausibilität geben. Deswegen zog ich schnell Traveller DSA und AD&D vor. Mit GURPS Traveller wurde ich dann zu GURPS konvertiert und vermisse seitdem wenig bis nichts. Einzig der Bücherwust ist manchmal recht nervig. Zwischenzeitlich habe ich dann mal Savage Worlds ausprobiert - das ist sehr eingedampft, hat gute Ideen, und ist prinzipiell mit nur einem Buch spielbar, dafür aber auch unflexibel in der Charaktergestaltung und -entwicklung. FATE hingegen ist sehr "simpel", bietet mir aber über den Mechanismus der Aspekte unendliche viele Möglichkeiten, einen Charakter (und die Welt) zu formen, auch wenn dem immer der gleiche Mechanismus zugrunde liegt. An GURPS mag ich die physikalische Plausibilität, an FATE die charakter- und weltgeschichtliche Plausibilität - im Spiel ist letztere in der Regel eh wichtiger. Bei anderen Systeme fehlt mir beides.

Entsprechend: Ja, du kannst Traveller prima mit einem anderen System spielen, wenn es DEINE Erwartungen (und die deiner Gruppe) an die zu erlebenden Abenteuer hinreichend erfüllen kann.
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Offline JS

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Re: Systemtausch
« Antwort #2 am: 31.05.2013 | 14:13 »
Sicher, das ist mir schon klar, die zentrale Frage bleibt aber, ob eine zu starke Vereinfachung einem komplexen Setting nicht wesentliche Bestandteile raubt. Viel Konvertierungsarbeit heißt ja automatisch, daß auch die geregelten Bestandteile wieder zunehmen, insofern wäre wenig gewonnen; wenig Konvertierungsarbeit wiederum führt zwangsläufig zu viel Handgewedele, um das Komplexe irgendwie abzubilden - die Spieler könnten sich in diesem Fall an keine "Normen" halten und müßten den SL ständig fragen, ob sie dies und das machen könnten und wie lange jenes und solches dauern würde usw. usf.

Selbstverständlich gibt das bei gruppeninterner Einigkeit und Umgänglichkeit keine Probleme, aber darum geht es hier ja nicht.
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Offline Waldgeist

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Re: Systemtausch
« Antwort #3 am: 31.05.2013 | 14:16 »
Es stellt sich doch die Frage, was genau vom komplexen System deine Gruppe braucht, um zufriedenstellende Abenteuer zu erleben. Wenn das alles ist, was dieses System bietet, dann macht ein Wechsel mit Nachbau der Komplexität wirklich wenig Sinn.

EDIT: Noch mal Beispiel Traveller.
Bei meinen Gruppen brauchte ich bislang eher nicht:
- Raumschiffbau
- Welt-/Systemgenerierung
Dagegen häufiger zum Einsatz kamen:
- Psionik
- Tierbegegnungen
- Soziale Interaktion
- Fahrzeugstunts

Eben diese Punkte kann ich mit diversen Systemen erreichen.

Wie sieht die Liste im Falle deiner Gruppe aus?
« Letzte Änderung: 31.05.2013 | 14:21 von Waldgeist »
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Offline JS

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Re: Systemtausch
« Antwort #4 am: 31.05.2013 | 14:45 »
Eben das ist die Grundüberlegung. Das typische Wald-Wiesen-EZO-Fantasysetting kann ich problemlos und ohne großen Aufwand mit einem einfachen Fantasy-System wie EW abdecken; das funktioniert im Vorbeifahren. Ein enorm komplexes System dagegen, das mit SciFi auch noch einer ganz anderen Kategorie entstammt, verliert durch starke Vereinfachung wesentliche seiner Elemente (Raumreisen, Raumschiffe, SciFi-Technik, Astronomisches Zeugs).
Beim Bearbeiten dieses Themas stellte ich fest, daß Traveller-SC ziemlich gut mit dem EW-System erschaffen werden können und die Basismechanismen (Proben, Personenkampf usw.) leicht zu übernehmen waren. Nur bei den o.g. Elementen wurde dann deutlich, daß für eine sinnvolle Konvertierung viel mehr Arbeit und Testerei nötig wären, als ich zu leisten bereit war. All diese Elemente kann man freilich auch sehr willkürlich und/oder flexibel handhaben, aber das gerät dann zum Nachteil der Spieler, die gerne ein paar Normen im Spiel haben wollen. (Zu diesen Spielern zähle ich mich übrigens auch.)
Traveller (und jedes andere sehr komplexe System) verlöre durch eine solch enorme Vereinfachung zwar keine seiner Möglichkeiten, aber jede Menge seiner normativen Regelbestandteile.
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

AcevanAcer

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Re: Systemtausch
« Antwort #5 am: 31.05.2013 | 15:13 »
Wir haben Aventurien mit D&D 3.5 gespielt. Mass Effect mit Shadowrun 4.0

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Systemtausch
« Antwort #6 am: 31.05.2013 | 15:37 »


Der Kern dieses Beitrages ist vielmehr die Frage, ob es spielerisch ergiebig ist, ein sehr komplexes System durch ein enorm vereinfachtes zu ersetzen.
Convert the Setting, not the System.

Das ist alles was ich dazu sagen kann
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

Taschenschieber

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Re: Systemtausch
« Antwort #7 am: 31.05.2013 | 15:41 »
Wenn das Setting seinen Reiz zu einem Großteil aus einer Vielzahl von im Setting verwurzelten Regeloptionen zieht (z. B. DSA 4), kann eine Radikalvereinfachung für viele Spieler (aber keineswegs für alle) den Reiz töten. Werde ich nie verstehen, ist aber empirisch so.

Wenn das nicht der Fall ist, denke ich, dass man mit einem einfachen System genauso viel Spaß haben kann wie mit einem komplexeren. Manche Spieler werden mit dem einfachen System weniger Spaß haben, manche mehr und manchen wird es scheißegal sein.

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Systemtausch
« Antwort #8 am: 31.05.2013 | 15:44 »
Wenn das Setting seinen Reiz zu einem Großteil aus einer Vielzahl von im Setting verwurzelten Regeloptionen zieht (z. B. DSA 4),
äh wut?
DSA4 zieht seinen Reiz daraus, das man für jedes Regelgebiet nen Sub SL braucht und der meist handwedelt
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

Taschenschieber

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Re: Systemtausch
« Antwort #9 am: 31.05.2013 | 15:51 »
äh wut?
DSA4 zieht seinen Reiz daraus, das man für jedes Regelgebiet nen Sub SL braucht und der meist handwedelt

Das ist _nicht_ das Thema. Ich kenne Spieler, für die der Reiz an DSA in der Verknüpfung von System und Setting besteht. Das ist sicher nicht für alle Spieler so, das mag bei dir auch anders sein, das ist für die Diskussion hier aber scheißegal und vom Threadstarter vermutlich auch nicht erwünscht.

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Systemtausch
« Antwort #10 am: 31.05.2013 | 15:58 »
Das ist _nicht_ das Thema. .
Wirklich? Danke!
Zitat
Ich kenne Spieler, für die der Reiz an DSA in der Verknüpfung von System und Setting besteht
Rondrageweihte und Rondra können ja gar nicht anders als mit DSA Regeln simuliert werden!
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Warum sind die einzigen Unterschiede zwischen DSA und GURPS Aventurien die ich wahrnehme, unkomplizierteres - intuitives Regelwerk dadurch  flüssigeres Spiel und mehr Optionen?
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
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Offline Lord Verminaard

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Re: Systemtausch
« Antwort #11 am: 31.05.2013 | 16:26 »
Spielerisch ergiebig ist es dann, wenn man tatsächlich eine Vereinfachung will, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Konkret heißt das, mehr Auseinandersetzung mit der Fiktion und weniger Auseinandersetzung mit Spielregeln. Und es heißt, dass weniger im Voraus verbindlich festgelegt und mehr während des Spiels frei verhandelbar ist.

Damit sollte auch klar sein, warum es keine gute Idee ist, einzelfallbezogene Regeln in das neue, einfache System "übersetzen" zu wollen. Man sollte vielmehr überlegen, was passiert, wenn man diese Regel ersatzlos entfernt (nur die Regel, nicht das Settingelement, das sie repräsentiert!) Und dann muss man sich halt fragen, ob man das will.
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Offline condor

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Re: Systemtausch
« Antwort #12 am: 31.05.2013 | 23:24 »
Detaillierte Regeln sind u.a. auch eine Art Geländer oder Zaun, um - vereinfacht gesagt - einzugrenzen, was in der Spielwelt geht und was nicht. Wenn alle Spieler ohnehin dieselbe Vorstellung haben, was in dem Setting plausibel ist, kommt man auch gut mit vereinfachten Regeln aus; ansonsten kann es Probleme geben.
Für die einen ist es DSA - für die anderen der längste Inside-Joke aller Zeiten.

Offline D. M_Athair

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Re: Systemtausch
« Antwort #13 am: 1.06.2013 | 02:31 »
[...] das mit SciFi auch noch einer ganz anderen Kategorie entstammt [...]
Das halte angesichts des Traveller-artigen cD&D-Spiels Stars without number für wenig problematisch.

Entscheidender dürfte sein:
Bildet das Originalsystem Dinge ab, die für das Setting essentiell sind?
Und: Lassen sich diese Dinge mit dem anderen System sinnvoll reproduzieren?
Prägen bestimmte Regeln des Originalsystems die Wahrnehmung des Settings nachhaltig?

Versuch an Hârn mit Prince Valiant:
... die weniger schönen Konsequenzen (Krankheit, Verwundung,Tod) müsste man unbedingt härter verregeln.
... wenn man Spielerseits keine Zauberkundigen dabei hat, kein Problem.
... Fertigkeiten -> da müsste man wohl Spzialisierungen einführen.
... manche Optionen (Special Effects, situative SL durch Spieler) müsste man aus PV streichen, da es nicht zu Hârn passt.

Fazit: Ich würde das Beispiel nicht probieren (zugegeben, für ein eindgültiges Urteil kenne ich Hârn/HM zu wenig - hab auch gerade meine HM-Sachen nicht verfügbar zum Nachsehen). Begründung: Einige der Stärken von PV kann ich mit Hârn nicht zur Anwendung bringen. Dazu kommt die reine Konversionsarbeit, die ja auch nicht zu unterschätzen ist. Außerdem muss ich die Regeln erweitern, damit sich Hârn nach Hârn anfühlt. Ich würd die Konversion nur machen, wenn meine Spieler mit HM tendenziell überfordert wären, sie auf die Detailschärfe im Setting weniger Wert legen und sie aber trotzdem gern "hard medieval fantasy" spielen wollen.


Ich glaube, dass man bei einem Systemtausch gut überlegen sollte, ob regelseitig ein Paradigmenwechsel stattfindet.
Vermutlich ist es weniger problematisch mit z.B. D&D4 von Nentir Vale in die Wilderlands zu wechseln, als auf cD&D umzusatteln.
Die Prämissen der beiden Settings sind sich viel ähnlicher als die der beiden Systeme. Bei letzterem würde ich sagen, dass tatsächlich ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat.


@ Einsamer Wolf Mehrspielerbuch:
MMn kann das Spiel NUR Abenteuer ohne Schnickschnack. Das dafür ausgesprochen gut.
Die Frage ist, ob das allen Spielern bei Traveller ausreichen würde.
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan