Thema: Kann man genre(konventions)frei spielen?

[1of3]

"Genre" ist ja auch ein weitläufiger Begriff. SciFi ist ja eher ein, ich nenns mal "Umweltgenre", d. h. ein Genre, das sich dadurch definiert, in welcher Welt die Handlung spielt. Horror ist dagegen eher ein "Handlungsgenre", es definiert sich dadurch, was in der Handlung passiert.

Horror verträgt sich mit DSA problemlos, genau wie auch Politthriller oder Seifenoper. SciFi beißt sich mit DSA, weil das Umweltgenre nun mal ganz klar definiert als Fantasy plus/minus bisschen was ist.

Das ist eine gute Beobachtung. Wobei Science-Fiction in einem engeren Sinne durchaus mehr als ein solches Umweltgenre, ich möchte eher sagen materiales Genre, ist. Da gehts dann darum, die Effekte einer technologischen Entdeckung plausibel nachzuvollziehen.

Weitere teilweise unabhängige Dimensionen bestehen z.B. im Personal. Ich ein Horrorszenario in einer futuristischen Umgebung mit Teenagern oder mit Marines machen. Natürlich lässt sich das nicht immer alles so klar trennen.

[Taschenschieber]

Richtig, Umweltgenres haben teilweise auch Auswirkungen auf Handlungen.

Ein weiteres zu nennendes Genre wäre auch noch die Art des Mediums (bei PC-Spielen zum Beispiel Egoshooter, Stealth, Action Adventure, RPG etc.) - da fallen mir im P&PRPG aber keine wirklich sinnvollen Kategorien ein.

[1of3]

Die Dinge, die aufzählst würde ich unter "Gameplay" titulieren. Und das lässt sich eigentlich 1:1 auf unser Hobby übertragen. 80er Realismus, 90er WoD-esque, Forgianisch, Retroklon.

[Taschenschieber]

Hm, da haste tatsächlich Recht.

[Zauberelefant]

Neben der Handlung und der Umwelt sowie evtl dem Gameplay gibt es ja noch die Stimmung, die ein Genre mitbestimmt.
Grim&Gritty spielt sich eben immer anders als Epic&Heroic, egal ob ich in nem Raumschiff einen Horrorplot habe oder Intrigenspiel in der Frühantike betreibe. Das wäre z.B. ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Low Fantasy und Sword&Sorcery.
Da würde ich dann noch Personal Horror, Noir, usw einsortieren. Als generelle "Farbe" des Genres. Wobei die klassischen Genres ja durchaus da Vorgaben machen. Mantel&Degen lebt eben bei der Stimmung auch von Themen wie Rache, Tragödie, Pflichterfüllung und vielen anderen Details mehr, die es auch mit anderen Genres teilt, aber es ist eben spezifisch Mantel&Degen wegen dieser und anderer erfüllter Kriterien (etwa Schwarzpulvertechnik, Aristokratische Gesellschaft, Intrige, schicke Uniformen und der Degen als Fechtwaffe anständiger Leute).
Also halte ich derzeit ein Genre für das Resultat aus Umwelt, ein Stück weit Gameplay, den vorherrschenden Handlungen, die erzählt werden (können) und der Stimmung.

[Taschenschieber]

Nein, ein Genre ist nicht das Resultat dieser Achsen. Ein Genre gehört imho auf eine der Achsen, ein Werk gehört quasi zwangsläufig in ein Genre je Achse.

(Gut, Wortklauberei.)

[1of3]

Ich bin da eher beim Zauberelefanten. Wenn ich sage: "Wir spielen Noir", dann hat mein Gegenüber wahrscheinlich ein Bild im Kopf. Moderne urbane Umgebung, vielleicht regnets, Ermittler schlägt Informanten. Da sind also alle diese Elemente erst mal prototypisch gesetzt. Ich kann jetzt sagen: Wir machen Noir in eine Fantasy-Stadt. Dann hab ich mir Elemente aus einem anderen Prototypen importiert.

Genres unterscheiden sich also vor allem welche Kategorie von Merkmalen für sie zentral sind. Also z.B. die Umwelt, die Erzählhaltung, die Handlungsmuster, das Personal usw. Aber wenn ich Space Opera in den Raum werfe, dann bin ich also möglicher Weise schon hinreichend fertig für mein Kommunikationsvorhaben.

[El God]

Schon erstaunlich, was man mit so wenigen Worten transportieren kann. Tropes sind da ein enorm mächtiges Kommunikationsmittel.

[Buddz]

Ich glaube das Genre gibt nicht nur Bilder im Kopf vor, sondern beeinflusst auch unsere Erwartungen und Vorhersagen. Wenn ich als Spieler jetzt folgendes mache, wie wird die Spielwelt/der SL darauf reagieren? Wenn ich als Soldat Befehle verweigere, mich impulsiv verhalte und aufmüpfig gegenüber Vorgesetzten bin, erwarte ich in einem Military-SF Szenario eine völlig andere Reaktion als in einem heroischen High-Fantasy Szenario. Wenn ich die holde Schankmaid verführe und am nächsten Tag weiterziehe erwarte ich in einem Dungeoncrawl was anderes als wenn wir was soapiges Spielen.
Und diese Erwartungshaltung beeinflusst dann auch wie wir als Spieler/Charakter handeln. Wenn dann ein konkreter Bezugspunkt fehlt, wie Bad Horse schon angemerkt hat, dann sind wir als Spieler in einer Situation (ohne Präzedenzfall) ersteinmal verunsichert und haben keine Vorstellung davon was die konkreten Handlungsmöglichkeiten sind und welche Konsequenzen darauf folgen.

[Taschenschieber]

Buddz, genau das sind ja die von Dolge angesprochenen Tropes/Topoi. Von dir angesprochen zum Beispiel in TVTropes-Sprech Mildly Military (was es aber auch in Military SciFi-Settings durchaus geben kann).

[Naldantis]

Strikt betrachtet nicht, wenn bereits ob z.B. Magie möglich ist oder eben nicht ist eine Genre-Entscheidung, die man aber treffen muß.

[Zauberelefant]

Aber ist das nicht eine für das letztendliche Genre ganz entscheidende Sache? Also im Sinne von [anderes Genre]+Magie, oder eben Fantasy[irgendwas]? Oder verstehe ich Dich da falsch?
Magie wäre ja eher ein Umwelt-Faktor, während die aus dem finalen Genre resultierenden Tropes wieder was ganz anderes sind.