Autor Thema: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?  (Gelesen 35487 mal)

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Offline Praion

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #225 am: 7.07.2013 | 13:02 »
Und das war eine ernst gemeinte Frage. Ein paar meiner Mitspieler hatten letzten Sommer eine starke "Indie"-Phase, aber da war Nichts dabei, wo ich sagen würde "halbwegs klassisches Rollenspiel". Daher, in welchem "klassischen" Rollenspiel gibt es ein Kampfsystem mit dieser Conflict Resolution?

Burning Wheel. Beide sagen was sie von diesem Kampf wollen, würfeln ihren Kampfskill und wer gewinnt bekommt das was er will. Man kann in differenzierere Subsysteme gehen aber man MUSS nicht.
Und wer sagt Burning Wheel ist kein klassisches System soll mir das erstmal beweisen.
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Offline scrandy

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #226 am: 7.07.2013 | 13:44 »
Im Grunde ist dieses "Game Over Denken" ein Erbe der abstrakten Lebenspunkte und der abstrakten Behandlung von Gegnern als Erfolgs/Misserfolgs-Idee.

Stellt man stattdessen als SL und als Spielgruppe vor einem Kampf explizit Kampfziele auf, so haben die meisten Kämpfe kein tödliches Ende. Kampfziele wären sowas wie:
- Bewache XY
- Halte Gegner auf, an Stelle X zu kommen
- Schnappe den Dieb
- Verteidige die Schutzbefohlenen

Bei jedem dieser Kampfziele gibt es eine klare Abbruchbedingung: Sobald ein Wachmann nicht mehr den Dieb verfolgen kann, weil er verletzt ist oder massiv eingeschüchtert, macht es keinen Sinn für den Dieb den Wachmann zu töten. Zeitvorsprung zur Flucht ist in diesem Fall sogar viel kostbarer als den Kampf fortzusetzen. Wenn die Räuberbande sieht, dass etwa die Hälfte der Gruppe verletzt ist und die Prinzessin immer noch nicht geraubt werden konnte, dann werden sie sich mit Sicherheit auch zurückziehen  anstatt mitanzusehen, wie jeder einzelne von den Rittern niedergemetzelt wird. usw.

Es hilft auch für jeden Gegner eine Loyalitätsgrenze und eine Bedeutungsgrenze festzulegen: Wie wichtig ist mir der Kampf? Einem angeheuerten Wachmann ist sein eigenes Leben sicherlich wichtiger als das was er bewachen will. Ein Kultist wird aber bereit sein, sich für die Sache in den Tod zu stürzen. Ein Tier wird sicherlich bei Verwundung nicht weiterkämpfen solange es nicht in blinde Rage verfällt.

Diese zwei Maßnahmen machen Kämpfe grundsätzlich nicht zum "Game Over"-Moment sondern erzeugen schlicht neue Spielsituationen. Generell ist es eigentlich die Pflicht jedes SLs sich vor jeder Herausforderung zu überlegen was für Konsequenzen/Spielsituationen aus Niederlageen oder Komplikationen entstehen können. Das hat auch mit Kampf nichts zu tun. Wenn eine normale Probe nicht schiefgehen darf, dann brauche ich sie nicht würfeln. Wenn ich einen Kampf nicht verlieren kann (bzw. mein Kampfziel nicht erreichen kann), dann brauch ich ihn auch nicht auszuwürfeln.

Mir ist es auf einer CON zum Beispiel mal passiert, dass wir 2 Stunden an einem DSA4 Kampf rumgesessen haben, nur um zu erfahren, dass das Abenteuer nicht vorsieht, dass wir gewinnen und deswegen irgendwann automatisch verloren hatten. Wenn das so ist, dann kann man sich den Kampf auch sparen und der SL erzählt einfach die Situation runter.
« Letzte Änderung: 7.07.2013 | 13:47 von scrandy »
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Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #227 am: 8.07.2013 | 01:49 »
Das hat, realistisch gesehen, den gleichen Stellenwert wie "Wir können doch Freunde bleiben!" nach einer Trennung. Es ist eine peinliche Notlösung.

Interessante Analogie zur Gefangennahme... Würde ich aber differenzierter betrachten.
Ich stimme zu, dass das als Spieler meistens nich so schmeckt, klar, man ist lieber einfach bequem der Held... Aber gibt es nicht sehr viele gute Romane und Filme, wo die Helden solche Situationen durchstehen müssen und dadurch eigentlich erst richtig zum Held werden? Ist nicht gerade das Überwinden von Widrigkeiten letztlich das was die Leistungen erst richtig gut macht, statt gradlinige Siege?
Übrigens die heute sehr verbreitete Abwertung der anderen Person bei Beziehungstrennungen sehe ich in der Hinsicht auch ähnlich, was sagt denn diese "Alles oder Nichts"-Haltung über unsere Gesellschaft aus? Ist das "brüderlich" bzw. achtet man so den Wert des Menschen? Es gibt nur a) Traumpaar oder b) man kennt sich nicht mehr, dass bleibt somit alles auf einer sehr einseitigen und oberflächlichen Betrachtungsebene, die nicht die Vielschichtigkeit von Personen u. verschiedenen Bedürfnissen berücksichtigt. (Klar ist aber natürlich, dass die genannte Floskel peinlich und meist wenig aufrichtig ist, das war wahrscheinlich auch primär gemeint und da stimme ich völlig zu). Das sehe ich hier jedenfalls auch für die RPG-Situation so, dass unangenehmere Situationen wie eine Gefangennahme gelegentlich eine Bereicherung für das Spiel sein können, wenn die Spieler auch bereit sind etwas Herausforderung anzunehmen und <Charakterentwicklung" zu spielen und nicht nur "all or nothing" mit Figuren, die lediglich wertetechnisch voranschreiten, aber niemals "in sich" Schwierigkeiten überwinden müssen. - Ich selbst z.B. spiele ja auch sehr gerne Beer&Bretzel, aber für richtiges Charakterspiel sollten gelegentliche Härten bzw. kleinere tragische Vorkommnisse IMHO auch hin und wieder dazu gehören... ;)

« Letzte Änderung: 8.07.2013 | 01:54 von OldSam »

Offline Slayn

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #228 am: 8.07.2013 | 10:13 »
Guten Morgen.

@scrandy:

Dein letzter Satz ist der wohl wichtigste in deinem Beitrag. Wenn man sich auf eine Spielwelt und Abenteuer einlässt, übergibt man die Kontrolle darüber, wie gut und fair das alles wird an den Meister. Wenn dieser das gegebene Vertrauen und die Kontrolle nun schlecht einsetzt oder sein Handwerk nicht beherrscht, bleibt nur noch der Kampf als Spielgeschehen bei dem die Kontrolle bei den Spielern selbst liegt.
Ich finde den Ansatz gruselig die ganzen Mängel die das normale Spiel so mit sich bringt nun auch noch in den Kampf zu integrieren.

@OldSam:

Illusionen und Kontrolle. Charakterentwicklung ist ein ehrenwertes Ziel und kann ein legitimer Inhalt einer Spielrunde sein. Problematisch wird es nur, wenn wie Oben erwähnt, Sachen wie die Gefangennahme gar nicht funktionieren würden oder, noch wahrscheinlicher, die Spieler ihre Charaktere bis zum bitten Ende kämpfen lassen würden, denn wir befinden uns gerade in dem einzigen Spielsegment in dem sie volle Kontrolle haben. Da sehe ich es als fast schon wesentlich weniger problematisch an zu sagen "Ihr geht um die Ecke, werdet überrumpelt und sie nehmen euch Gefangen".

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Offline pharyon

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #229 am: 8.07.2013 | 13:00 »
Hallo slayn,

ich würde nicht sagen, dass die Spieler im Kampf volle Kontrolle besitzen. Immerhin spielen Glück (im Sinne der einsetzbaren Würfel) und Regewerk (welches mehr oder weniger kontrolliert, wer wie einwirken darf) hier immer noch eine bedeutende Rolle.

@ Beral:
Ich habe mir Gedanken zur Fragestellung gemacht und komme (für mich) zu dem Schluss, dass Spieler auf jeden Fall eine Sinn-Einheit möchten, an der sie in das Spielgeschehen eingreifen können. Aus der Welt kennen wir, was Bewegung/Handlung betrifft die Einheiten der Zeit und des Raumes. Falls du also von der Zeit als sinnstiftendem Element weggehen wollen würdest, bliebe höchstens noch der Raum um für Mitspieler einigermaßen nachvollziehbar zu sein. Beispielsweise könnte man sagen, dass eine Figur jede Runde 5 Würfel hat und pro Würfel ein Feld ziehen oder eine andere Aktion durchführen kann (willkürliches spontanes Beispiel).
Ein anderer Aspekt ist die Frage, wie fest ich die Zeiteinheit binden möchte: Denke ich szenisch, brauche ich weniger fixen Rahmen, muss allerdings irgendwie alle für die Runde angedachten Handlungen möglichst gradlinig einbeziehen, kann mich aber abseits genauer "Dokumentation" mehr um meine Vorstellung kümmern. Denke ich simulativ, breche ich Elemente auseinander und kann diese nacheinander abhandeln, habe aber zum Teil einen größeren Aufwand, der mich von der Darstellung ablenken kann.

Ich habe mich bei meinem aktuellen Eigenwerk dazu entschieden je nach Situation eines von zwei unterschiedlichen Kamfsystemen zu verwenden: eines "arbeitet" eher szenisch, das andere eher "feinkörnig". Damit kann ich je nach Bedarf das Kampfgefühl enorm beeinflussen bzw. je nach Bedarf unterschiedlich spielen.

p^^

PS: Mir persönlich hilft ein feinkörniges System auch bei der Vorstellung des Kampfes.
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Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #230 am: 8.07.2013 | 20:44 »
@Slayn:
Wie kommst Du auf die Idee der vollen Spielerkontrolle des Kampfes? Was sie an Kontrolle haben ist das dieser Bereich (bei feinkörnigen Systemen) relativ klar geregelt ist, das stimmt, aber auch hier hat letztlich der GM immer sehr viel Einfluss, wenn man das nutzen will - bspw. könnten die Gegner Effekte im Repertoire haben, die die Chars in dem Moment ohne spezielle Vorbereitung kaum oder nur sehr schlecht abwehren können (Gedankenkontrollzauber, Gasgranaten o.ä.)
Zudem geben es doch sehr viele Systeme sowieso ganz konventionell her, dass die Spieler nach und nach bewusstlos/kampfunfähig werden und die Gefangennahme somit normale und absehbare Folge des Geschehens ist. Was in meinen GURPS- und Shadowrun-Runden dann auch z.B. in der Vergangenheit schon ein paar Mal passierte, war, dass die letzten verbliebenen SCs dann getürmt sind, um später zu versuchen ihre Kameraden zu befreien - wie ich finde ein schöner Aufhänger, der sich ganz natürlich ergibt.
« Letzte Änderung: 8.07.2013 | 20:46 von OldSam »

Offline Slayn

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #231 am: 8.07.2013 | 22:22 »
Hallo.

Die Auswahl eines Regelwerks, Hausregeln, Setting und Spielstil sind Dinge, die vor dem eigentlichen Spiel geschehen und somit die Rahmenbedingungen festlegen. Das legt schließlich fest was ich im eigentlichen Spiel machen kann und definiert auch worüber ich Kontrolle habe und wo sich meine Freiheiten befinden.
Von daher habe ich im Spiel, konkret im Kampf, Kontrolle über meinen Charakter und meine Handlungen.

OldSam, ich denke das sind Äpfel und Birnen. Nur weil bei einem gewählten System und/oder Spielstil ein Kontrollverlust über die Spielfigur drin ist, beraubt man mich als Spieler nicht um meinen Teil der Freiheit. Spielfigur und Spieler in dem Zusammenhang nicht vermischen.

@Faden:

Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #232 am: 8.07.2013 | 22:54 »
Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.
Was heißt Akzeptanz. Ich würde eher sagen man nimmt das in Kauf, weil Gefechte ab einer gewissen Größenordnung sonst aus Zeitgründen schlicht nicht durchführbar wären.
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #233 am: 8.07.2013 | 23:55 »
Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.

Zum Einen treffen viele Massenkampfsysteme keine so konkrete oder endgültige Aussage über das Schicksal einzelner Beteiligter, schon gar nicht der SCs.

Zum Anderen ist es meiner Erfahrung nach in den meisten Systemen immer noch (simulationistisch unbefriedigend, aber cinematisch sinnvoll) Standard, dass man in großen Schlachten auf die SCs fokussiert und der Gesamtverlauf den Ergebnissen dieser Kämpfe folgt.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #234 am: 9.07.2013 | 11:42 »
@Faden:

Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.
Vielleicht liegt das daran, dass die Spieler bei Schlachten auch deutlich geringere Einflussmöglichkeiten erwarten als bei Scharmützeln. Zusammen mit dem Handhabungs-/Zeitargument könnte das die Akzeptanz hierbei erklären.

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #235 am: 9.07.2013 | 23:53 »
Ich würde eher sagen deutlich andere Einflussmöglichkeiten.
Im Gruppenkampf (4-5 SCs gegen 4-5 NSCs) erwarte ich schon dass die einzelnen Charaktere mit ihren individuellen Stärken punkten können. In einer Schlacht 1000 gegen 1000 sind die zwar auch noch interessant weil sie effektiv die Kampfkraft der Gruppe steigern, aber über den Ausgang der Schlacht werden sie nicht bestimmen.
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