Autor Thema: Never Unprepared: The Complete Game Master's Guide to Session Prep.  (Gelesen 1605 mal)

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Offline Der Nârr

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"Never Unprepared - The Complete Game Master's Guide to Session Prep" von Phil Vecchione ist aus dem Hause Engine Publishing. Dieser dem Gnomestew-Blog nahestehende Verlag ist bereits durch mehrere generische SL-Hilfen aufgefallen wie "Eureka - 501 Adventure Plots to Inspire Game Masters" oder "Masks - 1,000 Memorable NPCs for Any Roleplaying Game". Never Unprepared nimmt sich auf 129 Seiten nun der Vorbereitung von Abenteuersitzungen an - oder besser gesagt: Dem Organisieren der eigenen Vorbereitung. Dafür verlangen sie $9.95 (digital, inkl. ebook-Formate) bzw. $19.95 im Bundle (Softcover + digital).

Ich muss mich vorab entschuldigen: Eigentlich erwarte ich von einer Rezension eine tiefgehende Lektüre eines Werkes. Die habe ich hier nicht geleistet. Denn dieses Buch hat mich wütend gemacht. Richtig wütend. Es ist das schlechteste RPG-Produkt, mit dem ich mich dieses Jahr auseinandergesetzt habe und ich bedauere jede Minute, die ich damit verschwendet habe. Vieles habe ich daher nur überflogen und quergelesen. Meine Rezension ist nicht objektiv, sondern zutiefst subjektiv. Das Problem: Ich gehöre nicht zur Zielgruppe. Nicht im Ansatz.

Die PR-Texte der Verlagswebsite zum Buch machen einige Ankündigungen, was in dem Buch zu finden sei. Es richte sich an Neulinge oder an Spielleiter, die seit '74 spielen. Es helfe, Sitzungen schneller vorzubereiten, Klippen zu vermeiden, mehr Spaß bei der Vorbereitung zu haben. Man könne mit dem Buch seinen eigenen, einzigartigen Ansatz zur Session Prep entwickeln. (Ich verwende im Folgenden den Begriff "Prep", wie er auch im Buch verwendet wird.)

Beginnen wir nun aber mit der eigentlichen Rezi.


Das Buch ist in schwarz-weiß gehalten, gut lesbar formatiert, hat Inhaltsverzeichnis und Index. Ein paar Fantasy-Illustrationen lockern das Buch auf. Wieso man hier keine passenden Illustrationen gewählt hat, wundert mich. Ich hätte mir eher ein Foto, wie der Autor gerade mit einem Cross Pen in ein Moleskin notebook schreibt, besser vorstellen können.

Der Text gliedert sich in 12 Kapitel und die drei Teile Understanding Prep (S. 9-65), Prep Toolbox (66-84) und Evolving Your Style (85-116).

Understanding Prep

In diesem längsten Teil erfahren wir, dass es verschiedene Phasen der Prep gibt: Brainstorming, Selection, Conceptualization, Documentation und Review. Vorher wird uns jedoch erklärt, was überhaupt das Problem mit Prep ist. Zunächst reden wir GMs einfach zu wenig darüber und darum füllt das Buch auch eine wichtige Lücke. Wenn mal jemand mit Prep Probleme hat und darüber spricht, erkennt der Autor aber vier häufige Kategorien: GMs schreiben zu viel, GMs verwenden schlechte Tools, GMs verstehen nicht ihren kreativen Zyklus. (Das sind nur drei Kategorien. Wie der Autor auf vier kommt, habe ich nicht verstanden.) Der Autor erklärt uns, dass richtig ausgeführte Prep, die unserem Stil entspricht, unser Verbündeter sein kann und unser Spiel von guter Prep profitieren wird. Yeah. Das hört sich gut an.

Langsam merke ich aber, dass der Autor gerne redet. Und zwar von sich. Selten las ich in einer SL-Hilfe so oft das Wort "I" - "ich". Biographische Details, eigene Erfahrungen, wie er dies und das gelernt hat. Er hat es so und so und so gemacht. Aha. Spannend. Erinnert mich an Fitness-Bücher und auch an manche Selbsthilfe-Ratgeber von Leuten, die selber ein Problem hatten und nun anderen erklären wollen, wie sie ihre eigenen Probleme lösen können.

Also, wo wird es nun konkret? Aha, Brainstorming dient dazu, Ideen zu generieren. Hmhm, hmhm. Ich kann überall brainstormen. Aha. Menschen, die in der Werbeindustrie arbeiten, müssen gut brainstormen können. So so. Spannend. Oh, nicht jede Idee aus dem Brainstorming kann ich verwenden. Darum gibt es die Phase Selection. Wie ein Edelsteinschleifer untersuche ich rohe Diamanten. Ich soll mir bewusst darüber sein, wie ich Ideen aussortiere. Ach was! In der Art geht es weiter. In Documentation erfahre ich, dass ich handschriftliche Notizen machen kann oder einen voice-to-text-editor verwenden kann und manche GMs binden ihre Notizen zusammen. Wow.

Ein Absatz "It Can Happen Anywhere, Anytime" (fette Überschrift und unterstrichen!!) erklärt mir, dass ich immer brainstormen und selektieren und konzeptionalisieren kann, auch im Stau oder in der Warteschlange an der Supermarktkasse.

Nach diesen Kurzeinführungen folgen noch ausführlichere Kapitel zu den Phasen, die noch mal alles erklären und wo ich hilfreiche Informationen erhalte wie, dass Brainstorming dazu dient, eine gute Idee zu generieren oder auch noch mal den Tipp, dass ich im Verkehr oder in der Warteschlange ja auch brainstormen kann. Und so geht es weiter. Ich überfliege diese ganzen Phasen, denke mir, das hilft mir alles nicht weiter.

Zwischendurch fällt mir auf, dass es immer wieder die Möglichkeit gibt, sein "skill level" in einem bestimmten Bereich zu erfragen, z.B. "wie gut beherrsche ich schon Review". Ich kann dann feststellen, was ich am schlechtesten kann und soll das immer zuerst trainieren.

Meine Fresse ne. Also gut - der erste Teil, Understanding Prep, hat mich nicht weiter gebracht. Kommen wir also zum zweiten Teil:

Prep Toolbox.

Hier habe ich große Hoffnungen gehabt und ich werde nicht enttäuscht. Die nutzloseste Diskussion für Prep Tools, die ich je gelesen habe. Neben einigen Geschichten des Autors erfahre ich Hinweise wie, dass die Tools meinem Work Style entsprechen sollen. Wenn ich überall Internetzugriff habe, passt ein Cloudservice super. Klar. Ich erfahre, dass der Autor gerne mit Microsoft OneNote arbeitet. Er ist nämlich ein schneller Tipper und profitiert daher von elektronischen Tools. Zwar hatte er das Problem, an verschiedenen Orten mit verschiedenen Systemen zu arbeiten, aber das konnte behoben werden, als er OneNote auch auf seinem Mac installierte und Dropbox zum Dateiaustausch verwendete.

Wichtig sei auch, dass Tools eine hohe Qualität haben. Er empfiehlt Moleskine notebooks, ich kann ihn hier nur zitieren, diese wunderschöne Sprache:

"I use Moleskine notebooks for this because I love the quality of the paper and the feel of the notebook in my hand, and because they're quite durable. I pair my notebooks with a Cross Morph pen with a fine black ballpoint tip. The Morph is a nice weight and very comfortable in my hand, and I love writing with it. There's something about holding that pen, feeling the weight oft it in my hand and watching it glide along the pages of the notebook, that is tactile and pleasurable." (S. 68f.)

Hier kam ich mir gelinde gesagt endgültig verarscht vor. Kommentar eines Spielers, dem ich das vorgelesen habe: "Es ist ein Porno." Nur damit wir uns richtig verstehen - der Cross Morph Pen ist ein Kugelschrieber. Ein $50 teurer Kugelschreiber, aber immer noch ein Kugelschreiber.

Also, nur damit es klar ist: Die Tools, um die es hier geht, sind Stifte, Notizbücher, Computer, Software... Und zwar keine Detailbesprechung (z.B. OneNote vs. andere Software), sondern Hinweise, dass man halt nehmen muss, was zu einem passt und dass unterschiedliche Tools unterschiedlichen Erfordernissen entsprechen - immer gespickt mit Geschichten, was der Autor warum verwendet. Er kann z.B. nicht gut am Computer Karten malen, also macht er es wieder per Hand. Wow.

Zum kreativen Zyklus, habe ich dann tolle Stundenpläne gesehen, in denen ich eintrage, wann ich schlafe (!) oder wie ich festhalte, zu welchen Uhrzeiten ich besonders kreativ bin (Creative Heat Map).

Von hier an habe ich nur noch sehr grob überflogen, bin noch auf hilfreiche Tipps gestoßen dass ich z.B. mein Abenteuer ändern muss, wenn es nicht funktioniert und im Part zum eigenen Stil gibt es anscheinend Schablonen, nach denen ich Szenen vorbereiten kann, sah mir nicht sehr individuell aus, sondern eher das Gegenteil, aber was soll's.

In der Conclusion erfährt man dann noch auf zwei Seiten etwas über die Reise, die der Autor die vergangenen 10 Jahre gemacht hat, aber dass er weiter spielen kann "by managing my time, using my creative energies wisely, and honing my creative skills". Und das schönste: "And so can you." (S. 118)

Den Abschluss bilden dann weiterführende Links (zu Gnomestew, lifehacker.com usw.) und Indizes.

Es tut mir wirklich Leid. Ich konnte das Buch nicht von vorne bis hinten vollständig lesen. Es war Geschwafel über Geschwafel mit den Storys des Autors und die Tipps und Hinweise waren derart basal und nichtssagend, dass es schon fast beleidigend ist, sie in ein Buch zu schreiben und dafür Geld zu verlangen. Ich habe mal im Index nachgeschaut: Moleskin notebooks tauchen mit 2 Einträgen im normalen Index auf und dann noch ein Mal in einem speziellen Index für Tools.

Auf einer Skala von 1 bis beliebig gebe ich 1 Punkt.

Wer an seinem Zeitmanagement arbeiten möchte, dem empfehle ich das Buch "Simplify your life" von Werner Tiki Küstenmacher und Lothar Seiwert. Es ist ein Bestseller mit vielen Nachfolgebänden, dementsprechend findet man viele Rezensionen darüber und das gibt es sicher in jeder halbwegs ausgestatteten Stadtbücherei.

Wer Brainstorming-Techniken vertiefen möchte, findet sicher auch dazu Sach- oder Fachbücher, in denen diese Methoden mit weniger Geschwafel und Selbstfindungs-Stories angereichert sind.

Wer Probleme beim Schreiben hat, dem empfehle ich Ratgeber zum wissenschaftlichen Schreiben. Besonders hilfreich fand ich persönlich "Keine Angst vorm leeren Blatt" von Otto Kruse. Es gibt auch eine beliebige Anzahl an Büchern zum kreativen Schreiben, aber man will ja systematisch Abenteuer(module) entwickeln und keine Gedichte schreiben.

Wer konkret etwas sucht, das einen kreativen Input liefert, wenn man einfach keinen Bock mehr zum brainstormen hat, dem empfehle ich im Fantasy-Bereich das "Tome of Adventure Design" von Frog God Games. Unter den generischen SL-Hilfe-Büchern für mich das hilfreichste Buch der letzten Jahre.

Und wer konkrete Tools sucht und sich z.B. überlegt, was für einen Stift er kauft oder ob OneNote das für ihn geeignete Programm der Wahl ist, findet sicher jede Menge Internetseiten, auf denen er sich informieren kann. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass Session Prep auch dann gelingen kann, wenn man keinen Cross Morph Pen und Moleskine notebooks verwendet ;).

Ich weiß, dass es Spielleiter gibt, die das Buch hilfreich finden. Mit meiner Rezi möchte ich keine Mutmaßungen anstellen, wem es weiterhelfen könnte. Ich bin kein Hellseher und weiß nicht, wer von dem Buch profitiert. Ich bewerte nur, was es mir bringt. Leider hatte ich andere Erwartungen als die Beweihräucherung eines 50-Dollar-Kugelschreibers zu lesen und profitiere vom leider überhaupt nicht. Es gibt ja auch jede Menge guter und exzellenter Reviews zum Buch (über die Verlagswebsite aufzurufen). Ich vertrete hier explizit eine Gegenposition. Bitte lasst euch von meiner Rezi also nicht abschrecken. Lest andere Reviews. Schaut in das 19-Seiten-Preview auf der Website. Bildet euch eine eigene Meinung. Und schreibt mir, warum das Buch doch total geil ist und wie es euch konkret weiter gebracht hat.
« Letzte Änderung: 21.09.2014 | 11:14 von Der Narr »
Spielt aktuell Deadlands reloaded
Spielleitet aktuell gar nix
In Planung Fate Core, Pendragon

Offline LordBorsti

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Da das Buch dermaßen polarisiert, liegt es wohl an der Erwartungshaltung? Meiner Meinung wird das Buch irreführend vom Verlag beworben.

Letztendlich bekommt man eine kurze Abhandlung aus dem Projekt-Management Bereich (Von der Idee zum Produkt) übertragen auf des Thema "Vorbereitung einer Rollenspielrunde".

Ich finde das Buch eigentlich recht brauchbar, es ist aber nur für eine rechte spezielle Zielgruppe geeignet: Spielleiter, die Bereits einen Vorbereitungsprozess entwickelt haben und diesen nun a) hinterfragen und b) optimieren wollen. Ich konnte da bisher einige nützliche Tipps aus dem Buch ziehen.

Für Anfänger finde ich das Buch völlig ungeeignet. Es enthält kaum konkrete Techniken wie z.B. Mindmap, R-Map und so etwas. Da sollte man lieber zu Dominik Wäschs Spielleiten greifen.

Das Buch ist nicht mehr und nicht weniger als ein Selbsthilfe Ratgeber für "fortgeschrittene" Spielleiter, die Lust haben ihren Vorbereitungsprozess zu analysieren, zu hinterfragen und zu optimieren.
« Letzte Änderung: 21.09.2014 | 12:49 von LordBorsti »
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Offline phlorian

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Auch wenn ich ein paar hilfreiche Informationen in dem Buch fand, muss ich sagen, dass viel Bla bla enthalten ist. Ein paar Anekdoten moegen illustrativ sein. Auch (vermeintlich) Selbstverstaendliches kann der Vollstaendigkeit halber gerne mit erwaehnt werden. Aber wenn man das Buch auf handfeste Hilfe eindampft, bleiben von dem ohnehin duennen Baendchen nur ein paar Seiten.

Das gleiche gilt leider auch fuer "Odyssey" vom selben Autor.