Autor Thema: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess  (Gelesen 1270 mal)

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Offline Chiarina

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Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« am: 25.08.2015 | 18:33 »
Nur eine kleine fixe Idee am Rande...

Stellt euch vor, ihr habt einen Rollenspielabend mit Spielleiter vor euch. Der Spielstil ist tendenziell narrativ geprägt. Auf dem Tisch liegt ein undurchsichtiger Beutel, in ihm sind ´ne Menge Tokens. Viele Tokens sind grün, viele Tokens sind rot, einige wenige Tokens sind schwarz. Der Spieleabend startet damit, dass die Spieler blind Tokens ziehen. Sagen wir mal, jeder Spieler 10 Stück. Kein Spieler sollte den anderen Spielern davon berichten, wie gut oder wie schlecht er gezogen hat. Die Tokens werden von jedem Spieler geheim deponiert (vielleicht so ähnlich wie beim Scrabble oder MahJongg: die Dinger sind nur einseitig mit Farbe bedruckt und können dann vor jedem Spieler aufgestellt werden).

Das Spiel beginnt. Irgendwann kommt der Moment, wo ein Entscheidungsprozess stattfindet: Eine Fertigkeit wird eingesetzt, es kommt zu einem Kampf, es wird Magie angewendet, was auch immer. Der Ausgang ist ungewiss.

Um zu ermitteln, ob sich die Situation im Interesse der Charaktere entwickelt oder nicht, legt nun jeder Spieler einen Token in die Mitte - am besten gleichzeitig und verdeckt, die Dinger werden simultan aufgedeckt. Wenn die meisten grün sind, war das Ganze ein Erfolg. Wenn die meisten rot sind, war das Ganze ein Misserfolg. Wenn ein schwarzer dabei war, ist das Ergebnis kritisch. Ob das Ergebnis dann vom Spielleiter oder vom Spieler selbst interpretiert wird, müsste man mal ausprobieren.

Die Spieler ziehen erst wieder neue Tokens, wenn sie ihre Tokens alle ausgegeben haben.

Eventuell lässt sich das System noch verfeinern. Vielleicht lässt sich der Entscheidungsprozess modifizieren, indem besonders fähige Charaktere bzw. Charaktere in höheren Leveln einen oder zwei grüne Extratokens ins Spiel bringen dürfen. Der Spielleiter könnte Charaktere in besonders schwierigen Situationen oder mit happigen Gegnern durch ein oder zwei rote Extratokens behindern. Auch das müsste man mal ausprobieren.

Das Ganze wäre ein storybasierter, würfelloser Entscheidungsprozess (und ein bisschen Player Empowerment ist auch vorhanden) mit ungewissem Ausgang (Spannung bleibt erhalten), der nicht von der Allmacht des Spielleiters abhängt. Nach so etwas suche ich derzeit.

Gibt es so etwas schon? Findet ihr es brauchbar? Worauf muss ich aufpassen, wenn ich es mal ausprobieren sollte?
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Offline bobibob bobsen

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #1 am: 25.08.2015 | 18:38 »
Ich bin mir nicht sicher aber es gab mal ein Video in dem in der Art ein dungeon zusammengebaut wurde. Die token standen für Storyelemente die dann eingebracht werden konnten.

Offline sangeet

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #2 am: 25.08.2015 | 18:41 »
Coole Idee!
Alles schließt Nichts mit ein.

Offline Maarzan

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #3 am: 25.08.2015 | 18:45 »
Die Token könnten eine Nummer von 0-9 haben .
Die 0 schlägt die 9, ansonsten erzählt derjenige der das Token mit der höchsten Zahl der siegreichen Fraktion gelegt hat.

Zur Qualifikation:
Es können Token abgegeben werden, um eine bestimmte Qualifikation des betreffenden Charakters oder auch Schwierigkeit der Umstände zu belegen. Dafür wird ein neutraler Chip aufgenommen, der beim Auswerten der Handlung nicht zählt um auf dieselbe Zahl Tokens wie der rest zu kommen.

Ich würde dazu 2 Sätze Rummicubsteine nehmen, von der kritischen Sorte/Farbe nur einen Teilsatz nutzen und die letzte Farbe ist der Neutralstein.

Aber Rollenspiel finde ich nicht darin.
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Offline Chruschtschow

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #4 am: 25.08.2015 | 19:00 »
Aber Rollenspiel finde ich nicht darin.

Wenn der Ausgang eines Ereignisses bestimmt werden soll, wird ein Würfel geworfen und ein Modifikator addiert. Überschreitet die Summe einen durch die Regeln vorgegebenen Zielwert, wird der Konflikt im Sinne des Würfelnden entschieden. Ist da Rollenspiel drin? Natürlich nicht.

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Das ist im Rollenspiel drin. Und Chiarina bietet einen anderen Resolutionsmechanismus, der halt narrative Macht nicht an Würfelergebnissen sondern an einem Mehrheitsvotum fest macht.

Ich finde das interessant.
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline Edvard Elch

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #5 am: 25.08.2015 | 19:04 »
Ich finde es spannend, dass man auf dieses System wahrscheinlich ziemlich gut das Fertigkeitensystem von Fate draufflanschen kann:

Fertigkeitswerte werden auf einer Skala zwischen X rot bzw. 0 und Y grün bemessen und einfach auf das Gesamtvotum der Gruppe gerechnet.
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Offline Chiarina

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #6 am: 25.08.2015 | 21:55 »
Erfreulich, eure ersten Reaktionen!

Maarzan: Rummikub ist erstmal ´ne interessante Anregung. Das Spiel hat auch diese Aufstellsteine, ganz ähnlich wie ich mir das vorgestellt habe. Ich weiß nur nicht, ob ich über den Mechanismus auch noch das Erzählrecht regulieren möchte. Stell dir mal vor, dein Charakter wendet eine Fertigkeit an, ein Mitspieler legt den höchsten Wert und erzählt dann, was mit deinem Charakter geschieht... das würde ich als Spieler dann wahrscheinlich eher selbst machen wollen. Deine zweite Idee besagt, dass unter günstigen Umständen unvorteilhafte Tokens durch neutrale und unter ungünstigen Umständen vorteilhafte Tokens durch neutrale ausgetauscht werden können. Das geht vielleicht noch, wenn es um die Qualifikation geht (hochgradiger Charakter, gesteigerte Fertigkeit, o. ä.), wenn es um ungünstige Situationen geht, ist das nicht so ein guter Mechanismus, denn du ziehst ja nicht situationsweise, sondern für eine längere Spielphase die Tokens. Und letztlich bin ich mir auch bei den hochgradigen Charakteren und gesteigerten Fertigkeiten unsicher... so ein Token wird ja nicht unbedingt für den eigenen Charakter eingesetzt. Daher finde ich die situationsabhängigen Bonus- und Malustokens sinnvoller. Danke aber für die Rummikub-Idee. Da stehen Zahlen drauf... mal sehen, was man damit noch machen kann.

Chruschtschow: Danke auch dir. So, wie du es erklärt hast, habe ich es gemeint.

Edvard Elch: Interessanter Beitrag. Was ich an den Fate (Core) Fertigkeiten besonders schön finde, ist die Auswahl. Es sind wirklich 18 Fertigkeiten, die nicht irgendwie zusammengeschustert sind, sondern ziemlich durchdacht zusammengestellt wurden, um mit relativ wenig Werten möglichst viel darzustellen. Insofern wäre das eine Fertigkeitenliste, die mir gefallen könnte. Dein zweiter Satz bezieht sich aber schon auf Werte... und ich verstehe ihn leider nicht so ganz. Kannst du nochmal erklären, wie du dir das mit den Fate-Fertigkeiten und der X bzw. Y-Skala gedacht hast?
« Letzte Änderung: 25.08.2015 | 22:02 von Chiarina »
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Offline Maarzan

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #7 am: 25.08.2015 | 22:07 »
Ne, ich meinte, dass jemand für einen Charakter oder eine Situation eine Aussage trifft und um das zu bestätigen einen passenden Token aus seinem Pool ablegt. Da er bei weiteren Entscheidungen aber imme rnoch etwas legen muss und nicht früher an neue Steine  kommen soll würde der Stein durch einen neutralen ersetzt bis die Eigenschaft "abgelaufen" ist.

Ich habe jetzt irgendwo angenommen, dass es keine vordefinierten, persönlichen Charaktere und systemmäßig fixiierte Beschreibungen gibt und alles über die Steine abgehandelt werden soll.
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Offline Chiarina

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #8 am: 25.08.2015 | 22:13 »
Das Ganze ist nur ein Entscheidungsmechanismus. Im Prinzip wie Würfeln. Nur: Das Ergebnis ist nicht komplett vom Zufall abhängig, es ist aber auch nicht komplett voraussehbar und es kann von den Spielern gemeinsam in gewissen Grenzen gesteuert werden. Das ist eigentlich alles.
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Offline Edvard Elch

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #9 am: 25.08.2015 | 22:19 »
Edvard Elch: Interessanter Beitrag. Was ich an den Fate (Core) Fertigkeiten besonders schön finde, ist die Auswahl. Es sind wirklich 18 Fertigkeiten, die nicht irgendwie zusammengeschustert sind, sondern ziemlich durchdacht zusammengestellt wurden, um mit relativ wenig Werten möglichst viel darzustellen. Insofern wäre das eine Fertigkeitenliste, die mir gefallen könnte. Dein zweiter Satz bezieht sich aber schon auf Werte... und ich verstehe ihn leider nicht so ganz. Kannst du nochmal erklären, wie du dir das mit den Fate-Fertigkeiten und der X bzw. Y-Skala gedacht hast?

Das war eigentlich der Versuch, die Fate-Leiter auf dein System anzupassen. Das könnte dann in etwa so aussehen:

Stufe auf der LeiterFate-BonusDein System
Legendär+8+4
Episch+7+4
Fantastisch+6+3
Hervorragend+5+3
Großartig+4+2
Gut+3+2
Ordentlich+2+1
Durchschnittlich+1+1
Mäßig00
Schwach–1–1
Fürchterlich–2–1

Man muss halt schauen, wie hoch der maximale Bonus aus der Gruppenentscheidung ist und dann die Skala anpassen – je nachdem wie viel Gewicht du auf die Entscheidung und wie viel du auf die Fertigkeiten legen willst.
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Offline Chiarina

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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #10 am: 25.08.2015 | 22:41 »
Ah, ich verstehe. Mit dieser Methode erreicht man allerdings ein genaueres Ergebnis als erfolgreich bzw. nicht erfolgreich. Man erreicht nämlich einen bestimmten Wert. Und wenn der irgendeine Bedeutung haben soll, dann muss ich auch über Target Levels und aktiven bzw. passiven Widerstand nachdenken.

Kann schon sein, dass es letztlich darauf hinausläuft.

Erstmal fand ich aber ganz schön, dass ich einfach nur so ein "Jawoll!" oder "Mist!" Ergebnis bekomme. Fertigkeiten würde ich gerne verwenden... und ich fände es auch nicht schlecht, wenn man die auf einem groben Niveau differenzieren könnte (Ungeübt - Dilettant - Profi - Experte?). Dieses Erreichen von bestimmten Werten bzw. das Über- oder Unterwürfeln von Richtwerten würde ich aber ganz gern umgehen. Wenn ich das draußen habe, habe ich gleich zwei oder drei Gedankengänge weniger (Welcher Wert muss erreicht werden? Wurde der Wert erreicht? Wie souverän wurde der Wert erreicht?). Diese Einfachheit gefällt mir erstmal ganz gut.

Mal sehen... muss ich drüber nachdenken. Danke jedenfalls. Das Ganze war nur ´ne fixe Idee und jetzt habe ich doch schon nicht zuletzt wegen deiner Anregung ganz ordentlich darüber nachgedacht.
« Letzte Änderung: 25.08.2015 | 22:46 von Chiarina »
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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #11 am: 25.08.2015 | 23:45 »
Ich hatte eigentlich daran gedacht, das nur als Modifikation des Wurfs zu verwenden …

Man könnte z.B. vier Fertigkeitsstufen einführen: schlecht (es kommt ein roter Plättchen in die Tischmitte), durchschnitt (nichts passiert), gut (ein grünes Plättchen in die Tischmitte), krass (zwei grüne Plättchen in die Tischmitte). Aus dem Gesamtergebnis kann man dann einen Wert ± X ableiten, muss man aber nicht. Genauso könnte man als Spielleiter Schwierigkeiten festlegen.

Wenn man das ganze ein wenig austarieren will, könnte man abhängig davon, wer Fähigkeiten oder Erschwernisse (oder Erleichterungen) einsetzt, Zusatzplättchen vergeben: Der Spielleiter legt eine Erschwernis von 1 fest (ein rotes Plättchen in die Tischmitte), dafür darf der Spieler, um dessen Charakter es gerade geht, ein neues Plättchen ziehen. Oder ein Spieler setzt eine gute Fertigkeit ein (ein grünes Plättchen in die Tischmitte), deshalb darf der SL nach der Probe ein neues Plättchen ziehen.
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Re: Entscheidungsfindung als Gruppenprozess
« Antwort #12 am: 26.08.2015 | 00:28 »
Kommt meinen Vorstellungen durchaus entgegen.

Man muss dabei Folgendes bedenken: Wenn eine Runde vier oder fünf Spieler umfasst, liegen bei solchen Endscheidungsfindungen vier oder fünf Tokens auf dem Tisch. Das sind nicht gerade sehr viele. Ein einzelnes zusätzliches grünes (oder eben auch rotes) Token ist in der Regel also schon einigermaßen entscheidend.

Hier mal ein Systematisierungsversuch:
Jede Entscheidungsfindung kann maximal durch zwei grüne und zwei rote Tokens modifiziert werden.
Das erste Token gibt´s für charakterimmanente Aspekte: Fertigkeit wird nicht beherrscht: rotes Token, Charakter ist nicht mit den Gedanken bei der Sache: rotes Token, Charakter ist verwundet: rotes Token. Fertigkeit auf Profilevel:grünes Token, Charakter handelt aus überlegener Haltung heraus, entspannt, wohlüberlegt oder besonders konzentriert: grünes Token, Charakter ist körperlich oder geistig besonders bevorteilt (durch Magie, Kräuter, Doping, etc.): grünes Token. Maximal gibt´s ein rotes und ein grünes.
Das zweite Token gibt´s für externe Aspekte: Charakter fehlt angemessene Ausrüstung: rotes Token, Charakter ist in ungünstiger Postition (steht mit dem Rücken zur Gefahr o. ä.): rotes Token, Charakter erleidet widrige Umwelteinflüsse (Bogenschießen bei Regen etc.): rotes Token, Charakter hat hervorragende Ausrüstung: grünes Token, Charakter befindet sich in taktischem Vorteil: grünes Token, Charakter genießt vorteilhafte Umwelteinflüsse (klare Sicht o. ä.): grünes Token. Maximal gibt´s ein rotes und ein grünes.

Mit dieser Regel wären drei Fertigkeitsstufen abgedeckt: Ungeübt (rotes Token), Dilettant (kein Extratoken) und Profi (grünes Token). Für die Fertigkeitsstufe Experte könnte man sich noch ein Schmankerl überlegen. Vielleicht darf sich ein Experte zusätzlich zum grünen Extratoken einmal pro Sitzung ein schwarzes "Kritisch"-Token dazunehmen... mit dem Restrisiko, dass die Sache trotzdem noch in die Hose gehen kann (dann hat er zuviel gewagt).
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