Autor Thema: [Unknown Armies] Die armen Kinderchen  (Gelesen 830 mal)

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Offline Yozora

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[Unknown Armies] Die armen Kinderchen
« am: 30.01.2016 | 09:21 »
Neulich haben wir ein Unknown Armies Szenario gespielt, welches erst kürzlich in der verbesserten Version herausgekommen ist. Das Setting: Man spielt Kinder während der Französischen Revolution. Es war eine sehr interessante Erfahrung, da man ja sehr selten Kinder spielt.

Szenario: Die Kinder mit den Schwefelhölzern

Charaktere
Simon (14), Andre (12) und Marie "Petit" (8) Petteau, drei Geschwister und Kinder eines Uhrmachers

Die Geschichte

Es beginnt mir einem wundervoll atmosphärischen Vorlesetext: Es ist spät abends und bitterkalt. Ein kleines Mädchen läuft durch die dreckigen Straßen von Paris und versucht, Schwefelhölzer zu verkaufen, doch die meisten Leute haben kein Geld für so etwas übrig. Dann trifft Marie auf einen Mann, er wirkt reich und lässt sich tatsächlich die Pfeife anmachen. Sobald dies geschehen ist, packt er das Kind und rüttelt es. "Abschaum! Schon bald wird die Vernunft dich holen!" Angsterfüllt reißt sich Marie los und rennt davon, direkt in die Arme ihrer beiden älteren Brüder, die gekommen sind, um sie nach Hause zu bringen. Ihr Vater hat einen Brief erhalten und muss den Kindern etwas Wichtiges mitteilen. Als Marie erzählt, da sei ein gruseliger Mann, der sie geschüttelt habe, will Simon schon losgehen und dem Herrn die Meinung sagen, doch auf Drängen seiner Geschwister lässt er es bleiben.

Zuhause treffen sie auf ihren Vater, der anfängt zu weinen, als er das Gespräch beginnt. Es sei etwas Furchtbares geschehen und die Kinder müssten umgehend zu seinem Freund, dem Marquis, in die Universität. Er würde sich dort um sie kümmern, bis der Vater nachkäme. Er selbst müsse noch ein paar Dinge erledigen. Etwas ängstlich, aber gehorsam ihrem Vater folgend, eilen die Geschwister hinaus in die Nacht, wo die Revolutionäre einmal mehr einen Schlag vorbereiten. Andre schaut noch einmal zurück und sieht mehrere bewaffnete Männer in Richtung ihres Hauses marschieren, kurz darauf fällt ein Schuss. Die anderen beiden scheinen es nicht bemerkt zu haben und obwohl ihm das Herz schwer ist, kehrt der Junge nicht um. Simon leitet seine Geschwister sicher durch die Gassen, vorbei an aufgebrachten Bauern und Soldaten. Kinder haben um diese Uhrzeit Ausgangssperre und die meisten Menschen wirken sehr aufgebracht, sodass die kleine Gruppe von Versteck zu Versteck huscht. Mehrmals werden sie beinahe erwischt, doch das Glück ist ihnen hold. Einmal sitzen sie in einem Kellereingang, neben ihnen einige Ratten, als ein Soldatentrüppchen vorbeizieht. "Da ist doch was." "Ja, Ratten." "Nein, noch etwas anderes." Wagemutig greift Simon eine der Ratten und wirft sie vorsichtig ein paar Meter von sich weg. Irritiert und erschrocken rennt die Ratte aus dem Schatten hinaus und die Soldaten ziehen achselzuckend weiter.

An der nächsten Ecke laufen sie drei Betrunkenen in die Arme, die ihren Spaß mit Simon haben wollen. Der spielt bereitwillig Köder und lockt die Erwachsenen zurück zu dem eben beschriebenen Soldatentrupp. Völlig außer Atem kehrt er dann zu seinen Geschwistern zurück. Weiter geht es durch die Nacht, immer wieder wird sich versteckt. Einmal müssen die Kinder mitansehen, wie Leute aufgeknüpft werden, dann kriecht auch noch ein schwer verletzter Reicher in Richtung ihres Versteckes und streckt auch noch hilfesuchend die Hand nach ihnen aus, als er sie erblickt. Doch was können Kinder schon ausrichten? Außerdem können sie sich jetzt nicht wegen eines Fremden in Gefahr bringen, sie müssen schließlich zum Marquis. Also lassen sie ihn zurück, überlassen ihn seinem Schicksal. Immer wieder sehen sie Mitglieder einer Art Sekte, die Strickträger, die Vernunft. Sind die es, die hinter ihnen her sind? Und warum?

Dann sind sie vor der Universität, aber da gibt es Barrikaden und jede Menge Leute, es wird also ein heimlicher Zugang benötigt. Glücklicherweise gibt es da eine alte, vabarrikadierte Bibliothek, durch die sie schlüpfen können. Nur mit einer schwachen Kerze bewaffnet schleichen die Drei hindurch. Dann ist da plötztlich etwas, die Schatten bewegen sich seltsam und klauenbewehrte Hände greifen nach den Kindern. Andre zieht seine Geschwister schnell weg, dann hören sie eine Stimme wie Sandpapier. Die Worte versteht jedoch nur Marie, die ganz unbedarft dem Monster ein Schwefelholz anbietet, woraufhin es verschwindet. Leicht verängstigt verlassen die Kinder die Bücherei und gelangen durch einen Nebeneingang zum Marquis, der völlig überrascht von ihrem Auftauchen ist. Als er erfährt, dass die Vernunft bereits hinter ihnen her ist, schickt er sie sofort weiter nach Notre Dame. "Wir wollten doch nur Zukunft und Vergangeheit vereinen!", jammert er, dann klopft es schon an der Tür und die Kinder müssen erneut fliehen.

Bis zur Seine schaffen sie es problemlos, doch dann muss ein Boot gefunden werden. Die Brücke zu überqueren wäre zu gefährlich. Leider finden sie vorerst nichts und nähern sich der Brücke, wo gleich mehrere böse Schatten sie angreifen und versuchen, zum Fluss zu treiben. Irgendwie schaffen die Kleinen es, sich ihrer mit Kerzenlicht und Weglaufen zu erwehren, wobei Simon sich übel die Hand verletzt und finden dann tatsächlich ein kleines Boot, mit dem sie auf die andere Seite fahren können. Ohne weitere Probleme erreichen sie die gewaltige Kathedrale, doch bevor sie sie betreten können, springt ein merkwürdiges Wesen von dessen Dach herab, eine Art Chimäre, die bedrohlich das Krokodilmaul aufreißt und nach dem Begehr der Kinder fragt. Die antworten wahrheitsgemäß, wen sie dort drinnen treffen sollen, da lässt das Wesen sie durch. Beim Eintreten in die Kirche fallen aber ein paar Steine herab und treffen Simon am Bein. Andre eilt zu ihm, um zu helfen, da sehen die beiden Jungen, dass die aufgeschürfte Stelle nicht sonderlich stark blutet und darunter kein Fleisch, sondern Zahnräder zu sehen sind. Mit einem kurzen Blick einigen sie sich, vorerst nicht darüber zu sprechen.

Im Inneren brennen hunderte von Kerzen und ein Pater fragt die Kinder nach ihrem Begehr. Sie erklären ihm ihre Lage, die Verfolgung durch die Vernunft und deren Schatten, wessen Kinder sie sind und dass man sie hergeschickt hat. Zunächst wirkt er etwas unschlüssig, dann stellt er den Kindern einzelnd seltsame Fragen. "Wer bist du?" "Wie alt bist du?" "Was ist Liebe?" So manches Mal fällt den Kleinen auf, dass sie sich an vieles nicht erinnern können: Wer ihre Mutter war, was sie in den letzten Jahren getan haben. Simon bekommt eine ziemliche Identitätskriese. "Das wird schwierig", murmelt der Pater und stellt weitere Fragen. Schließlich endet er und erklärt: "Gut, zwei kann ich in den Kellergewölben verstecken, einen in der Sakristei. Simon, bitte bleib du in der Sakristei." Gesagt, getan. Die beiden Jüngeren bekommen Kerzen, damit sie unten nicht im völligen Dunkeln bleiben müssen, während Simon in die Sakristei gesperrt wird. Er versucht, diese aufzubrechen, doch es klappt nicht. "Warum versündigst du dich an Gott?", fragt der Pater noch, dann holt er Anhänger der Vernunft und übergibt ihnen den Jungen schweren Herzens, denn dieser ist seiner Meinung nach nicht beseelt genug, um weiterleben zu dürfen. Ein wütender Mob greift sich den Jungen und schleift ihn mit, hackt ihm einen Arm ab, wobei Zahnräder und Drähte umherfliegen. "Seht, diese Abscheulichkeit! So etwas sollte nicht existieren! Und was es an Geld gekostet haben muss!"

Simon wird in dieser Nacht erschossen, seine Geschwister warten vergeblich auf ihn. Als der Morgen anbricht und niemand kommt, um sie zu holen, ziehen die beiden fort. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...


Fazit: Ein sehr atmosphärisches Szenario, über dessen Ausführung unsere Gruppe aber sehr zwiegespalten ist. Eine Spielerin mochte das viele Verstecken anfangs sehr gerne, ich fand es eher lästig, dauernd darauf würfeln zu müssen und war gelangweilt von diesem Teil des Abenteuers.
Interessant war auf jeden Fall der Aspekt, dass wir nicht wussten, weshalb man uns eigentlich verfolgt und dass plötzlich Schatten lebendig werden, was dem scheinbar normalen Setting einen unerwartet übernatürlichen Touch gegeben hat. Meiner Meinung nach waren wir allerdings zu lange vollkommen unwissend, vor allem, was unseren Zustand angeht. Das lag aber teilweise einfach an unserem verfluchten Würfelglück, wodurch wir viele Krisen problemlos überwunden haben. Simons Spieler dagegen fand es sehr gut, dass wir so lange nichts wussten. Wie wir allerdings hinter den Hintergrund der Schatten hätten kommen können, ist uns schleierhaft, was ich auch etwas schade finde. Erwachsene ansprechen wollten wir nicht, da diese meist sehr bedrohlich erschienen und wir als Kinder auch eigentlich nichts mehr draußen zu suchen gehabt hätten.
Als wir auch vom Marquis weggeschickt wurden, hatten wir schon Angst, das Abenteuer würde jetzt noch lange auf diese Weise weitergehen, aber das war dann ja nicht so. Ab Notre Dame wurde es dann richtig interessant, weil wir da nochmal mit dem Übernatürlichen und auch mit unserer wahren Identität konfrontiert wurden. Ab da war dann aber auch klar, warum unsere Werte eigentlich so hoch sind, denn für Kinder waren die schon extrem gut.
Nett war auch, dass wir sowohl ein gutes, als auch ein schlechtes Ende bekommen haben, sodass wir beides erleben durften und auch die Vorlesetexte haben uns sehr gefallen.
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