Autor Thema: Sensible Themen im Rollenspiel, keine Thematisierung sexueller Aspekte  (Gelesen 1877 mal)

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Just_Flo

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Eulenspiegel

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Ursprungsthread ist Sexualisierte Gewalt und sonstige sensible Themen im Spiel.

Grund für diesen Thread ist, dass bereits von einigen Leuten angesprochen wurde, dass es mehrere Formen von Gewalt gibt, die alle recht problematisch sein können.

Hier kurz der Beginn des Diskussionsfadens, der letztendlich zu diesem Thread geführt hat:
Und ein Teil unseres Hobby ist zweifellos die Beschäftigung mit Grenzthemen. Das fängt nicht erst bei Folter und sexualisierter Gewalt an - auch völlig fantasyübliche Gewaltdarstellung und Rollenklischees kann man durchaus hinterfragen bzw. scheiße und verletzend finden. Wir machen es trotzdem, und es macht irgendwie Spaß, sonst würden wir es nicht tun. Entscheidend ist, dass wir darauf achten, dass nach Möglichkeit keine/r verletzt wird.
Das ist ein Punkt, der mich hier (und in anderen, ähnlichen Diskussionen) immer etwas wundert und auch ratlos zurücklässt. Es ist ja nicht so, dass nur sexualisierte Gewalt ein sensibles Thema ist, das traumatische Aspekte hat. Gewalt an sich, ob psychisch oder physisch, ist da ja generell kaum anders. Zusammengeschlagen zu werden wünscht sich sicherlich auch niemand, aber das ist ja ein ziemlich normales Ding im Rollenspiel, oft humorisiert oder als "Kneipenschlägerei" verharmlost. Ebenso gibt es ja zahlreiche Wege der psychischen Gewalt, mit denen generell locker-flockig umgegangen wird. Und man denke nur mal an Beherrschungszauber ... Gut, bei Zauberei spielt sicherlich hinein, dass das außerhalb der Erfahrung ist. Aber es ist doch schon bemerkenswert, dass man da generell mit verschiedenen Maßen misst. Das soll jetzt kein Vorwurf sein, ich mache das ja selbst. Es sagt aber wohl mehr darüber aus, wie wir in Sachen Gewalt - und vor allem dem "erzählerischen" Umgang damit - sozialisiert sind als davon, wo wirklich größere Sensibilität angebracht wäre. Wobei sich das wohl bedingt: Ist spontane, non-lethale körperliche Gewalt zumindest in Geschichten nicht besonders sanktioniert, dann beeinflusst das auch unsere Einstellung generell dazu.
Das finde ich gar nicht mal so unwichtig, weil es eben auch häufiger vorkommt, dass Charakter A Charakter B mal eine zimmert.

Wir hatten mal eine Vampire-Runde, in der ein Charakter regelmäßig zusammengeschlagen wurde. Das wurde dann unglaublich verharmlost und als "haha, selbst schuld" abgetan.

In einer anderen Runde hatten wir einen sehr gewalttätigen Charakter, der einen anderen geschlagen hat. Zuerst durfte sich der Geschlagene dann noch (in-game) anhören, er hätte doch wissen müssen, dass man den nicht reizgen dürfe... das fand ich auch schon etwas unangenehm. Glücklicherweise haben die in-game Charaktere da noch die Kurve gekriegt und festgestelllt, dass es doch nicht so okay ist, jemandem einfach eine zu donnern.

Allgemein denke ich, dass es unerheblich ist WELCHE Form von Gewalt ausgeübt wird. Viel wichtiger ist, wie der Spieler/SC darauf reagieren kann. Es gibt in der Psychologie den Begriff der erlernten Hilflosigkeit.

Allgemein ist ein Mensch ein "Problemlösungs-Wesen". Das heißt, wenn er vor einem Problem steht, versucht er dieses zu lösen. Wenn er dieses Problem jedoch nicht lösen kann, dann verursacht es bei ihm Hilflosigkeit. Durch die Verbindung zwischen SC und Spieler überträgt sich dabei die Hilflosigkeit des SCs auch auf den Spieler.

Ein normaler Kampf ist im RPG daher unproblematisch: Der SC hat Waffen/Magie und kann sich normalerweise wehren.
Folter ist dagegen problematisch: Hier kann sich der SC normalerweise nicht wehren.

Als Hinweis für den SL würde ich daher empfehlen: Generell weniger schauen, WELCHE Form von Gewalt man nutzt. Ihr solltet lieber schauen, WIE der SC auf die Gewalt reagieren kann. Ist er ihr hilflos ausgeliefert? Oder kann er sich dagegen wehren?
« Letzte Änderung: 5.04.2016 | 21:33 von Eulenspiegel »

Luxferre

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Eulenspiegel

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Gibt es auch eine Begründung?

Offline Sethomancer

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Seit Jahren spiele ich jetzt RPG und schon immer war Gewalt (egal in welcher Form) ein zentrales Thema unserer Spielrunden. Es wurden diverseste Formen von Gewalt spielerisch dargestellt und erforscht und ich habe selber sowohl als SL als auch als Spieler dabei situationen gehabt in dem die SCs entsprechend hilflos waren, weil es ein Bestandteil der Storyline war. Bis jetzt hatte allerdings noch kweiner meiner Mitspieler da ein Problem geäussert, da wir alle in der Lage sind das Spielgeschehen zu abstrahieren und differenziert zu betrachten. Auch wenn das jetzt nach einer Art Psycho-SM klingt, ich für meine Teil genieße es regelmäßig geistig aus meinem friedlichen Leben auszusteigen und in eine primitive Welt voller Gefahr und Gewalt abzutauchen (und das ganze sogar noch in der Sicherheit meiner eigenen vier Wände oder der meiner Freunde).
Bis jetzt hat das immer funktioniert und niemand wurde traumatisiert, vor allem weil wir versuchen auf einander aufzupassen und mit einander zu kommunizieren. Ich denke in anderen Runden sieht das ähnlich aus, weshalb ich den Kommentar
Albern!
dahingehend verstehen kann.
Gewalt im RPG ist wie Gewalt in Filmen oder in Videospielen, für den ein oder anderen fragwürdig aber immerhin nicht wirklich (beweisbar) gesellschaftsschädigend.
Wenn dadurch jemand in seiner sarten Seele verletzt wird wäre das meiner Meinung nach eher ein Diskussionsthema innerhalb der eigenen Gruppe um einen gemeinsamen angenehmen Kontext zu finden.
Das Problem ist, dass der Umgang mit Gewalt halt etwas sehr individuelles ist (Vor allem das Empfinden der selbigen) wodurch das hier sehr schnell zu einem Schlagabtausch von Meinung führt was letzendlich zu keinem Ergebnis (ausser der Zwangsstillegung des Threads)kommt.
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Friedrich Nietzsche

Eulenspiegel

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Erstmal danke für deine ausführliche Erklärung. Diese ist doch wesentlich konstruktiver als Luxferres Post.

@ Inhalt
Vielleicht ist das im oberen Post undeutlich rübergekommen. Ich wollte nicht aussagen: Wenn man hilflos der Gewalt ausgesetzt ist, dann führt das automatisch zu Problemen.

Die Aussage ist: Wenn man hilflos der Gewalt ausgesetzt ist, dann führt das eher zu Problemen.

Oder anders ausgedrückt: Natürlich gibt es Leute, die keinerlei Probleme mit Gewalt im RPG haben. Bei diesen Leuten ist es selbstverständlich egal, wie die Gewalt im RPG auftaucht.

Es gibt aber auch Leute, die haben Probleme mit Gewalt im RPG. Und bei diesen Leuten sind es eher die Szenen, in denen sie hilflos der Gewalt ausgeliefert sind.

bzgl Traumatisierung
Ich bezweifle auch, dass ein RPG jemanden traumatisieren kann.
Was aber passieren kann: Man erleidet außerhalb des RPGs ein Trauma. Und das RPG kann dann dieses Trauma triggern.
« Letzte Änderung: 5.04.2016 | 22:05 von Eulenspiegel »

Offline Sethomancer

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Das Problem hierbei ist das wir über zwei verschiedenen Ebenen reden.
Wenn im wahren Leben jemand in eine Situation gebracht wird wo etwas gegen seinen Willen mit ihm gemacht wird und er/sie keine Handhabung zur Verteidigung hat ist das natürlich traumatischer, als wenn sich der- /diejenige dagegen wehren kann (obwohl das auch nur sehr oberflächlich ist und viele Faktoren auslässt).
Im Rollenspiel kommt jetzt noch der Grad der immersion dazu, sprich wie sehr indentifiziere ich mich mit dem Charakter um die Hilflosigkeit in der gespielten Situation "miterleide". Um es mal blöd zu sagen, wenn mein Charakter im Spiel geschlagen wird tut mir das erstmal nicht wirklich weh.
Dazu kommt das ich auch noch die Handhabung habe die Szene jederzeit abzubrechen, was mich defakto zu keinem Moment hilflos macht.
Ich stimme Dir dahingehend zu, das zwischen Spieler und Spielleiter schon ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen sollte, bevor man Situationen spielt in dem der Charakter der "Willkür" des SL ausgeliefert ist, was ich übrigens auf alle Formen von Gewalt beziehen würde, daher sollte man bei Spielern die man nicht kennt/ gerade erst kennenlernt am Besten auch immer ein In-Time Hintertürchen haben um solche Situationen sanft ( In-time) entschärfen zu können.
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Offline dunklerschatten

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Erst mal Gewalt ist leider ein Teil von Homo sapiens s.

Zitat
...Was aber passieren kann: Man erleidet außerhalb des RPGs ein Trauma. Und das RPG kann dann dieses Trauma triggern...

oO...ach komm schon, letztlich kann dann alles Traumata triggern...Kino, Bücher, etc
Was soll man denn daraus fürs RPG ziehen ?

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Eulenspiegel

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@ Seth
Richtig, der Grad der Immersion spielt auch eine große Rolle. Meistens ist die Immersion von Spieler zu SC aber deutlich ausgeprägter als die Immersion SL zu NSC.

Und ja, theoretisch kann man die Szene jederzeit abbrechen. - Das habe ich bisher aber erst einmal erlebt. (Und das war auf einer Con.) - Wobei die Spielerin nicht wirklich abgebrochen hat, sondern nur mit dem Abbruch gedroht hat. Der SL hat daraufhin eingelenkt und die Ingame-Szene hat nie stattgefunden.

Das Problem beim Szenenabbruch ist allerdings, dass man sich plötzlich im RL outen muss: Man muss zugeben, dass man im RL nicht mit der Szene klar kommt. Das können einige für peinlich halten, wodurch sie lieber die Szene ertragen als sich eine vermeintliche Blöße im RL zu geben.

@ dunklerschatten
Natürlich kann alles Traumata triggern.
Und wäre das hier ein Kino-Forum würde ich darüber reden, worauf man bei Kinobesuchen achten sollte. Aber das ist hier kein Kino-Forum, sondern ein RPG-Forum. Daher rede ich darüber, worauf man beim RPG achten sollte.

Und was man daraus aus dem RPG ziehen sollte, habe ich doch in meinem ersten Post hier geschrieben: Als SL sollte man darauf achten, WIE die SCs auf Gewalt reagieren können? Sind sie ihr hilflos ausgeliefert und sind quasi nur Objekt? Oder können sie sich wehren und bleiben Subjekt?

Offline Sethomancer

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Eben um den Szeneabruch zu vermeiden, empfehle ich ja im Zweifelsfall (alsso wenn man seine Spieler nicht sicher einschätzen kann) auch in "auswegslosen" Situationen ein Hintertürchen offenzulassen um ein  RL-Outing zu vermeiden.
Situation der Charakterhilflosigkeit finde ich ja auch (wie gesagt) bei Con-Runden unangemessen.

Ausserdem seien wir mal ehrlich, tragen Situationen, die den SC und somit den Spieler handlungsunfähig mache wirklich zur Story bei, oder dienen sie den Machtphantasien des SL. Sollte es ersteres sein kann man das vorher absprechen, wie dienlich es der Immersion ist, die Szene zu spiele/beschreiben oder ob es nicht besser wäre das oberflächlich zu halten um den geeigneten Hintergrund für die Story zu liefern. Sollte es sich um das zweite Halten oute ich mich gern im RL als Intolerant gegen menschlichen Verdauungsendprodukten und breche die Runde für mich ab (unabhängig davon odb ich oder einer meiner Mitspieler das Opfer ist)
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Eulenspiegel

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OK, in diesen Punkten sind wir uns dann ja einig.

Offline dunklerschatten

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Und was macht ihr wenn die Spieler ihre Chars in eine Sackgasse manövrieren, wo es nur eine logische Handlungsweise gibt, die das heisst, die SC sind nun temporär handlungsunfähigkeit.

Dann noch ne Frage: Wie klärt ihr das vorhandensein von Traumata´s im Vorfeld ab ?
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Offline Sethomancer

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Und was macht ihr wenn die Spieler ihre Chars in eine Sackgasse manövrieren, wo es nur eine logische Handlungsweise gibt, die das heisst, die SC sind nun temporär handlungsunfähigkeit.
Sorry, das ich das so Krass sage, aber als SL bin ich in völliger Kontrolle über die Umgebung. Die SCs sind nur dann Handlungsunfähig wenn ich das will (und die Spieler mir diese Authorität zu gestehen). Es gibt immer eine Backdoor solange ich als SL das möchte, den ich bin kein Sklave meines Settings.
Dann noch ne Frage: Wie klärt ihr das vorhandensein von Traumata´s im Vorfeld ab ?
Ganz einfach, indem ich wenn möglich potentielle Spieler erstmal kennenlerne und im Zweifelsfall auch vorab einfach mal frage ob jemand der Anwesenden mit irgend etwas ein Problem hat (gerne auch per Zettel oder unter vier Augen).
Ansonsten finde ich die nötige Empathie und Achtsamkeit während des Spiels wichtiger um Reizthemen zu erkennen und zu umschiffen.
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Offline pan narrans

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Wenn der SL meint, er könnte meinen hilflosen Charakter herumschubsen, führt das nach recht kurzer Zeit dazu, daß ich die Sitzung abbreche. Nicht, weil ich mit Gewalt nicht klarkomme, sondern weil mich sein Stil ankotzt. Rollenspiel soll interaktiv sein. Wie soll Interaktion entstehen, wenn ich nicht aktiv ins Spielgeschehen eingreifen kann. Das kann ich als Spieler nur durch meinen Charakter. Beraubt mich der SL ständig dieser Option, dann hat er das Spiel nicht verstanden.
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Eulenspiegel

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Es geht nicht darum, dass der SL deinen SC andauernd herumschubst. Es geht darum, dass dein SC in einer Szene der Gewalt hilflos ausgeliefert ist. In der nächsten Szene kannst du deinen SC wieder völlig frei bewegen.

Beispiel:
- Dein SC wurde mit Alkohol abgefüllt. In der nächsten Szene erwachst du auf einer Streckbank und der SL erklärt dir, wie ein Arzt medizinische Experimente an dir durchführt.
- Die anderen SCs schlagen regelmäßig deinen SC. Wegen ihrer Magie/Stärke kannst du nichts dagegen unternehmen.
« Letzte Änderung: 5.04.2016 | 23:53 von Eulenspiegel »

Offline Feyamius

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Ich kann Eulenspiegels Position hier sehr gut nachvollziehen, weil es mir im Rollenspiel sehr ähnlich geht: Mich triggert wenig bis nichts, was Arten von Gewalt betrifft, aber Hilflosigkeit ertrage ich äußerst ungern. Grob gesagt: Eine versuchte Vergewaltigung, bei der man sich aber wehren und den Täter büßen lassen kann, finde ich im RPG „weniger schlimm“ als eine Szene, in der ein SC von der Obrigkeit gefangengenommen (z.B. aufgrund fingierter Anklage), von einer Räuberbande ohne jede Chance niedergeknüppelt oder auch nur vom System schlecht behandelt wird, was in einer Welt mit Lehnswesen jedoch nicht allzu unplausibel und selten ist.

Wobei ich meine Grenzen aber auch gerne herausfordere, für mich ist das auch ein wenig ein Teilaspekt von Rollenspiel.

Da ist es wichtig, seine Pappenheimer zu kennen. Und sie sollten auch die Verantwortlichkeit für sich selbst ernst nehmen. Bei aller Empathie kann kaum jemandem vorgeworfen werden, jemand anderen getriggert zu haben, wenn dieser jemand trotz Gruppenkonsens und einschlägiger Vorsichtsmaßnahmen in einem zweifelhaften Fall nichts sagt. Das ist menschlich verständlich und tragisch, wenn so eine Situation entsteht, aber irgendwann fängt doch schon fast Bevormundung an, wenn man anderen Reaktionen unterstellt und danach handelt, für die jene keine Anzeichen zeigen.

Offline pan narrans

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Ist mir klar. Eine kurze Beschreibung der Situation, wie die von dir geposteten Beispiele, wird wohl selten zu Problemen führen. Zieht der SL die Szene aber in die Länge, weidet sich in der Hilflosigkeit des Charakters/Spielers oder bringt öfter solche Nummern, dann macht er schlicht seinen Teil des Spiels nicht richtig.
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Offline Heinzelgaenger

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Fantasy-Rollenspiel kann viele Formen annehmen und Geschmäcker bedienen.
Die Wandelbarkeit ist ja auch gerade Alleinstellungsmerkmal und Stärke.

Typischer Eskapismus bedeutet nach Feierabend irgendene Sau rauszulassen.
Statt zu relaxen oder dem Hedonismus (Futtern, Alk, Ganja, Orgie) zu fröhnen lässt es sich mit dem eskapistischen Vehikel unserer Wahl sehr bequem semantisch noch irgendwie deklinierbare virtuelle Situationen ausprobieren, die man erfahren möchte.
Im Gegensatz zum Buch lässt RPG spielerisches Feedback zu.
(Und im Gegensatz zur Nemesis PC-Games ist das Alleinstellungsmerkmal Wandelbarkeit zur Helms Klamm geworden.)
Jetzt ist niemand solch ein Freigeist, dass er permanent nach den schillerndsten, alles-in-Frage-stellenden Szenarien heischt.
Profi RPGler und Psychonauten aussen vor, werden aufgrund der eskapistischen Hobby Tendenz eher typische Szenarien und meist typische Muster gesucht.

Neurotische "Standard-Fantasy" eben.

Damit fangen die meisten ganz unten bei den kleinsten ästhetischen Nennern an und ändert im Laufe der Zeit halt seine Präferenzen.
Teenies spielen DSA Romane auf Hartholzschienen nach.
Es wird gefochten. Alrik köpft den Ork mit einem einzelnen Sonntagshieb und alle lachen. Die Schankmaid wird angeflirtet.

Graue Trans-Bartnerds probieren Indies aus.
Hypermasosexuelle String-Drachen müssen ihre eigenes Ich überzeugen, das Konzept eines Ichs abzulegen und kannibalisieren hierzu menschliche Reinkarnationen. "Leichenschändung per USB" ist das einzige Attribut. Die Würfel haben keine Augen.

Die meisten Spieler wabern irgendwo dazwischen.

Gewalt ist fundamentaler Teil der Gesellschaft und somit auch der Popkultur.
Normalisierte Gewalt wird als solche nicht angesehen. Die ist idR also schon mal drin ("sie sind verhaftet")
Mythische Gewalt ist schon mal besser, da sexy. (Alleine die Brücke gegen die Horde verteidigen)
Brutalgewalt gegen Unmenschliches geht oft auch klar, weil allzumenschlich ("Plünderer müssen sterben")

Gewalt gegen Spieler?
Mythische Gewalt ist meist am unproblematischsten, ist der Einsatz ja so hoch das Details abstrakt erscheinen müssen.
Normalisiert ist sie eher langweilig aber auch wenig problematisch. Wie bereits erwähnt will der Spieler natürlich spielen und da SL/Mitspieler-Anordnungen immer den Ruch der Willkür mit sich tragen sollte die Zeitstrafe, Mali oder Sonstiges passend zugeschnitten sein.
Brutalgewalt trägt das Problem mit sich, dass der eskapistische Schleier beschädigt wird.
Da hilft mitunter auch kein Mitspracherecht. Denn der Spieler sieht doch wenigstens sein Alter Ego als menschlich an.
Er wird also herausgerissen aus dem entspannenden Hobby und darf sich mit sozial verurteilter Gewalt plötzlich philosophisch auseinandersetzen?
Worst Case: Die Zeitstrafe/Mali sind auch noch hoch, dann fällt der Spielsinn vollends in sich zusammen.
Wiederum, Profi RPGler und Psychonauten ausgenommen, was das Ganze ja auch ein bischen relativiert.

Offline Harry

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Puh! Das ist poetisch (und spitzzüngig) formulierte Wahrheit in dem Post hier drüber, jedenfalls so weit ich folgen kann. Die ersten zwei Drittel kann ich, glaube ich, verstehen und dem zustimmen. Der letzte Absatz bereitet mir mehr Schwierigkeiten - Du definierst zwar grob normale, mythische und Brutalgewalt, aber wie sie sich auf Spieler/innen auswirkt, warum sie manchmal als okay gilt und manchmal nicht, da komme ich nicht ganz mit.

Ich verstehe Dich so: Brutalgewalt gegen Spieler/innen macht das Spiel kaputt, also bleiben lassen, mythische Gewalt manchmal auch, also in diesen Fällen bleiben lassen. Richtig?

Wäre ja erst einmal eine relativ schlichte Erkenntnis. Die Frage ist ja, wie erkenne ich welche Gewalt (ich übersetze für mich: welchen sensiblen, potentiell das Wohlbefinden meiner Mitspieler/innen verletzenden Spielinhalt) und was kann ich dann machen? Und die Antwort scheint tendenziell zu sein:

  • Kenne Deine Pappenheimer/innen
  • Sprich vorher im Rahmen des Möglichen ab, was okay ist und was nicht
  • Sei sensibel und achte auf Deine Mitspieler/innen

(Am Rande gesagt: Ich finde nicht, dass dieser Diskussionsfaden abgetrennt weren musste, er passte für mich gut in den Originalfaden rein und das war auch meine ursprüngliche Aussage: Sexualisierte Gewalt ist zwar ein besonders heikler (potentiell die Spieler/innen verletzender), aber bei weitem nicht der einzige heikle Spielinhalt)

Liebe Grüße,
Trans_Bartnerdstringdrach* Harry
« Letzte Änderung: 6.04.2016 | 09:08 von Harry »
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Offline Harry

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Doppelpost, Nachtrag: Weitere Erkenntnis scheint zu sein, dass Punkt 3 ("Sei sensibel") besonders wichtig ist, weil die beiden anderen Punkte nur begrenzt greifen. Und das wäre tatsächlich mal ein Erkenntnisgewinn: Worauf kann ich achten? Weil, mich nicht wie ein Arsch benehmen, das ist relativ leicht. Einschätzen, ob das Unwohlsein meiner Mitspieler/innen schöngruselig ist oder als übergriffig erlebt wird, das ist eher schwer.

Liebe Grüße,
Hartholzlokomotivführer Harry
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Offline ElfenLied

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Also bei vielen von mir gespielten Systemen ist physische Gewalt ein integraler Bestandteil des Spiels. Es geht sogar soweit, dass selbst Massenmörder zu den Guten zählen, solange sie nur die Bösen im Eifer des Gefechts töten. Ich mache mir da keine großen Gedanken, da es nur ein Spiel ist.
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Eulenspiegel

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Im "Eifer des Gefechts" töten, ist allerdings auch etwas vollkommen anderes als "einen wehrlosen SC" töten.

Innerhalb eines Gefechtes kann man sich wehren. Selbst wenn man unterliegt, so ist man doch nie dazu verdammt, passives Objekt zu sein. - Problematisch sind nicht irgendwelchen gewalttätigen Gefechte: Dort können die SCs sich jederzeit wehren. Problematisch sind die Gewalttätigkeiten, wo sich die SCs nicht wehren können.

Und es ist auch keine Frage, ob man Guten oder Bösen Gewalt antut: Viel wichtiger für die Frage nach "sensibles Thema" ist die Frage, ob man SCs oder NSCs Gewalt antut.

Offline ElfenLied

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Im "Eifer des Gefechts" töten, ist allerdings auch etwas vollkommen anderes als "einen wehrlosen SC" töten.

Innerhalb eines Gefechtes kann man sich wehren. Selbst wenn man unterliegt, so ist man doch nie dazu verdammt, passives Objekt zu sein. - Problematisch sind nicht irgendwelchen gewalttätigen Gefechte: Dort können die SCs sich jederzeit wehren. Problematisch sind die Gewalttätigkeiten, wo sich die SCs nicht wehren können.

Und es ist auch keine Frage, ob man Guten oder Bösen Gewalt antut: Viel wichtiger für die Frage nach "sensibles Thema" ist die Frage, ob man SCs oder NSCs Gewalt antut.

Ja, das ist immer so ein Thema. Ich sage meinen Spielern immer "solange ihr nicht foltert, tun das eure Gegner auch nicht. Sobald ihr damit anfangt, tun das die Gegner auch."

Und meiner Erfahrung nach greifen SCs sehr gerne mal zu perfiden Taktiken, um Vorteile für sich rauszuholen. Dazu gehört dann auch, dass sich eine Seite nicht wehren kann. Von daher: beide Seiten tun sich bei uns physische Gewalt an.
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