Ich wundere mich halt auch immer über die Annahme, dass Aktivität der Spieler a)ganz, ganz gefährlich für die arme SL ist und b)ein Mittel für ganz, ganz Fortgeschrittene Profispieler, an das man sie erstmal heranführen muss, am besten an der Hand einer fürsorglichen SL .... Meine Erfahrung ist auch eher, dass Leute, die zum ersten Mal Rollenspiel machen, ziemlich unbefangen von den Konventionen, die wir alle hier so anerzogen bekommen haben, drauflosspielen. Ein- oder zwei Mal haben mich Leute dann als SL gefragt, ob sie jetzt "machen können was sie wollen" oder ob mich das "total durcheinanderbringen" würde. Ich hab gesagt, "beides", und dann war´s das
. Nein, im Ernst, ich finde schon, das man in dürren Worten erklären kann, wie man das Material eines Abenteuers und die Regeln einsetzen kann, um die Spielwelt auf die Spieler reagieren zu lassen. Andererseits ist das Arsenal an SL-Techniken, das man braucht, um eine Gruppe erfolgreich auf Kurs zu halten, ohne dass sie´s merkt, viel, viel aufwändiger und komplexer.
(Eigentlich finde ich sogar Einflussnahme außerhalb des Charakters nicht so schlimm und schwierig zu spielleiten, nur, da braucht man halt auch entsprechende Regeln und das klare Verständnis auf allen Seiten, dass es eben nicht darum geht, eine schon realtiv fest stehende Geschichte nachzuspielen. )
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ich finde Spielleitung-als-Leiten-durch-eine-Story nicht prinzipiell falsch oder schlecht, nur so was gerade einer Anfänger-SL als Ideal hinzuhalten, das finde ich schräg. Und ehrlich gesagt braucht man auch relativ erfahrene
SpielerInnen dafür, die auf zarte Hinweise reagieren können und die typischen Storyabzweigungen auch schon kennen, das Genre beherrschen usw. Wenn man´s ganz genau nimmt, sind die SpielerInnen bei einer Rollenspielrunde-als-Geschichte-erleben ja Co-SL, die die Vorgaben der SL auch beim Schopf packen müssen. Das ist ja eine Art von Impro-Theater, wo man die Handlungsaufforderungen blind erkennen muss. Man muss halt wissen, was der Zwerg typischerweise macht, was ein Auftraggeber in einer Kneipe ist, ob man einen mitreisenden NSC vertrauensselig einweihen oder auf Abstand halten muss, dass die schmachtende Gefangene in der Zelle in Wahrheit ein Dämon ist, dass man sie aber trotzdem befreien soll, dass Schwarzmagier mit dem Ritual immer erst fertig sind, wenn die Helden ankommen, man sich also auf dem Weg durch die Sümpfe des Grauens also nicht wirklich beeilen muss, usw. usf. (Bei Cthulhu dann die Tropen "Ermittler", "wahnsinniger Wissenschaftler", "der Großvater, der auf dem Gemälde schon genau so aussieht", "Wasserflecken auf dem Hausflur", "Ratten im Gemäuer", "wenn die Sterne richtig stehen", "das Spukhaus, in dem man trotzdem übernachten soll" usw.) Das ist hochanspruchsvoll und braucht vielseitig gebildete, proaktive SpielerInnen!
Mit AnfängerInnen würde ich jederzeit lieber dezentes Sandboxing machen ("sucht den Händlerssohn in den Sümpfen des Schreckens, hier ist eine Karte, und was ihr in den Sümpfen macht, steht euch völlig frei" -- einzige Konvention, die man beachten muss ist, dass man die Sümpfe nicht links liegenlassen darf, und das kapiert jedeEr sofort) oder eben den Szenariotyp "offene Situation, die kurz vor dem Explodieren steht und in der die SpielerInnen das Zünglein an der Waage darstellen."