Meine Meinung (da ich nur Kritisieren möchte, gebe ich auch immer ein Positivum dazu):
#1 Figure out who your characters are and then create situations that take them out of their comfort zones.
Prinzipiell eine super Idee, abervöllig falsch herangegangen. Unbesiegbare Monster oder SL-Fiat zum Verlust der Ausrüstung mögen gelegentlich ihre Berechtigung haben, auf Dauer sind sie aber einfach nur langweilig und fade, da es keinen Konflikt gibt, sondern die Spieler einfach mit Realitäten konfrontiert werden.
Besser: schau dir die Charakterbögen deiner Spieler an. Schau dir an, worin sie nicht gut sind und baue Situationen ein, in denen sie gezwungen sind, sich in diese Bereiche des Spiels zu begeben. Mr. ex-Söldner hat also seine Kampffertigkeiten maximiert. Heißt das, ich muss die Monster stärker (oder gar unbesiegbar) machen, um für diesen Charakter Horror zu erzeugen? Keineswegs! Der Spieler soll ruhig seine Spotlight-Momente bekommen, sich durch Horden von Kultisten und (einige, schwache) Monster metzeln dürfen. Schließlich ist das die Besonderheit des Charakters - ansonsten kann man die Werte auch gleich weglassen und allen Charakteren eine Standardchance geben, bestimmte Aufgaben zu bewältigen.
Aber noch etwas ist Teil der Besonderheiten des Charakters: die Werte, welche er
vernachlässigt hat. Bei Mr. ex-Söldner könnten das z.B. die sozialen Kompetenzen sein, und da kann man wunderbar anknüpfen, um das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit zu erzeugen. Was ist, wenn die Tochter, der kleine Bruder oder die Nichte von Mr. ex-Söldner durch ein Monster total traumatisiert wurde? Wie geht dieser Charakter mit einer solchen Situation um? Und nein, er kann den NSC nicht einfach an Mr. Con-Artist weiterreichen, dieser NSC braucht jetzt seinen Vater/Onkel/großen Bruder/... . Im Gegensatz zum Heldenrollenspiel, wo die Schwächen der Charaktere gerne mal ignoriert werden, sind die Unzulänglichkeiten der Charaktere in Horrorrunden fette Signale an den Spielleiter, wie er die Charaktere aus ihrer Komfortzone bekommt.
Darauf aufbauend:
#2 to get people emotionally invested enough to scare them.
Der Autor schreibt, man müsse die Leute am Tisch verängstigen. Ähm, nein. Dadurch wird eher die Distanz zu ihren Charakteren erhöht, weil sich der Spieler plötzlich mit seinen eigenen Ängsten beschäftigt, und nicht daran denkt, dass er gerade nicht er selbst ist (was sich dann in recht komischen und - besonders wenn man in einer anderen Zeit, wie den 1920ern spielt - oft auch sehr unpassenden Aktionen niederschlägt).
Stattdessen muss man sie dazu bringen, dass sie
in den Charakter investiert werden. Dazu ist es unabdinglich, dass die Stärken
und Unzulänglichkeiten des Charakters Teil des Spiels sind. Dass die Charaktere sich real anfühlen, und nicht nur ein Werkzeug sind, um den Spieler zu ängstigen (das ist übrigens etwas, was Buffy wunderbar hingekriegt hat - alle Charaktere, von der mächtigen Slayerin und ihrem Vampir-Lover, bis hin zum einfachsten High-School-Schüler waren komplexe Charaktere, bei deren Triumphen man mitgefiebert hat und bei denen man jedesmal das Drama gespürt hat, wenn sie gezwungen waren, sich ihrem Versagen zu stellen - der Verfasser des Blogs hat diese Serie nie richtig gesehen, wenn er glaubt, dass es nur eine Actionserie wäre, in der Vampire verprügelt werden).
Und natürlich bedeutet das Investment in die Charaktere auch, dass diese in echter Gefahr schweben müssen. Man sollte Charaktere nicht durch SL-Willkür am Leben halten, in der Hoffnung noch etwas (schale) Reaktion aus dem Spieler herauszukitzeln. In diesem Moment fühlt sich der Charakter nämlich weniger "real" an, und das investment nimmt ab.
#3 You HAVE to control the environment you play in.
No, you haven't. Gute Horrorgeschichten funktionieren auch ohne die bells and whistles (schau dir mal gut Horrorfilme bei Tageslicht an - die werden dadurch nicht weniger gruselig).
Dunkelheit mit Kerzen ist (obwohl nicht zwingend notwendig) an sicht eine nette Sache. Gut auch, dass der Autor die Realitäten des Spiels (Charakterwerte und Würfel lesen können) zumindest
ansatzweise in Betracht zieht. Leider geht er dabei nicht weit genug: gerade CoC mit seinen gefühlten 100+ Skills passt einfach nicht auf eine Karteikarte (was den Spieler zwingt zu suchen, sobald seine selten genutzten Fertigkeiten mal wichtig werden); wenn die Spieler ihre Bögen mit den Handys beleuchten, müssen diese dafür eingeschaltet sein (Störungen des Spiels durch eingehende Anrufe/Nachrichten); und ich will gar nicht erst davon anfangen, wieviele Handouts in meinen Runden schon in Kerzenflammen unwiderbringlich verschwunden sind...
Solche Gimmicks sollte man daher sehr genau durchdenken. Manchmal ist weniger mehr.
#4 You have to cultivate a ghost story voice.
Das ist nicht wirklich ein Tipp, da man das nicht wirklich lernen kann. Es gibt Leute die sind gut in Stimmmodulation, und andere die sind es nicht. Man sollte nicht das in diesem Blog versuchen (z.B. eine weibliche oder hysterische Stimme darzustellen), wenn man sich dabei nicht wohl fühlt oder es nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Das hat nichts mit "ich bin halt noch nicht gut genug" zu tun, sondern man sollte mit den Mitteln arbeiten, die man zu nutzen versteht.
Außer Jumpscares. Jumpscares sind ein Armutszeugnis für jeden Horrorfilm und ein ebensolches Armutszeugnis für jeden SL, der ernsthaft glaubt, er könne damit (besonders in einer längeren Spielsitzung) dauerhaften Grusel erzeugen.
#5 you have to cultivate the right group.
Prinzipiell richtig. Die Gruppe muss passen und sich auf den Horror und die (potentielle) Hilflosigkeit der Charaktere einlassen wollen.
Nur: der Autor des Blogs schreibt NICHTS darüber, wie man herausfindet, ob man einen solchen Spieler in der Runde sitzen hat. Nicht jeder Spieler der Kämpfe anfängt oder OT-Witze reißt, hat auch vor die Runde zu sabotieren. Meistens ist es eher so, dass sie noch nicht wissen, wie die Runde so drauf ist und was zum Spiel passt. Auf die Handlungen dieser Spieler einzugehen und im Kontext der Spielwelt auf sie zu reagieren hilft ihnen enorm, sich auf die Stimmung der Runde einzulassen und ihre Spielbeiträge in Zukunft besser auf die Kampagne abzustimmen. Es verhindert auch, dass die unpassenden Beiträge den anderen den Spaß verderben.
Sollte das nicht passieren, dann hat man wahrscheinlich einen Spieler, welcher einfach nicht in die Runde passt, und kann diesem immer noch aus der Runde entfernen. Wenn man jedoch so überreagiert wie der Autor dieses Blogs, kommt man leicht zu dem Eindruck, dass 3/4 aller Rollenspieler einfach nicht in Horrorrunden passen, was einfach nicht stimmt (und die Spieler mit denen man dann endet sind in 99% der Fälle komplett passive Langweiler ohne Eigeninitiative).
Leider ist das ein Eindruck, welcher recht häufig unter den sogenannten "Stimmungsspielern" - die Tendenz sich in eine feste Runde zurückzuziehen und den Kontakt mit dem Rest der Rollenspielwelt meiden, weil "die einfach keine guten Spieler sind" (das ist nicht nur unter Stimmungsspielern verbreitet - auch gewisse "zahnlose" Vertreter der alten Schule scheinen seit 20+ Jahren in derselben Runde festzuhängen, und können sich nicht mehr vorstellen, jemand anderes in diesen elitären Kreis aufzunehmen). Mit diesen Spielern würde ich nicht (ma)tauschen wollen - ich mag es, wenn die Spieler unerwartete Sachen tun, und ich hoffe dass sie dabei genauso viel über das Hobby lernen, wie ich.
#6 Combat is the hardest thing to pull off in horror gaming[...]Combat takes the GM's role from active to reactive
Das ist der größte Blödsinn, den ich je gelesen habe. Der SL kontrolliert die gesamte Welt. Wenn er sich zurücklehnt und nur auf die Handlungen der Spieler reagiert, statt die Welt zu nutzen, um die Spieler vor sich herzutreiben (indem er den Schauplatz verändert, neue Bedrohungen auftauchen lässt, Zeitdruck schafft...), dann ist das SEINE EIGENE VERDAMMTE SCHULD.
Das Leatherface-Beispiel ist OK. Ich sehe nur nicht, wieso dieses nicht mit den normalen Kampfregeln gehen soll.
#7 [Con-Anekdote]
Kein wirklicher Tipp. Und gerade bei Con-Runden bin ich gegenüber aufgeteilter Information sehr, sehr skeptisch, da dadurch (im Gegensatz zu festen Runden, wo sich eine gewisse Gruppendynamik eingestellt hat) leicht ein Spieler gar nichts vom Geschehen mitbekommt, und gelangweilt aus der Runde rausgeht. Plus, GMC für einen billigen Effekt ("Please freak out now"). Und was ist eigentlich so schlimm daran, wenn sich die Spieler austauschen?
Fazit insgesamt: Offensichtlich hat der Verfasser ja länger nicht mehr gespielt, und möglicherweise sind seine Erfahrungen mit der Zeit auch etwas verklärt. Daher sollte man sie nicht zu ernst nehmen.