Autor Thema: "By spring, it could be all of us": Horror-Kampagnen und Struktur.  (Gelesen 1905 mal)

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Ucalegon

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Bei meinen Vorbereitungen für Eclipse Phase ist die Frage aufgekommen, ob es verschiedene Möglichkeiten gibt, eine Horror-Kampagne zu strukturieren. Es geht mir dabei nicht um eine core story wie: Die SC arbeiten für Delta Green/Die Janus Gesellschaft/Firewall et cetera. So eine Prämisse hält die SC verlässlich zusammen und gibt ihnen eine Motivation, bei der Sache zu bleiben, sagt aber nichts darüber aus, worum es in der Kampagne geht bzw. wie sie aufgebaut ist und vor allem, was sich uU für die Vorbereitung und das Leiten ändert.

Es geht mir auch nicht um Kampagnenvorbereitung generell, sondern spezifisch um das Horror-Genre.

Da es ja sonst kaum publizierte Horror-Kampagnen gibt, habe ich mir den Cthulhu-Bereich angeschaut und würde folgende Modelle vorschlagen:

> Die große Verschwörung (z.B. Masks of Nyarlathotep, Eternal Lies)

Die SC jetten von Schauplatz zu Schauplatz. Es geht darum, örtlich gebundene Clues einzusammeln, die zu einer großen Konfrontation am Ende führen. Ähnlich funktioniert wahrscheinlich NBA mit seiner Conspyramid.

> Monster of the Week

Eben dies. Es gibt jede Session was Neues. Das heißt nicht, dass es gar keinen roten Faden gibt, aber im Zentrum stehen die einzelnen Szenarios und "Monster".

> Psycho-Horror (z.B. Our Ladies of Sorrow)

Es gibt keine große äußere Verschwörung, sondern das Problem ist sehr stark auf die SC fokussiert. Es kann Monster of the Week-Szenarios geben, aber die Kampagne dreht sich darum, was mit den SC passiert.

Personal Horror wäre die Variante, in der die SC das Problem sind.

Drama (wie in True Detective) kann eine Rolle spielen.

> Der Rahmen (z.B. The Final Revelation)

Die SC stehen gar nicht im Mittelpunkt der Kampagne, sondern rekonstruieren Berichte und Dokumente, deren Inhalt dann in Einzelszenarios gespielt wird.

Könnt ihr damit was anfangen? Was sind eure best practices für Horror-Kampagnen (nicht Szenarios!)? Gibt es noch mehr Typen? Macht es einen Unterschied, ob man improvisiert oder vorbereitet? Letztlich wird ja auch eine Impro-Kampagne irgendeine narrative Struktur haben.

Offline KhornedBeef

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Ich denke Improvisation erschwert einige Typen (sich on-the-fly eine glaubhafte Verschwörung aus den Fingern saugen und den Überblick behalte ist schwierig, selbst wenn man so locker-Jason-Bourne-ig spielt wie z.B. bei NBA) aber insgesamt kann man zu ähnlichen Strukturen kommen. Also zumindest aus Spielersicht, die SL muss sich schon anders strukturieren.

Spontan fällt mir aus dem großartigen The Esoterrorists 2nd Ed "Station Duty" ein. Dabei steht ein bestimmter Ort, in dem sich auch die SC befinden, im Mittelpunkt. Denk an Twin Peaks, aber mit mehr Gruselmonstern. Nicht nur das Unnatürliche, auch die Bewohner der Stadt und ihre kleinen und großen Geheimnissen sind Gegenstand der Kampagne. Das hat was von Monster of the Week, Personal Horror und u.U. Verschwörung.

Edit: Endlos viele Flüchtigkeitsfehler
« Letzte Änderung: 29.09.2016 | 12:47 von KhornedBeef »
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Daheon

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Ich bin bei "Over the Edge" mit der ortsgebundenen Struktur ebenfalls sehr gut gefahren. Da liefen nach belieben mehrere Verschwörungen im Hintergrund, es gab "Monster-of-the-Week"-Episoden, und sehr viel persönlichen Horror.
Die Schnitzeljagd-Methode von z.B. Masks of Nyarlathotep ist problematisch, da die Einbindung neuer Charaktere nach Todesfällen mitunter sehr erzwungen wirkt, oder die Kampagne durch die verschiedensten Umstände zum Stillstand kommen kann.
"Curse of the Yellow Sign" verfolgt den interessanten Ansatz, keine kontinuierliche Charaktergruppe zu verwenden, da die einzelnen Episoden zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Milieus spielen. Fällt vielleicht unter deine Definition von "Der Rahmen".

Offline Deep_Flow

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Die Verschwörung scheint mir am Anspruchsvollsten zu sein, was das Leiten angeht. Das Timing ist nicht einfach, nicht zu schnell, nicht zu langatmig. Außerdem gilt es einen Überblick über die Ganzen Hinweise zu behalten. Die Gefahr sich zu verrennen oder den Überblick zu verlieren ist groß. Selbst gut gemachte Kampagnen in diesem Stil haben so ihre Längen, z.B. auch Eternal Lies, das ich gerade als Spieler erleben durfte. Und die Auflösung birgt immer auch die Gefahr einer Entzauberung / Entmystifizierung (Ah. Der-und-Der steckt dahinter, das habe mir irgendwie mysteriöser vorgestellt...) Die Vorbereitung solcher Kampagnen ist meist auch recht aufwändig.

Der Begriff Monster-of-the-Week trifft es mMn nicht ganz. Gemeint ist wohl eher: Supernatural-Problem of the Week, also letztlich ein episodisches Format. Damit mache ich gute Erfahrungen in unserer ETU Kampagne (Buffy und ihre Freunde gehen aufs College). Man kann sich zwar streiten, ob das reinrassiger Horror ist - laut einem der Autoren des Settings ist es eher Horror plus Comic Relief. Die Episodische Struktur hat den großen Vorteil, dass ich als SL viel ausprobieren kann, falls ich mal daneben liege ist es nicht so schlimm und sich ergebene weitereichende Handlungsbögen lassen sich in weiteren Episoden wieder aufgreifen. Das Denken in thematischen Episoden geht so weit, dass ich die Episoden nach Staffeln und Folgenden benenne, aktuell sind wir bei S03E01. Darüber hinaus wirkt sich das episodische Format positiv auf die Spielmotivation aus, die Spieler haben das Gefühle jede Sitzung voran zu kommen und es ergeben sich immer wieder Aufhänger für übergreifende Handlungsbögen. Die große Verschwörung verkneife ich mir bewusst... 

Offline KhornedBeef

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Die Verschwörung scheint mir am Anspruchsvollsten zu sein, was das Leiten angeht. Das Timing ist nicht einfach, nicht zu schnell, nicht zu langatmig. Außerdem gilt es einen Überblick über die Ganzen Hinweise zu behalten. Die Gefahr sich zu verrennen oder den Überblick zu verlieren ist groß. Selbst gut gemachte Kampagnen in diesem Stil haben so ihre Längen, z.B. auch Eternal Lies, das ich gerade als Spieler erleben durfte. Und die Auflösung birgt immer auch die Gefahr einer Entzauberung / Entmystifizierung (Ah. Der-und-Der steckt dahinter, das habe mir irgendwie mysteriöser vorgestellt...) Die Vorbereitung solcher Kampagnen ist meist auch recht aufwändig.
[...]
Sehe ich auch so. Auch ein Grund, warum NBA einen Haufen Seiten auf Kampagnenstruktur verwendet, obwohl es einen für Rollenspiele eher engen thematischen Fokus hat.
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Ucalegon

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Spontan fällt mir aus dem großartigen The Esoterrorists 2nd Ed "Station Duty" ein. Dabei steht ein bestimmter Ort, in dem sich auch die SC befinden, im Mittelpunkt. Denk an Twin Peaks, aber mit mehr Gruselmonstern. Nicht nur das Unnatürliche, auch die Bewohner der Stadt und ihre kleinen und großen Geheimnissen sind Gegenstand der Kampagne. Das hat was von Monster of the Week, Personal Horror und u.U. Verschwörung.

Das könnte man fast zum eigenen Typ erklären, wenn der Horror an den Ort gebunden ist. Also quasi Music from a Darkened Room als Kampagne, wo jede Session eine neue Gruppe evtl. sogar zu einer neuen Zeit an denselben Ort kommt. Dann wären der (sich wandelnde) Charakter des Orts und seine Geheimnisse der Rote Faden.

Offline KhornedBeef

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Das könnte man fast zum eigenen Typ erklären, wenn der Horror an den Ort gebunden ist. Also quasi Music from a Darkened Room als Kampagne, wo jede Session eine neue Gruppe evtl. sogar zu einer neuen Zeit an denselben Ort kommt. Dann wären der (sich wandelnde) Charakter des Orts und seine Geheimnisse der Rote Faden.
Meinte es auch als eigenen Typ, weil es sich halt nicht wirklich kategorisieren ließ.
Bei Esoterrorists ist das allerdings nicht episodisch mit wechselnden Charakteren gedacht. Vielmehr sind die SCs da die örtlichen "Wachhabenden" für den Ordo Veritas, weil der Ort aus irgendwelchen Gründen unnatürliche Phänomene anzieht. Dahinter kann eine Esoterrorzelle stecken, oder etwas anderes. Wie gesagt, es kann einleitend so ein bisschen Monster-of-the-week sein, aber die Stadt soll quasi eine Rolle spielen, d.h. die SCs müssen sich nicht nur mit Monstern auseinandersetzen. Darum der Vergleich mit Twin Peaks.
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Ucalegon

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Die Verschwörung scheint mir am Anspruchsvollsten zu sein, was das Leiten angeht. [...] Und die Auflösung birgt immer auch die Gefahr einer Entzauberung / Entmystifizierung (Ah. Der-und-Der steckt dahinter, das habe mir irgendwie mysteriöser vorgestellt...)

Letzteres auf jeden Fall und für Horror ist das ein Problem. Allein eine Clue-Struktur oder die Conspyramid nehmen die Unberechenbarkeit komplett raus. Merkwürdiges Phänomen X tritt dann nämlich nicht einfach so auf, ohne dass irgendwer versteht, warum oder dem gewachsen wäre, sondern lässt sich rekonstruieren und in den Rahmen der Verschwörung einbinden. Die Erwartungshaltung ist dann, Clues finden + Fall lösen.

Der große Vorteil daran - und da würde ich deiner ersten Annahme ein stückweit widersprechen -, d.h. der Grund, warum die Standard Cthulhu Kampagne so aussieht, warum Trail so funktioniert, ist aber, dass die Clue-Struktur ein verlässliches Netz für die Spieler(innen) bietet, an dem sie sich von Clue zu Clue, von Session zu Session entlanghangeln. D.h. letztlich ist das zwar vorbereitungsintensiv, aber einfach zu leiten, weil die Spieler(innen) ja automatisch den Clues folgen, die ich als SL füttere. Da muss ich sie nicht anders packen und halten. Und der Plot, der sich da entwickelt ist ebenfalls ein klassischer Spannungsbogen.

Offline Selganor [n/a]

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Wo wuerdest du die "Survival Horror"-Sachen bei denen nach und nach immer mehr Leute sterben (vgl. Scream/Scream Queens/Dead of Summer um mal aktuelle Serien zu nennen) oder bei denen man einfach nur versucht in einer toedlichen Umgebung zu ueberleben (vgl. (Fear the) Walking Dead, Z-Nation, ...)?

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Offline KhornedBeef

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Letzteres auf jeden Fall und für Horror ist das ein Problem. Allein eine Clue-Struktur oder die Conspyramid nehmen die Unberechenbarkeit komplett raus. Merkwürdiges Phänomen X tritt dann nämlich nicht einfach so auf, ohne dass irgendwer versteht, warum oder dem gewachsen wäre, sondern lässt sich rekonstruieren und in den Rahmen der Verschwörung einbinden. Die Erwartungshaltung ist dann, Clues finden + Fall lösen.

Der große Vorteil daran - und da würde ich deiner ersten Annahme ein stückweit widersprechen -, d.h. der Grund, warum die Standard Cthulhu Kampagne so aussieht, warum Trail so funktioniert, ist aber, dass die Clue-Struktur ein verlässliches Netz für die Spieler(innen) bietet, an dem sie sich von Clue zu Clue, von Session zu Session entlanghangeln. D.h. letztlich ist das zwar vorbereitungsintensiv, aber einfach zu leiten, weil die Spieler(innen) ja automatisch den Clues folgen, die ich als SL füttere. Da muss ich sie nicht anders packen und halten. Und der Plot, der sich da entwickelt ist ebenfalls ein klassischer Spannungsbogen.
Naja, du darfst die Clues nicht im CSI-Sinne wörtlich nehmen. Sie müssen keinesfalls so beschaffen sein, dass das Warum und Wie verstehbar wird. Sie müssen nur dafür Sorgen, dass das Abenteuer zu irgendeiner Auflösung kommt. Wenn du willst, ist das eben "Und sie sterben alle in der Dunkelheit ohne zu erfahren, warum."
Die Conspyramid ist eine Sonderfall, den NBA ist erklärtermaßen so, wie du beschreibst. Jason Bourne vs Vampire eben.
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Ucalegon

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Wo wuerdest du die "Survival Horror"-Sachen bei denen nach und nach immer mehr Leute sterben (vgl. Scream/Scream Queens/Dead of Summer um mal aktuelle Serien zu nennen) oder bei denen man einfach nur versucht in einer toedlichen Umgebung zu ueberleben (vgl. (Fear the) Walking Dead, Z-Nation, ...)?

Ist es bei Walking Dead nicht so, dass Gruppendynamik und Drama im Mittelpunkt stehen und gar nicht Horror im eigentlichen Sinn? Gesehen habe ich von deinen Nennungen nur Scream und ein Slasher wird als Kampagne schwierig, glaube ich.  ;)

Bei Survival-Szenarios wäre vlt. allgemein die Frage wie man daraus überhaupt eine Horror-Kampagne macht und woran der Horror dann hängt. Eine Mutant Year Zero-Kampagne z.B. würde ich jetzt nicht unter Horror einsortieren.

Ucalegon

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Naja, du darfst die Clues nicht im CSI-Sinne wörtlich nehmen. Sie müssen keinesfalls so beschaffen sein, dass das Warum und Wie verstehbar wird. Sie müssen nur dafür Sorgen, dass das Abenteuer zu irgendeiner Auflösung kommt. Wenn du willst, ist das eben "Und sie sterben alle in der Dunkelheit ohne zu erfahren, warum."

Da hast du Recht. Die TFR Szenarios haben ja auch einzelne Clues, die keinen Sinn machen bzw. tote Enden sind. Was ich meinte war die Spine Struktur bzw. die Core Clues, an denen es schön den Plot entlanggeht. Interessehalber habe ich mal in die Trail-Conversion der Ladies of Sorrow reingeschaut und da lassen sie das aus eben diesem Grund weg bzw. empfehlen, in Floating Core Clues zu denken. In einem ganz krassen Gegenmodell gäbe es also gar keine zusammenhängenden Ermittlungen bzw. keine, die in irgendeiner Form den Plot tragen.