Autor Thema: Ich mal mir einen Narrativisten  (Gelesen 5972 mal)

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Ich mal mir einen Narrativisten
« am: 20.11.2003 | 18:36 »
So, jetzt mal mein Thread zu dem Thema. Ich sollte voranschicken, daß ich die GNS-Theorie nie gelesen habe, und ehrlich gesagt auch keine große Lust dazu verspüre.

Ich hab aber ein ganz deutliches Problem mit der Begrifflichkeit der These: Ich stell mir unter den Begriffen einfach was ganz anderes vor! Ein Gamist: Spielt, um Erfolg zu haben; ein Simulationist: Spielt, um seinen Char oder seine Welt möglichst realistisch darzustellen; und ein Narrativist: Spielt, um eine Geschichte zu erschaffen. Ja, ich weiß, auf "The Forge" war sofort jedem klar, daß das nicht stimmt, aber im Grofafo bin ich sicher nicht die einzige, die das falsch verstanden hat.

Jetzt mein Problem: Mit der Theorie, wie ich sie verstanden habe, kann ich etwas anfangen. Ich kann meinen Spielern klar sagen, daß sie vielleicht weniger simulieren (also ihren Char gnadenlos durchziehen) und mehr auf die Story achten sollen. Mit einer Prämisse hat das aber leider nun gar nichts zu tun.

Außerdem vermute ich, daß es mehr Spieler gibt, die ´"Hänschen-Klein-Narrativisten" sind als echte Narrativisten. Ich bin noch nie einem Spieler begegnet, der sich vor einer Sitzung eine Prämisse ausgedacht und sie während des Spiels durchgezogen hat. Mir sind allerdings einige Spieler begegnet, die um der Geschichte willen gespielt haben. Beispiel: Bei einem Horror-Abenteuer habe ich beschlossen, daß mein Char durchdreht und gewalttätig wird. So ganz zu ihr gepaßt hat das nicht (also kein echter Simulationismus) und Erfolg hab ich auch keinen gehabt. Aber eine Prämisse hatte ich auch nicht (außer vielleicht: "Ein Horror-Szenario, in dem keiner wahnsinnig wird, ist doch öde!" - aber das ist ja nun kein ethisch/moralisches Problem...). Also auch kein Narrativismus.

Daran krankt meiner Ansicht nach die Theorie - sie ist nicht intuitiv verständlich, ihr Bezug zur Realität ist eher vage, und das sieht man besonders schön daran, daß selbst "Experten" wie Fredi Probleme haben, sie einfach und für alle verständlich zu erklären...  ;) Also, nette Theorie, aber da sie mir nicht viel bringt, geh ich lieber auf die "Hänschen-Klein-Variante" zurück, die hilft mir nämlich tatsächlich hin und wieder...  :)
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #1 am: 20.11.2003 | 18:52 »
sie ist nicht intuitiv verständlich, ihr Bezug zur Realität ist eher vage, und das sieht man besonders schön daran, daß selbst "Experten" wie Fredi Probleme haben, sie einfach und für alle verständlich zu erklären...  ;)
Damit ist glaube ich leider alles gesagt, was ein "normalsterblicher" Rollenspieler (zu dem ich mich auch zähle) zur GNS-Theorie wissen muss. Sie verwirrt mehr als das sie hilft...
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #2 am: 20.11.2003 | 18:53 »
Seh ich genauso.
Zum Labern super:
"Du was war jetzt nochmal die aktuelle Bedeutung von Narrativismus ? Mein The Forge-Stand ist noch von letzter Woche."

Ansonsten, Mumpitz.
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #3 am: 20.11.2003 | 19:07 »
Mumpitz ist sie nun nicht. Bitpicker hatte mal sehr einleuchtend erklärt (ich weiss leider nicht mehr in welchem Thread), dass sie für den Rollenspielbau ein schönes Tool zum Orientieren ist.
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #4 am: 20.11.2003 | 19:13 »
Mumpitz ist sie nun nicht. Bitpicker hatte mal sehr einleuchtend erklärt (ich weiss leider nicht mehr in welchem Thread), dass sie für den Rollenspielbau ein schönes Tool zum Orientieren ist.

Aber nur wenn man das versteht ;)

Offline Wawoozle

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #5 am: 20.11.2003 | 19:35 »
Zitat
Aber nur wenn man das versteht

Und akzeptiert :)
Aber das ist wohl meine persönliche Prämisse :)
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #6 am: 20.11.2003 | 19:43 »
Okay, machen wir einen letzten ultimativen GNS-Thread auf und dann das Thema zu. Vielleicht können wir uns ja darauf einigen, dass auf undifferenzierte "Rollenspiel soll Spaß machen und braucht keine Theorie"-Posts verzichtet wird, das führt ja nicht weiter. Wen's nicht interessiert, der braucht's ja nicht zu lesen.

Ich finde Leonies Meinung sehr gut nachvollziehbar. Also ich habe mir hier die Threads zum Teil durchgelesen, im FERA die Threads durchgelesen, dann einen laaangen Artikel von Ron Edwards auf "The Forge" gelesen und festgestellt, dass ich zuvor in der Tat ein verzerrtes Bild von der GNS-Theorie hatte. Aber selbst nachdem ich mir die verbalen Ergüsse des Schöpfers persönlich durchgelesen hatte, war ich alles andere als überzeugt von der Theorie.

Da war zunächst mal die Sache mit der Prämisse, die viele (mich auch) verwirrt hat. Ich bin übrigens immer noch nicht überzeugt, dass Fredi es richtig verstanden hat. Das mit der Prämisse, meine ich. Es ist ja wohl auch nicht so, dass man bewusst das Spiel an einer Prämisse ausrichten muss. Es geht dabei einfach um Konflikte und deren Auflösung.

Im übrigen wird ja immer wieder betont, dass niemand rein narrativistisch (gamistisch, simulationistisch) spielt. Dann müsste aber eine Theorie, die spieltechnisch etwas bringt, nicht nur eine rein empirisch begründete Aussage darüber treffen, wann man gerade wie spielt, sondern auch darüber, warum man in der einen Situation so und in der anderen anders spielt. Daran fehlt es.

Zudem ist das mit der Empirie auch gar nicht so einfach, da es nicht notgedrungen im äußeren Spielgeschehen ersichtlich wird, was die Motivation dahinter ist. So heißt es doch, eine jede (spannende) Geschichte habe eine Prämisse. Üblicherweise beinhalten solche Geschichten aber auch die Überwindung von Hindernissen durch die Protagonisten, zumindest, wenn es Geschichten aus den "klassischen" RPG-Genres sind. Oh ja, und natürlich kann es gelegentlich auch vorkommen, dass Figuren und Setting einer spannenden Geschichte durchaus plausibel sind. Worauf von diesen Dingen es den Spielern in erster Linie ankommt, wissen in vielen Fällen nicht einmal die Spieler selbst zu sagen. Ob das Spielgeschehen mich in seinen Bann schlägt und damit zu einer befriedigenden Rollenspielerfahrung führt, ist nicht notwendig mit einer dieser Sachen verbunden. Okay, eine gewisse Plausibilität brauche ich einfach. Aber wer wollte behaupten, dass selbst rein narrativistisches Spiel gänzlich auf Plausibilität verzichten könnte? Fazit: Für die Frage, ob mir der Rollenspielabend gefällt oder nicht, bringt mich GNS nicht weiter. (Im Gegensatz zur Behauptung von Ron Edwards.)

Okay, jetzt kann ich immer noch RPG-Systeme nach GNS-Maßstäben untersuchen, um herauszufinden, welchen Spielstil sie unterstützen. Bleibt die Frage, wozu das gut sein soll, solange ich noch nicht einmal so richtig weiß, welchen Spielstil ich bevorzuge? Nun darf natürlich nicht verkannt werden, dass (nach Ron Edwards) die allermeisten der Systeme am Markt ziemlich stark am Simulationismus ausgerichtet sind und deswegen eine GNS-Diskussion dazu gedacht sein mag, im Spieldesign womöglich neue Prozesse anzustoßen, die bisher kaum angedacht wurden. Es wäre womöglich wünschenswert, solches eher an konkreten Beispielen zu diskutieren als ständig darüber zu lamentieren, ob dies oder jenes nun simulationistisch oder gamistisch oder doch narrativistisch gewesen sei.

Ich habe mich bei der Lektüre dieses zähen englischen Werks zwischenzeitlich gefragt, ob das denn wirklich Not tut und nicht des Guten zuviel ist. Die Idee, Rollenspieldesign mit wissenschaftlicher Methodik zu verbinden, ist an sich löblich, wobei mich GNS noch nicht wirklich hat überzeugen können (aus den oben genannten Gründen). Jedenfalls ist es wohl eher als ein Modell für Rollenspielautoren denn als Spielhilfe zu verstehen.

Ron Edwards meint zwar, wenn alle Rollenspieler GNS verstanden hätten, würde es viel weniger Missverständnisse geben und alle hätten mehr Spaß am Spiel. Diese Aussage halte ich allerdings für falsch. Ich denke, es hilft mehr, wenn Spieler konkret formulieren, was sie in ihrer Runde gerne machen würden. Da kann jeder mehr mit anfangen als mit abstrakten Kategorien, die dann hinterher sowieso wieder gemischt werden.

Soweit.
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #7 am: 20.11.2003 | 20:04 »
Das große Problem an GNS sehe ich wie Leonie darin, dass die Begriffe anders definiert sind, als man es als "Unwissender" intuitiv vermutet.
Mein Vorschlag:
Ignorieren wir GNS einfach, drehen die Zeit gedanklich ein wenig zurück und stützen uns bei theoretischen Diskussionen wieder auf Threfold statt GNS. G und S gibt's da auch, nur das N, das wohl die meisten Missverständnisse hervorruft heißt da noch Dramatismus. Der hat den großen Vorteil, dass er in seiner offiziellen Bedeutung dem intuitiven Verständnis des Begriffes sehr viel näher ist als der Narrativismus. So könnte man endlich mal wieder über G und S reden, ohne dass gleich eine wilde Diskussion über die Bedeutung bzw den Sinn/Unsinn von N ausbricht.

Und wem das immer noch zu theoretisch ist, der kann ja einfach wieder die ganz alte Einteilung in Powergamer, Method Actor und Storyteller verwenden. Die ist zum Glück fast unmöglich falsch zu verstehen.

Offline ragnar

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #8 am: 20.11.2003 | 20:10 »
OT:
Und wem das immer noch zu theoretisch ist, der kann ja einfach wieder die ganz alte Einteilung in Powergamer, Method Actor und Storyteller verwenden. Die ist zum Glück fast unmöglich falsch zu verstehen.
Nicht ganz, für (viel zu) viele ist Powergamer=Munchkin. Was nach kaum einer Definition wahr ist.

Offline Wawoozle

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #9 am: 20.11.2003 | 20:10 »
Menno... dann gibts für nen Munchkin wie mich wieder kein Rückzugs-Reservat ;)
« Letzte Änderung: 20.11.2003 | 20:11 von Wawoozle »
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Offline Bitpicker

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #10 am: 20.11.2003 | 21:39 »
@Christian, Luni, Wawoozle und wen es noch interessiert: Das Lustige daran ist, dass ich die Theorie auch eher so verstanden habe, wie sie Leonie hier eingangs beschreibt. Was auf The Forge gefaselt wird, geht mir so was von am A**** vorbei... :)

Wenn man die Kategorien ganz einfach so versteht, dass einige Spieler eher spielen wollen, einige eher simulieren wollen, einige eher erzählen wollen, dann hat man ein ausgezeichnetes Werkzeug, um ein Regelwerk als besser oder schlechter geeignet für einen dieser Stile zu erkennen. Wenn ich also von mir sage, dass ich zu 70% N, 25% S und bloß 5% G bin, dann heißt das nur, dass ich primär auf eine interessante Handlung aus bin, die aber in der Spielrealität schlüssig und glaubhaft sein muss und bei deren Ausarbeitung Regeln und Würfel nur einen sehr kleinen Teil ausmachen dürfen.

Robin
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #11 am: 20.11.2003 | 21:42 »
Und genau so würde es auch Sinn machen.
Wenn man es so sagen und "werten" könnte und in Ron's Namen "dürfte", dann wär ich glücklich :)
« Letzte Änderung: 20.11.2003 | 21:43 von Wawoozle »
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Offline Bitpicker

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #12 am: 20.11.2003 | 21:46 »
Machen wir doch eine Erzähler / Realisten / Spieler-Theorie (ERST)draus, als deutsche Antwort auf das US-Gefasel. :)

Robin

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #13 am: 20.11.2003 | 21:54 »
Gute Idee... Schluss mit der Ami-Laberei die kein Mensch versteht, wir reden Klartext :)
« Letzte Änderung: 20.11.2003 | 21:59 von Wawoozle »
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #14 am: 21.11.2003 | 00:07 »
@bitpicker:  :o ;D Deshalb klang das damals so logisch und einleuchtend...  ::) ;D
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wjassula

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #15 am: 21.11.2003 | 05:16 »
Ich verstehe die Ansaetze auch eher als Denkhilfe, denn als Anleitung zum Spielen.

Wie weiter oben ganz richtig gesagt wurde, spielt wohl niemand durchgaengig einen der drei Ansaetze.

Die Begrifflichkeiten helfen, im ueber das eigene Spiel und Rollenspiel allgemein zu reflektieren, also beim Weltenbau, bei Unterhaltungen ueber den Spielstil in der Gruppe, beim Nachdenken ueber das eigene Spielverhalten usw. In dieser Hinsicht finde ich sie auch nuetzlich.

Slavisch daran halten, stur durchziehen mochte ich das dann doch alles nicht. Andere Spieler und Spielerinnen (oder ganze Systeme) einkategorisieren oder gar verurteilen schon mal gar nicht.

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #16 am: 21.11.2003 | 10:06 »

Ich hab aber ein ganz deutliches Problem mit der Begrifflichkeit der These: Ich stell mir unter den Begriffen einfach was ganz anderes vor!

Ein Gamist: Spielt, um Erfolg zu haben;
ein Simulationist: Spielt, um seinen Char oder seine Welt möglichst realistisch darzustellen;
und
ein Narrativist: Spielt, um eine Geschichte zu erschaffen.
So daneben liegst Du mit Deiner Vorstellung doch gar nicht.
Nehmen wir uns mal den Narrativisten vor.
Laut GNS geht es ihm um wichtige (moralische) Entscheidungen.
Nach Deiner Vorstellungen geht es ihm um die Erschaffung einer Geschichte.

Worum geht es aber in der Erschaffung einer Geschichte.
Um Erlebnisse und Entscheidungen. Erlebnisse kann man aber nicht als spezielles Element für Narrativismus definieren, denn dies kann man auch für die G + S Elemente anführen.
Also bleibt es dabei, dass es um Entscheidungen geht.

Wenn man mal schaut, was einem Narrativen Spieler wichtig ist, dann kommt man meist darauf, dass es sein Charakter in der Geschichte ist. Entwicklungen der Psyche (Entscheidungen wie sich die Charakterlichen Eigenschaften durch gemachte [erlebte] Erfahrungen ändern), Entscheidungen im Abenteuer (moralische, zwischenmenschliche)...

Es geht im Kern also tatsächlich um Entscheidungen...
Da liegt die GNS also nicht falsch. Du mit Deiner Vorstellung aber eigentlich auch nicht. Die GNS schaut nur eine Ebene tiefer und eleminiert die Elemente die eben nicht Element (G oder N oder S) - spezifisch sind.

Zitat
Daran krankt meiner Ansicht nach die Theorie - sie ist nicht intuitiv verständlich, ihr Bezug zur Realität ist eher vage..

Vollkommene Zustimmung.
Und ich bin auch für die deutsche ERST Variante.
Wer definiert diese im Thread für Begriffsdefinitionen?
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Offline Jestocost

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #17 am: 21.11.2003 | 10:18 »
Ich bin auch für ERST - dann verstehen wir wenigstens, wovon wir reden.
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #18 am: 21.11.2003 | 10:23 »
In dem Fall wäre ich dabei. Rollenspiel-Theorie finde ich interessant, aber was hier in den Threads bzgl. GNS in letzter Zeit abging war eher Kindergarten, da habe ich mich lieber rausgehalten...
« Letzte Änderung: 21.11.2003 | 10:25 von Nephilim »
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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #19 am: 21.11.2003 | 12:34 »
Bei GNS fällt mir unweigerlich der Modellbauer ein.

Persönlich halte ich von solchen Definitionen nichts, weil sie einerseits den Eindruck vermitteln können, das sich das Rollenspiellager in den Teil der "Wissenden" und der "Einfachdrauflosspieler" spaltet. Zum anderen weil diejenigen die sich intensiv mit GNS beschäftigen selbst nicht wissen, wann ihr narrativistischer Charakter zum Simulanten wird. Mir ist wurscht, ob meine Mitspieler simulierende Gamisten oder bekennende Narrativisten sind. Hauptsache wir haben Spaß und uns geht das Essen nicht aus ::)

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #20 am: 21.11.2003 | 13:30 »
OK, hier mein Versuch:

Der reine Erzähler legt sein Hauptinteresse auf die Geschichte. Im Extremfall kann er ohne Regeln spielen, weil er die dramaturgisch besten Optionen wählt, nicht die, die ihm die Würfel diktieren. Der reine Erzähler kann es wahrscheinlich sowieso nicht leiden, wenn die Würfel ein Ergebnis erbringen, das in der Handlung eher langweilig oder deplatziert wirkt. Vermutlich wird der reine Erzähler auch eine spannende Handlung einer alltäglichen Handlung vorziehen, auch wenn diese dadurch an Glaubwürdigkeit verliert. Des weiteren möchte der Erzähler vielleicht mit seiner Handlung auch etwas aussagen, was über die Geschichte selbst hinausgeht, also eine Interpretationsebene einfügen.

Der reine Realist will eine Spiel-Umwelt simulieren. Das Ergebnis ist weniger eine spannende als eine glaubwürdige Handlung. Es geht nicht um Interpretation auf einer höheren Ebene, sondern um die direkte Erfahrung der Situation. Der Realist sucht gerne Regeln, welche die Spielwelt treffend manifestieren; Realismus heißt nicht unbedingt, dass z. B. ein Kampfsystem schnell tödlich sein muss, sondern nur, dass es für die Ergebnisse des Kampfsystems einen Grund in der Spielwelt geben muss. Wenn also z. B. ein Schwert als eine tödliche Waffe gilt, muss ein einzelner Schwertstreich auch tödlich sein können; wenn man aus den Werten ausrechnen kann, dass ein Ork den Charakter unter keinen Umständen in weniger als fünf Runden töten kann, obwohl sich der Charakter nicht einmal wehrt, dann muss die Spielwelt dafür einen Grund hergeben. Cinematisches Spiel ist also für entsprechende Spielwelten auch realistisch, selbst wenn das Ergebnis in unserer Welt nicht realistisch erscheint.

Der reine Spieler will unterhalten werden. Dazu möchte er das mechanische System nutzen, das die Regeln bereitstellen; das darf dann auch ruhig kompliziert ausfallen. Dem reinen Spieler ist es womöglich egal, wenn seine Auswahloptionen beschränkt werden; er würde vielleicht gar nicht auf die Idee kommen, etwas zu versuchen, was die Regeln nicht explizit ermöglichen. Ein Spiel, in dem die Würfel ruhen, ist meist nichts für den reinen Spieler. Der reine Spieler möchte gewinnen; er möchte nicht das realistischste oder das dramaturgisch spannendste Ergebnis, sondern das, was für seinen Charakter den meisten Gewinn bringt.

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #21 am: 21.11.2003 | 13:35 »
Die erwähnung, das eine 100% Ausprägung eines bestimmten Spielstils nicht existiert, sondern man meistens von Mischformen aller Stile ausgehen muss, wäre hilfreich.
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Offline Bitpicker

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #22 am: 21.11.2003 | 13:46 »
Sicher, die meisten Spieler definieren sich durch Anteile aller drei Lager.

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Offline Lord Verminaard

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Re:Ich mal mir einen Narrativisten
« Antwort #23 am: 21.11.2003 | 14:01 »
@ Bitpicker: Die ersten beiden gefallen mir, die letzte greift denke ich ein bisschen zu kurz (Unterhaltung suchen sie ja wohl alle...) Wie wäre es hiermit:

Der reine Spieler sucht im Spiel Herausforderung und Erfolg. Ihm geht es darum, durch taktisches Geschick, Ausspielen seiner Stärken als Spieler sowie der Stärken seines Charakters im Spiel Erfolge zu erzielen und dadurch für seinen Charakter Vorteile zu erlangen. Das kann bedeuten, dass er knifflige Rätsel löst, dass er unter Ausnutzung aller vom Regelwerk gebotenen Nischen einen Charakter zimmert, der eine echte Kampfmaschine ist, dass er die sonstigen vom Regelwerk begünstigten Fähigkeiten findet und diese im Spiel immer wieder zum Einsatz bringt, oder auch dass er einfach mal Glück beim Würfeln hat und dadurch den Kampf für sich entscheidet.

Nochmal @ GNS:

Das Anschlussproblem zu der richtigen Subsumtion unter die drei großen Buchstaben ist dann ja, dass innerhalb der drei Bereiche auch noch mal wieder differenziert wird. Würde sich auch bei "ERST" stellen... Da gibt es Spielstile mit und ohne Player Empowerment. Da gibt es Simulationisten, die Wert auf Charaktere mit differenzierter Persönlichkeit legen, und solche, die auf ultra-komplexe, tödliche Kampfsysteme stehen. Da gibt es Gamisten, die fahren auf total vertrackte Kriminalabenteuer ab, und solche, die stehen auf Dungeoncrawl. Da gibt es Narrativisten, die gerne rasante, spektakuläre Geschichten ohne viel Tiefgang erzählen, und solche, die gern in psychische und moralische Abgründe hinabsteigen.

Auch das bestätigt mich in meiner Auffassung, dass für das eigentliche Spiel die GNS nichts nützt, sondern höchstens fürs Regeldesign. Also nochmal mein Vorschlag (falls er oben in meinem Mammut-Post untergegangen ist): Lasst uns doch lieber mal über innovative neue Rollenspiele wie "Rune" oder "The Pool" reden und konkrete Beispiele bringen, statt uns darüber Gedanken zu machen, ob diese jetzt wirklich voll gamistisch bzw. narrativistisch sind.

Ja, ich weiß, ich war auch nicht immer ganz unschuldig an allen Diskussionen. Gelobe Besserung.
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