Mir geht' da weniger um die Gegner, sondern um das Gefühl der Spieler, in der gleichen Liga zu spielen wie ihre Mitspieler. Nicht benachteiligt zu sein. Spieler mögen es meiner Erfahrung nach, wenn sie ihre Charaktere als gleichwertig empfinden können.
Ich kann jetzt kein Zitat dazu bringen, glaube aber, dass die meisten BRP-Systeme ganz bewusst auf diese Form von Balancing verzichten - schließlich haben verschiedene Spezies auch ganz unterschiedliche Startbedingungen. Sturmbringer war in der Beziehung sicher besonders extrem, während die neueren Sachen aus der Post-Mongoos-Familie (Mythras/RQ6, OpenLegend, Renaissance) da zumindest für den Start schon ein bisschen auf Ausgewogenheit abzielen.
Ich selbst hatte damit mal Probleme, mal nicht. Bei Cthulhu war es wegen der tendenziellen Übermächtigkeit der Gegner immer egal, da so oder so jeder gebraucht wurde. Bei Sturmbringer hat's schon genervt, wenn einer in der Gruppe Melnibonér mit Dämonenrüstung und Dämonenwaffe war ... Bei OpenLegend hab ich erst zwei Oneshots gespielt, fand aber, dass auch hier die grundsätzliche Tödlichkeit dafür sorgt, dass niemand dauernd den Dicken machen kann und irgendwie alle wichtig sind, selbst, wenn manche von den Fertigkeiten her im Kampf deutlich besser aufgestellt sind. Mit Mythras/RQ6 habe ich noch keine konkreten Erfahrungen, vermute aber ähnliches.
Dazu kommt ja auch der Umstand, dass so was wie Balancing ohnehin immer nur auf einen bestimmten Spielbereich bezogen ist. In der Regel ist das der Kampf, weil die meisten Systeme den am sorgfältigsten ausarbeiten und hier auch eine gewisse Messbarkeit gegeneinander und gegen die Gegner vorliegt. Wenn jetzt ein Spieler das Spotlight für seinen SC anders setzen will (beispielsweise auf Überreden, Kontakte, Wildnisfähigkeiten, Vermögen), ist es sowieso schon weitgehend vorbei mit der direkten Vergleichbarkeit. Dann kann man vielleicht immer noch Fertigkeitspunkte gegeneinander aufrechnen (90% Schwertkampf gegen 90% Wildniskunde), aber ob sich das dann im Spiel in irgendeiner Weise balanciert anfühlt, hängt davon ab, wie viele Gelegenheiten es für entsprechende Spotlights gibt.
Kurz: Ich halte Balancing inzwischen sowieso mehr für eine Sache der Spotlightverteilung, die von der Gruppe eben halbwegs aufmerksame gelenkt werden muss. Über Werte lässt sich da nur was machen, wenn das Spiel einen sehr klaren Fokus auf Situationen, in denen hohe Werte in einer ganz bestimmten Fähigkeitsgruppe (meistens dann wohl im Kampf) benötigt werden, hat.