Autor Thema: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?  (Gelesen 2273 mal)

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Online Duck

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Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« am: 16.11.2016 | 22:04 »
Hallo zusammen,

ich werde demnächst eine Rollenspielrunde für Neulinge leiten, wobei ich gern auf die AW-Engine zurückgreifen würde. Das Setting soll klassische Bier&Brezel-Fantasy sein (Dungeons/Wildnis erforschen, Monster klopfen, Schätze einsammeln, usw.). Da drängt sich natürlich Dungeon World geradezu auf. Allerdings gefallen die mir die regelseitigen D&D-Anlehnungen des Spiels nicht so sehr. Zwei Beispiele:
  • Die Attribute sind in Werte und Modifikatoren aufgeteilt, deren Umrechnung nicht auf den ersten Blick logisch ist und von denen im Spiel mal der eine und mal der andere Wert benötigt wird.
  • Das komplette Magiesystem mit Vorbereiten/Abstreichen der Zauber wirkt mehr wie ein Fremdkörper als ein integraler Systembestandteil. Außerdem hat es in meiner Erfahrung Spieler oft dazu verleitet zu denken, dass sie Magie nur als explizite Zauber wirken können (dabei bietet es sich ja an, auch Aktionen, die die Basic Moves triggern, als magischen Effekt zu beschreiben).
Meines Wissens wurden diese Elemente bewusst in Dungeon World übernommen, um einen gewissen Wiedererkennungswert zu D&D zu schaffen. Das ist in meinem Fall aber vollkommen egal, da meine Spieler D&D allenfalls als Marke kennen, von den Regeln aber nicht die geringste Ahnung haben.

Meine Frage wäre also: Kennt ihr PbtA-Spiele/-Hacks, die von der Fiktion her eine ähnliche Nische wie Dungeon World bedienen, in Bezug auf die Regeln aber keine unnötigen D&D-ismen aufweisen? Oder habt ihr Vorschläge, wie man Dungeon World mit vertretbarem Aufwand entsprechend umbauen könnte?
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Offline Kampfwurst

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #1 am: 16.11.2016 | 22:24 »
Ich muss sagen, mir gefällt die "Power Tag" Version wie City of Mist sie nutzt sehr gut. Jeder Charakter hat dabei insgesamt 12 Power Tags (hier verteilt auf 4 Themen), wobei jeder Power Tag der bei einer Aktion helfen kann +1 für diese Aktion gibt. Attribute und ähnliches gibt es gar nicht mehr.
Für ein reguläres Fantasy Setting muss man das ggf. nochmal ein wenig anpassen, aber die grundlegende Struktur finde ich sehr ansprechend und weit von allem DnD-artigen entfernt.

Danach sollten sich die Moves relativ einfach sowohl mundan als auch magisch nutzen lassen. Ob man jetzt jemandem einen Haufen Pfeile oder einen Feuerball um die Ohren wirft ist Spielmechanisch nur noch bedingt relevant.
« Letzte Änderung: 16.11.2016 | 23:16 von Kampfwurst »

Daheon

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #2 am: 16.11.2016 | 23:45 »
Wie wäre es denn mit der "OSR-Variante" von Dungeon World: World of Dungeons?

Offline Xugro

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #3 am: 17.11.2016 | 01:10 »
Du könntest Simple World verwenden. Das ist ein Rohling für PbtA-Spiele. Da musst du nur etwas Vorbereitung wegen dem Setting treffen. Playbooks werden dann im Spiel mit den Spielern erstellt.

Offline 1of3

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #4 am: 18.11.2016 | 00:11 »
Es gibt noch Dragonworld. Das ist aber recht komödiantisch.


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Offline Chiarina

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #5 am: 18.11.2016 | 03:57 »
@ Xugro:

Danke für die Erinnerung an Simple World. Was mir vor einiger Zeit lediglich als Sparversion vorkam, habe ich heute nacht als Essenz der Spielidee empfunden. Spannender Einblick für mich!
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Offline D. M_Athair

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #6 am: 22.11.2016 | 13:18 »
Es gibt noch "The Indie Hack".
Allerdings ist das schon recht weit von "normalem" pbtA weg.
Es kreuzt nämlich pbtA mit muTBH (made using The Black Hack). Damit beinhaltet es auch D&D-Elemente, aber deutlich anders und andere als DW. Die von dir angeführten sind nicht drin.
« Letzte Änderung: 22.11.2016 | 13:22 von Clausustus Doom Occulta »
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Online Duck

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #7 am: 23.11.2016 | 01:08 »
Vielen Dank für eure Antworten. Nach einem kurzen Überfliegen aller Vorschläge muss ich sagen, dass eigentlich jedes der Systeme interessante Ansätze bietet (besonders City of Mist werde ich auch unabhängig von diesem Thread im Auge behalten), aber Simple World ist ja mal der absolute Wahnsinn! Ich hätte nicht gedacht, dass man den PbtA-Regelkern so kompakt und verständlich zusammenfassen kann. Auf dieser Basis werde ich mir jetzt mal was zurechtbasteln. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir auch schon diesen Freitag zum ersten Mal damit spielen.
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Offline Chiarina

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #8 am: 3.12.2016 | 15:02 »
Simple World enthält übrigens keine Information darüber, wie ein Charakter einmal erlittenen Schaden ("harm") wieder regenerieren kann. Kann jemand ´mal kurz berichten, wie das üblicherweise bei anderen pbtA-Spielen gehandhabt wird?
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Daheon

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #9 am: 5.12.2016 | 08:45 »
Uneinheitlich. Dungeon World hat ja Trefferpunkte und damit mehr "Harm-Stufen" als Apocalypse World. Da gibt's dann die Rast und natürlich Heilzauber bzw. Tränke. Bei Monster of the Week haben einige Playbooks Moves, um Harmstufen zu heilen. Darüber hinaus regeneriert ein Charakter von Sitzung zu Sitzung eine Harmstufe, zwischen zwei Mysteries alle Harmstufen. Sagas of the Icelanders verzichtet ganz auf Harmstufen und regelt das ganze über einen Move "When you suffer great harm".
« Letzte Änderung: 5.12.2016 | 09:09 von Daheon »

Offline Chiarina

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #10 am: 5.12.2016 | 11:38 »
Ah, das ist ja sehr interessant. Da "Dungeon World" aber offensichtlich sowieso ein etwas ungewöhnliches pbtA-Spiel ist und mir die Regelung von "Sagas of the Icelanders" nicht ganz klar ist (ist "When you suffer great harm" ein Spielleitermove? Wenn ja, hat er irgendwelche regeltechnischen Auswirkungen?), nehmen wir doch mal das, was du Monster of the Week schreibst: Gibt´s da auch 6 Punkte harm? Und die Moves, die die Harmstufen regenerieren - um wieviele Punkte geht es denn da im Erfolgsfalle?
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Daheon

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #11 am: 5.12.2016 | 12:15 »
Bei MotW hat jeder Charakter 7 Harm-Boxen. Sobald die vierte Box abgestrichen ist, sind die Verletzungen "unstable", d.h. der Keeper kann als sogenannten Harm-Move weitere Harm-Boxen abstreichen lassen, bis die Wunde stabilisiert wird.
Grundsätzlich kann jeder Mitspieler erste Hilfe leisten, was 1 Harm-Box regeneriert. Ernsthafte Verletzungen bleiben allerdings instabil und können nur durch bestimmte Moves bzw. Zauber stabilisiert werden. Ansonsten muss der betreffende Charakter ins Krankenhaus. Die Moves heilen, glaube ich 1 bis 2 Harm-Boxen.

Bei Sagas läuft das so: Wenn eine Figur schweren Schaden erleidet (also z.B. einen Schwerthieb abbekommt, sich längere Zeit in eiskaltem Wasser aufhält, oder von einer Klippe stürzt, wird der Basic-Move getriggert und entscheidet darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Figur überlebt.

Aber vielleicht wäre Schaden in pbtA-Spielen besser ein eigener Faden?
« Letzte Änderung: 5.12.2016 | 12:27 von Daheon »

Offline Chiarina

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #12 am: 6.12.2016 | 00:12 »
Zitat von: Daheon
Bei Sagas läuft das so: Wenn eine Figur schweren Schaden erleidet (also z.B. einen Schwerthieb abbekommt, sich längere Zeit in eiskaltem Wasser aufhält, oder von einer Klippe stürzt, wird der Basic-Move getriggert und entscheidet darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Figur überlebt.

Hört sich brutal an! (Ein einziger Wurf kann über Leben oder Tod entscheiden?)
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Offline Praion

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #13 am: 6.12.2016 | 07:15 »
richtig. Das ist passend zum Quellenmaterial.
"Computers! I got two dots in Computers! I go find the bad guy's Computers and I Computers them!!"
Jason Corley

Daheon

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #14 am: 7.12.2016 | 09:01 »
Hört sich brutal an! (Ein einziger Wurf kann über Leben oder Tod entscheiden?)

Jein, da
a) wie Praion schrieb
b) in dem (einzigen) Oneshot, das ich bisher geleitet habe, der Charaktertot nicht nur durch diesen einen Wurf, sondern auch durch wirklich, wirklich viele verhauene Würfe vorher und vor allen Dingen bewussten Entscheidungen des Spielers zustande kam.

Online Duck

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Re: Fantasy PbtA ohne D&D-"Altlasten"?
« Antwort #15 am: 22.12.2016 | 22:08 »
Auch wenn der Thread inzwischen etwas abgedriftet ist, möchte ich noch einmal ein Résumée zur Ausgangsfrage ziehen.

Ich habe mittlerweile zwei Runden mit Rollenspielanfängern gespielt. Beim ersten Mal habe ich Simple World verwendet. Das hat grundsätzlich ganz ordentlich funktioniert. Allerdings waren einige Spieler gefühlt mit dem leeren Charakterblatt etwas überfordert. Die Spielvorbereitung für Simple World ist (erwartungsgemäß) nicht ganz einfach, wenn die meisten Spielbeteiligten noch gar nicht so genau wissen, was ein Rollenspiel überhaupt ist. Zudem habe ich mich im Laufe des Spiels immer wieder dabei ertappt, wie ich Elemente aus Dungeon World in das Spiel einbezogen habe, wenn wir uns nicht sicher waren, wie ein bestimmter Mechanismus am besten funktionieren sollte.

Schließlich bin ich darauf gekommen, dass mich an Dungeon World gar nicht die Gesamtheit der D&D-ismen stört, sondern vor allem die Überbleibsel des Vance'schen Magiesystems mit seinen Spruchlisten, Zaubervorbereitung, usw. Nach kurzer Recherche bin ich dann auf die Alternative Playbooks von Jacob Randolph gestoßen, die genau dieses Problem lösen. Das Set enthält Alternativen zu Cleric (Priest) und Wizard (Mage), wobei es den Mage sogar als kostenlosen Download gibt. Dazu bekommt man noch den Templar als Variante des Paladins (mehr in Richtung Inquisitor) und den Artificer als Umsetzung der gleichnamigen D&D-Klasse.

Mit diesen Alternativklassen und ansonsten normalen Dungeon-World-Regeln habe ich dann erfolgreich die zweite Runde geleitet. Ich denke, das wird in Zukunft meine Standard-Variante für Dungeon World werden.
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