Das ist ganz schön lang geworden.... Ich antworte zusammengefasst und ohne direkte Zitate.
Dass die Welt vor allem auch schwierig ist, da sind wir uns ja soweit einig. Ich habe das bisher vor allem als mehr-oder-weniger-Vanille-Fantasy-mit-Cyphern-und-komischen-Namen umgesetzt gesehen. Das Hintergrundmaterial deutet an, dass es nicht so gemeint sein kann. Darüber, was genau gemeint ist, bleibt es aber recht vage.
Aber ob man sich da reinversetzen kann, hängt sicher von vielen Faktoren ab. Ich bin ein Freund ziemlich konservativer Mainstream-Fantasy - natürlich ist das nicht gerade meine Welt. Trotzdem habe ich von allen mir bekannten Welten am meisten Schwierigkeiten, mich in Numenera reinzudenken.
Zu den Archetypen fand ich, dass diese einerseits recht festgelegt sind (und komische Namen haben), andererseits dann wiederum alles mögliche beinhalten sollen. Ich fände da eine Liste von etwas spezifischeren Charakteren - zumindest als Vorschläge - hilfreicher.
Ähnliches gilt für die Foki. Die finde ich nämlich ziemlich eindimensional. "Ich bin ein empathischer Nano der Waffen meistert".... Hmm... Da ist für mich nicht viel mehr Hintergrund drin als wenn ich wüsste "Charakterklasse Nano, hohe Weisheit, hohe Kampfwerte". Und ein nicht geringer Teil der Deskriptoren ist ziemlich schwer umzusetzen (aber das ist eben ein Problem der nicht so wahnsinnig intuitiven Numenera-Welt - das wurde ja auch schon gesagt).
Dass es sowas in der Art aber überhaupt gibt, finde ich auch nicht verkehrt. Grundsätzlich fände ich aber eine Regelung wie "beschreibe Deinen SC in ein oder zwei Sätzen" besser, da sie mehr Freiraum in der Ausgestaltung lassen würde.
Bezüglich der SL-Eingriffe habe ich mich vielleicht nicht klar ausgedrückt: Natürlich kann man das so gestalten, dass man gewissermaßen die Karten auf den Tisch legt und eine Verschärfung mit Belohnung anbietet. Das hat für mich das Problem des Atmosphärenbruchs einerseits und der Taktiererei andererseits. Wenn der SL die Charaktere dann (wenn sie die Verschärfung annehmen) nicht hart anfasst, ggfs. sogar sterben lässt, dann fällt der Aspekt der Taktiererei sogar weg. Nutzt man die Eingriffe wiederum als Bluff um die Situation interessanter zu machen, dann wäre das doch auch wieder eine Form von Gängelei*. Andererseits kann der SL trotz dieses Eingriffs-Systems alles genau so machen, wie er es in jedem beliebigen sogenannten Railroading-Szenario auch machen würde. Insgesamt eine interessante Idee, die für mich aber nicht funktioniert und deren Nutzen sich mir auch nicht erschließt.
Der Schade, bzw. die Erschöpfung und deren Niederschlag in den drei Attributen ist mir halt etwas zu abstrakt und mitunter auch nicht so recht glaubwürdig. Dass sich Erschöpfung entsprechend auswirkt, finde ich auch gut. Aber elegant scheint es mir halt nicht.
Das System mit den Attributspools ist ziemlich problematisch, weil SC recht schnell auf Stufen kommen, in denen es für den SL sehr schwer wird, sie überzeugend herauszufordern (vor allem wenn jemand mit am Tisch setzt, der seinen SC entsprechend optimiert hat und seine Boni und Spielwerte sehr genau kennt). Aber das ist meinetwegen nur eine Ausprägung des üblichen Problems des Umgangs mit hochstufigen/erfahrenen/effektiv-gesteigerten SC.
Bezüglich der Schwierigkeitsstufen und dessen, dass die Spieler selbst entscheiden können, wann sie was ausgeben, stimme ich zu, dass das eine interessante Option ist - die es aber wiederum auch für den SL schwerer macht, Schwierigkeitsniveaus anzupassen. Außerdem führt das zu einem ähnlichen Phänomen wie in Dungeonslayers: Vor Herausforderungen möglichst komplett regenerieren, was ja auch relativ schnell geht. Resultiert, wenn man das nicht überblickt, schnell in einem zähen Spiel.
Numenera habe ich nicht geleitet. Erinnere mich aber daran, dass es z.B. bei Castle Falkenstein auch schon sehr schwer war, abzuschätzen, was eine angemessen knackige Schwierigkeit ist, weil man eben nicht weiß, was die SC investieren können und wollen. Die SC wissen es auch nicht - spielt man das hart, könnte das bei Numenera schnell tödlich werden. Vermutlich spielt das aber kaum jemand so.
Die Sondereffekte bei 19 und 20 finde ich auch gut. Allerdings finde ich es nicht unproblematisch, dass die Spieler sich die Effekte ausdenken sollen. Wieder etwas, was den SL in seinen Optionen einschränkt und wieder etwas, was zu potentiellen Brüchen führt, weil die Spieler im Gegensatz zum SL eben in der Regel nicht wissen, was ein der Situationslogik angemessener Effekt wäre.
Was den Einsatz von Cyphern in anderen Settings angeht, ist dazu an vielen Orten viel vages geschrieben worden. Konkretes habe ich noch nicht viel gelesen. Würde das darauf hinauslaufen, dass man eine neue Cypher-Liste schreibt? Wenn ja, wie unterscheidet sich das von einer Liste magischer Gegenstände bei D&D oder eben der Beschreibung von Alien-Technologie in einem Science-Fiction-Szenario?
Ich höre aber hier zum ersten mal von den "Worlds of the Cypher System" und habe keine Ahnung, was man sich darunter vorzustellen hat. Vielleicht ist ja was zündendes dabei.
Die Möglichkeiten des kreativen Einsatzes von Cyphern finde ich auch gut. Allerdings steht die Zufälligkeit dem ein bißchen im Weg, da der SL sonst zumindest die Möglichkeit hätte, halbwegs plausible Lösungswege mit Cyphern anzubieten. Ich habe schon zwei Blasen erlebt, die eigentlich mit den vorhandenen Cyphern nicht sinnvoll zu lösen waren und in denen dann eher unbefriedigende Lösungen durchgegangen sind, weil es eben kein anderes Material gab, die Geschichte aber weitergehen sollte.
Die Idee von Cyphern als "Einmal-Ressourcen" finde ich interessant. In der Tat kann das zu abwechslungsreicherem Spiel führen.
Eines meiner Grundprobleme mit Cyphern in Numenera ist, dass ich es oft nicht recht überzeugend finde, wie die Charaktere zu den Cyphern kommen und dass ich es noch weniger verstehe, warum die SC bei jedem Cypher sofort wissen, wofür die gut sind. Das sind wieder atmosphärische Brüche. Ich finde es auch nicht schön, wenn die Leute in Numenera von "Cyphern" reden - ob der Hintergrund das vorsieht, ist mir auch nicht ganz klar. Es sind ja eigentlich seltsame Artefakte, deren Herkunft man nicht kennt. Andererseits liegen die überall herum und sind mehr oder weniger alltäglich. Und die Leute wissen um die Probleme, die das Anhäufen von Cyphern bringt. Was wiederum bedeutet das?
Auf den Punkt gebracht glaube ich, dass mein Problem mit Numenera ist, dass an zu vielen Stellen durch die Konzeption der Welt Entscheidungen durchscheinen, die offensichtlich zur Förderung bestimmter Spielkonzepte getroffen wurden, die in der Welt selbst aber unmotiviert wirken. (Das eben erwähnte Cypher-Limit ist da ein offensichtlicher Kandidat. Natürlich - es geht darum, dass die SC keine Cypher horten können, weil das langweilig werden würde. Aber wie das in die Welt passt...) In ähnlicher Weise stören mich übrigens die Portale bei Splittermond.
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Die Grundsatzdiskussion über Railroading und Gängelei finde ich in abstrakter Form relativ schwierig. Es hängt viel am Konkreten. Mir scheint das gemeinsame Erschaffen einer guten Geschichte durch Spieler und SL das anzustrebende Ideal zu sein, welches dann durch einige Herausforderungen und einige Entscheidungssituationen garniert werden sollte. Spieler vs. SL funktioniert nicht. Natürlich sollen Spieler eigene Ideen mit ihren SC umsetzen können, andererseits sollte bei allen die Bereitschaft da sein, sich gemeinsam um die Geschichte und deren sinnvollen Fortgang zu kümmern. Wenn Spieler das zu sehr torpedieren, hätte ich keine Lust mehr am leiten. Und ob aus einer reinen Sandkiste heraus gute Geschichten entstehen, ist auch wieder ein komplexes Problem.
Warum schreibe ich das? Ich hoffe, dass das mehr oder weniger Konsens sein kann und das wir das Fass nicht weiter aufmachen müssen ^^