Gemischtes Gesamtbild. Wie schön. Ich würde da gerne hinfahren, wenn es sich irgendwie einrichten ließe. Die Kröte "DSA-Only" würde ich schlucken, wenn dafür hochkarätige "Meister" vor Ort sind. Stelle mir das ganz entspannt vor. Vielleicht klappt es ja doch noch. Vielleicht hab ich aber den Anmeldeschluss schon lange verpasst. Wir werden sehen und ich berichte im Nachgang gerne, wenn es denn überhaupt von Interesse ist. Womöglich wird das ein Panoptikum des Grauens. Glaub ich aber nicht.
So. Zeit für ein kleines Fazit. Mir hat das Event insgesamt sehr gut gefallen und ich würde da jederzeit wieder mitmachen. Hier so ne Art Bewusstseinsstrom auf die Schnelle: das Ding war klein, übersichtlich und persönlich. Die Orga war exzellent, die Leute von Ulisses kann ich wirklich gut leiden und alle haben sich ne Menge Mühe gegeben. Das hat sich bemerkbar gemacht. Tolle Veranstaltung. Insbesondere muss man die Reden und Gimmicks positiv hervorheben. Ich habe diesbezüglich zwar durchgehend grauenhafte Entscheidungen getroffen und würde meine Connutzung in Zukunft komplett umkrempeln*. Werner Fuchs muss aber ein echtes Highlight gewesen sein. Ebenso die Überraschung am Mittag, wo in einem kombinierten Schauspiel/Videoeinspieler/Erzählung aus dem Off der Hintergrund der multiparallelen Abenteuer des Cons sowie deren Einbindung in den Metaplot erläutert wurde. Überhaupt die multiparallelen Abenteuer. Coole Idee **. Unterbringung und Verpflegung waren auch super. Guter 4-Sterne-Standard durchgehend. Die Atmosphäre war locker und zugänglich. Hab mich mit diversen Leuten sehr nett unterhalten. Ein beträchtlicher Nerdfaktor war nicht zu übersehen, aber für einen Rollenspielcon war das noch im Rahmen und gegen ein gewisses Ausmaß an gepflegtem Nerdtum habe ich nix einzuwenden.
Eine signifikanten Kritikpunkt gibts auch. Als Desaster habe ich nämlich leider den Spielleiter vom Samstag erlebt. Ich schreibe das hier mal mit allem Respekt und in der Annahme, dass ich meines Wissens nur von einer einzigen Person sinnvoll zu einer Runde inklusive Spielleitung zugeordnet werden kann (und mit dieser Person bin ich eh noch zum Telefonieren diese Woche verabredet). Ich hatte mich in der Vergangenheit bei sehr vielen Gelegenheiten schon mal darüber gewundert, was für traumatische Erfahrungen viele Rollenspieler offenbar mit autoritäten Railroadern in der Spielleitung gemacht haben müssen. Vielleicht bin ich damit sogar ein paar Leuten hier im Forum auf die Nerven gegangen (hi Boba, schöne Grüße, falls Du das hier liest!). Seit Samstag kann ich aber verstehen, warum so viele Leute so sensibel bei dem Thema sind. Ich hätte jedenfalls ein derartig beinhartes und vor allem hilfloses Railroading, wie es am Samstag durchgezogen wurde, von einem erfahrenen SL nicht erwartet - gepaart mit ebenso hartem Spieler-Kleinhalten und einer fast schon beängstigend autoritären Haltung. Die Runde war insofern natürlich total lehrreich, weil ich nun endlich ebenfalls beurteilen kann, was denn die Leute mit hartem Railroading meinen und wieso sie das scheiße bis traumatisierend finden. In Zukunft werde ich nicht mehr behaupten, ich würde railroaden. Die dramaturgisch motivierten Lenkungen, die ich sehr selten vornehme, spielen sich tatsächlich in vollkommen anderen Galaxien der Einflussnahme ab als am Samstag. Das wäre insofern irreführend. Nach meinem Eindruck war diese samstägliche SL-Haltung aber eine krasse Ausnahme auf dem Con insgesamt. Bevor also die übliche DSA-Häme ausbricht: glaub ich eher nicht. Ich kann das nicht mit Sicherheit sagen, aber habe immer mal wieder andere Runden mit großem Interesse beobachtet. Auch am Sonntag war es dann SL-technisch ganz anders und sehr angenehm. Habe da am Samstag nach meinem Eindruck schlicht ein bisschen Pech gehabt. Aber gut, sehr lehrreich wars wirklich und insofern ist das für mich in Ordnung.
Der zweite Kritikpunkt ist kein Kritikpunkt im engeren Sinne, sondern vielmehr ne Frage der ökonomischen Nachhaltigkeit der Veranstaltung. Mir ist nämlich weitgehend schleierhaft, warum Ulisses den Con überhaupt aufgezogen hat. Ich kann nur mutmaßen, dass das als strategische Investition gedacht sein soll, denn der Con war für Ulisses nach meinem Eindruck unter dem Strich ein Minusgeschäft. Für €300 als Gesamtpreis wurde jedenfalls unfassbar viel geboten. Der Con hätte, wenn ich das mal ganz grob über den Daumen peile***, etwa €100-150 teurer sein müssen.
*: So habe ich direkt am Freitag abends mit sehr netten Leuten sehr viel Alkohol getrunken. Daran war ich selbst nicht ganz unschuldig, denn die erste Flasche Schnaps habe ich in die Runde geworfen, der Rest hat sich im Anschluss nicht lumpen lassen. Das führte dann aber dazu, dass ich am Samstag morgens sehr in den Seilen hing und die Rede von Werner Fuchs ebenso verpasst habe wie die von Markus Plötz. Auch habe ich mir am Samstag mittags ne Performance gekniffen, weil der Raum schon sehr voll war und ich das Potential für Desaster als ausgesprochen hoch eingeschätzt habe. Beides waren dicke Fehler, denn das muss beides tierisch gerockt haben. Insbesondere auch ausgesprochen kritische Geister, auf deren Meinung ich ne Menge gebe, fandens unenigeschränkt super. Dumm gelaufen :-)
**: Ein multiparalleles Abenteuer besteht aus mehreren Spielrunden, welche vor einem gemeinsamen Hintergrund zu einem Gesamtergebnis beitragen. Die einzelnen Spielrunden haben also jeweils unterschiedliche Agenden und operieren vollständig voneinander unabhängig. Es gibt aber einen Handlungsrahmen mit klarem Bezug zum Metaplot. Kannte ich so bislang nicht. Bin aber auch nicht so der intensivste Conbesucher.
***: Vorab: Ich kenne keine einzige Zahl und kann deshalb nach Herzenslust mutmaßen. Die Location war ein klassisches Business-Hotel. Wenig lässiges/passendes Ambiente, dafür aber natürlich eine deutliche Unterausstattung am Wochenende. Entsprechend gute Margen wird man bei für Zimmer, Essen, Konferenzräume und Verpflegung verhandelt haben. Nen Zimmer gibts aber pro Nacht vermutlich noch immer nicht unter €35, hinzu kommt 2x Frühstück (geschätzt je €15) sowie 4x Vollmahlzeiten (je €20). Selbst wenn man die Miete für die Konferenzräume wegverhandeln konnte, wird für die bemerkenswerte Vollverpflegung während des kompletten Cons außerhalb der Mahlzeiten (Soft Drinks, luxuriöse Auswahl an Heißgetränken plus Obst und Snacks komplett auf lau) zusätzlich Knete angefallen sein (konservativ geschätzt 2x€15 Tagespauschale). Das macht in Summe locker €210 pro Person. Vermutlich mehr. Hinzu kommt die wahnsinnige Orga, die ich aus dem Bauch mit 3 Personenmonaten einschätzen würde, sowie die hohe Präsenz von Ulisses-Mitarbeitern vor Ort (geschätzt 8 Leute für 2,5 Tage, was einen weiteren Personenmonat ergibt). Also 4 Personenmonate, die inkusive Büro + Kosten und Arbeitgeberpauschale mit einiger Sicherheit nicht bedeutend weniger als €4.000 ergeben. Ebenfalls eher konservativ geschätzt. Wenn wir mal den anderen Schnickschnack (die gezeigten Filme und Werner Fuchs als Keynote Speaker und den Shuttle Service und die sonstige Logistik in Form von Mietwagen und Versicherungen und Risikozuschlag etc. pp.) zusätzlich komplett beiseite lassen und außerdem davon ausgehen, dass die Spielleiter und Supporter auf jegliches Geld verzichten und das für freie Kost und Logis machen, kommen wir auf weitere ca. 20 Leute, für die Hotelkosten anfallen. Die Gesamtkosten belaufen sich also wirklich defensiv geschätzt auf €21.000 (100 Teilnehmer mal €210) plus Arbeitskosten €16.000 (4 Personenmonate mal €4.000) plus €4.300 (ca. 20 Mitarbeiter, SL und Supporter). Dem stehen Einnahmen von €30.000 für die Teilnahmegebühren gegenüber. Hinzu kommt der Shop. Da kann man bei diesem Publikum vermutlich schon progressiv geschätzt mit Ausgaben in Höhe von durchschnittlich €100 rechnen, von denen die Marge natürlich SEHR groß ist (sagen wir mal aus dem Bauch heraus 65%). Macht konservativ geschätzte Ausgaben in Höhe von über €40.000 und progressiv geschätzte Einnahmen von unter €37.000. Die Lücke wird vermutlich noch etwas größer sein. Will sagen: wenn der Con profitorientiert geplant war, hätte er eigentlich mindestens €100-150 teurer sein müssen. Allein das Abfedern des Risikos bedingt schon eine erheblich größere Marge. Vielleicht ging es aber auch vor allem um das Etablieren einer neuen Marke. Das würde mich etwas wundern, denn dann hätte ich das anders aufgezogen. Aber gut, es mag natürlich mir komplett unbekannte Planungen geben und Ulisses ist mir in den letzten Jahren bezogen auf die spielbezogenen wie wirtschaftlichen Entscheidungen durchweg sehr positiv aufgefallen. Ich hoffe und glaube deshalb mal, dass in meinem Überschlag noch Infos fehlen.