Ein bzw. das Beispiel für geniales "asymmetrisches" Design - im Gegensatz zu Fiasco, wo mechanisch betrachtet alle Beteiligten dieselbe Rolle haben - ist Liam Burkes '
Dog Eat Dog - a game of imperialism and assimilation on the Pacific Islands.'
[Edit für mehr Klarheit: Die Gruppe überlegt sich am Anfang zusammen eine Insel, deren Inbesitznahme durch eine fremde Kolonialmacht kurz bevorsteht oder gerade angelaufen ist. Die Inselbevölkerung bekommt einen Namen (z.B. Zübu) und alle nennen reihum je ein Merkmal, dass das Inselvolk auszeichnet. Die Zübu sind
hilfsbereit, in ihrer Religion spielen
Feuer-Gottheiten eine Rolle und sie
leben von der Quirr-Frucht. Nach demselben Verfahren wird die Kolonialmacht entworfen. Wie nah man dabei an der Realität bleiben will, hängt von der Gruppe ab. Man kann das Setting auch komplett fiktionalisieren und die Einheimischen zu Orks, die Besatzer zu Elfen machen oder so. Wer die Kolonialmacht spielt ist hier fertig, der Rest erstellt sich je einen SC aus der Inselbevölkerung, der dann einen Namen und ein persönliches Merkmal bekommt (Hilai,
schnellste Läuferin diesseits der Berge).
Das Spiel läuft wie Fiasco in Szenen ab. Es geht reihum und wer gerade dran ist, framed eine Szene für den eigenen Charakter oder im Falle der Kolonialmacht mit beliebigen Figuren aus deren Reihen (ein Schiffskapitän und Besatzungsmitglieder, eine Sprachforscherin, ein Abgeordneter des Parlaments o.Ä.). Die Szene wird ausgespielt. Erzählrechte sind aber mit wenigen Ausnahmen frei, d.h. alle können NSC ihrer eigenen Seite einführen, die Umwelt beschreiben et cetera. Eine SL gibt es nicht, obwohl die Rolle der Kolonialmacht ihr in mancher Hinsicht ähnelt. Z.B. hat sie bei einem Konflikt (z.B. Hilai versucht, vor der fremden Schiffsbesatzung die andere Seite der Insel zu erreichen und die Zübu dort zu warnen), der normalerweise entweder beigelegt oder mit Würfeln entschieden wird, immer die Möglichkeit zu einem letztgültigen Fiat auch gegen Würfelergebnisse.]
Die Rolle der Kolonialmacht - im ersten Spiel vorgesehen für die reichste Person am Tisch - entscheidet nach jeder Szene darüber, wessen einheimischer SC die Regeln der Kolonie - von denen am Anfang nur die eine, wichtigste feststeht: "The (Native people) are inferior to the (Occupation people)." - eingehalten und wer sie gebrochen hat. Je nachdem, wie die Occupation entscheidet, vergibt sie entweder Tokens an Spieler(innen) - Regel eingehalten - oder nimmt Tokens weg - Regel gebrochen. Die Spieler(innen) der Einheimischen wiederum müssen nach jeder Szene mit der Kolonialmacht eine neue Regel für die Kolonie festlegen. Wie hat sich die Kolonialmacht aus Sicht der Einheimischen verhalten, was hat sie belohnt, was bestraft und welche Annahme für das Zusammenleben auf der Insel leiten sie daraus ab. D.h. im Spielverlauf wird die Liste an Regeln immer länger und es gibt mehr Möglichkeiten, dass gegen einzelne Annahmen verstoßen wird bzw. sie erfüllt werden. Die Kolonialmacht verliert übrigens ein Token, wenn sie sich in der Szene eines einheimischen SC nicht einmischt:
So the Occupation feels motivated to push their way into
every scene, and as soon as they do, the story becomes
all about them. (Privilege in action.) And, of course, once they
show up, you know Judgement is just around the corner.
Wenn der einen oder anderen Seite die Tokens ausgehen, beginnt das Endgame.
Da die erste Regel immer gilt und die Kolonialmacht um ein Urteil nicht herumkommt, mag es auch noch so gut gemeint sein (!), bleibt den Spieler(inne)n der Einheimischen nur die Wahl zwischen Widerstand, was für den SC ein bitteres Schicksal bzw. den Tod bedeutet und Unterordnung, dem Weg in die Assimilation.
[Wie Regeln erklärt werden, ist für die Zwecke dieses Themas zwar nicht relevant, wie Clausustus oben feststellte, aber Burke verwendet etwa ein Drittel des Buches auf einen lesenswerten Kommentar zu seinem Design. Muss man aber natürlich nicht gelesen haben, damit das Spiel funktioniert.]