Erschöpft und verwirrt richtet ihr den Blick vom Weg auf, dem ihr stunden-, tage- und einige von euch sogar wochenlang gefolgt seid und bemerkt, dass ihr mittlerweile Teil einer größeren Gruppe unterschiedlichster Gestalten geworden seid. Wirklich kennen tut ihr niemanden, den einen oder anderen habt ihr auf der fiebrigen Wanderschaft zwar wahrgenommen, doch ihr alle habt die letzten Tage wie in Trance verbracht.
Aber nun endlich erblickt ihr endlich, wovon ihr seit einer gefühlten Ewigkeit geträumt habt: die Klippe, das tosende Meer im Hintergrund, der blaue Himmel, und - am wichtigsten - SIE.
Wann die Träume genau eingesetzt haben könnt ihr gar nicht mehr genau sagen, ein paar Monate ist es sicherlich schon her. Schon länger hattet ihr das Gefühl am falschen Ort zu wohnen, die falschen Dinge zu tun, und überhaupt einfach für ein anderes, ein besseres Leben bestimmt gewesen zu sein. Etwas daran geändert habt ihr jedoch nie, und so wuchs ein diffuses Gefühl, vom Schicksal ungerecht behandelt worden zu sein.
Genau hier setzten die Träume an: eine Frau, nein, eine Lichtgestalt, in feinste blaue Gewänder gehüllt - das Gesicht jedoch in Schatten verborgen - spricht zu euch und bestätigt genau dieses Gefühl: Eure wahre Bestimmung wurde euch beraubt, finstere Mächte haben verhindert, dass ihr zu der Größe aufsteigt, die die Sterne für euch vorhergesagt haben. Und dann, zum Ende jeden Traumes richtet sie das Wort an euch: "Komm, Freund, komm zu mir und werde mein Verbündeter! Deine Feinde werden meine Feinde sein, und gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass dir dein wahres, vorherbestimmtes Schicksal zuteilwird. Suche mich, du findest mich bei der Klippe!"
Mit den letzten Worten verschwimmt der Traum bereits, aber das Bild hat sich nach all den Monaten fest eingebrannt.
Nach und nach wuchs eure Überzeugung, dass euer bisheriges Leben sinnlos war. Mit der Zeit habt ihr alles, was Teil davon ist mehr und mehr vernachlässigt: Familie, Freunde, Arbeit, einfach alles, denn all dies sind die Dinge, die euch in das schlechte, unverdiente Leben zwängen.
Je länger die Träume andauerten, desto mehr brannte in euch das Verlangen, alles für die Dame in Blau zu geben um ihre Unterstützung zu bekommen und endlich diesem - euch unwürdigen - Leben ein Ende zu setzen und das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Auch euer Umfeld hat dies bemerkt, wobei sie eher das Wort "fiebrig" genutzt haben um euren Zustand zu beschreiben.
Eines Nachts war es dann soweit. Wieder habt ihr von der Dame an der Klippte geträumt, und nachdem sie abermals das Wort an euch gerichtet hat, und der Traum damit endete, seid ihr aufgestanden, habt nur das Nötigste - oder zumindest das, was ihr in eurem Zustand für das Nötigste gehalten habt - zusammengepackt und euch auf den Weg gemacht.
Erinnerungen an diese Wanderung habt ihr nicht, manchen von euch sind auf dem Weg Leuten begegnet, diese haben nur schnell den Blick gesenkt und sind weiter geeilt. Selbst Banditen haben von euch abgelassen, wenn sie auf jemanden von euch gestoßen sind. Niemand wollte sich einem offensichtlichen Irren wie euch in den Weg stellen.
Doch dieses Fieber ist nun vorüber, ihr schmeckt die salzige Meeresluft auf euren Lippen, fühlt die Sonne auf euren Körpern und schüttelt das letzte bisschen Verwirrtheit ab, bevor ihr euch geschlossen daran macht die letzten paar hundert Meter zurückzulegen, wo ihr die Dame in Blau schon sehen könnt.