Prolog
Dies sind die Aufzeichnung von Hjalnîr, Sohn von Aron, von der Insel Ruathym im nördlichen Schwertmeer. Im Herbst des Jahres 1484 vernichtete Talos' Zorn die Donnerwyrm, das Schiff auf dem ich als Skalde mit meinen Kameraden auf Kaperfahrt ging. Von unserem stolzen Drachenboot blieben nur wenige Trümmerstücke übrig und abgesehen von mir riss die Hure Umberlee alle Besatzungsmitglieder in den Tod. Mit mir jedoch hatten die Götter scheinbar andere Pläne: An den abgebrochenen hölzernen Drachenkopf geklammert erreichte ich halb erfroren und schwer verletzt den Strand des Festlandes nicht weit von der Hafenstadt Luskan. Wie es das Schicksal wollte, fand mich die gute Magda, eine Fischerswitwe aus einem nahen Dorf, brachte mich in ihre Hütte und pflegte mich gesund. Während ich im Fieber lag, hatte ich wirre Träume von großen Schlachten, brennenden Städten und mir selbst im Kampf gegen wütende Riesen. Als ich wieder bei Kräften war, bedankte ich mich bei Magda und machte mich auf den Weg nach - wohin auch immer die Götter mich führen würden. Ich bin Hjalnîr Aronson, und dies ist der Anfang meiner Saga.
Dramatis Personae
Im Lauf der nun folgenden Geschichte kreuzte ich den Weg vieler Feinde, Verbündeter und sogar einiger, die ich heute meine engsten Freunde nenne. Die wichtigsten möchte ich an dieser Stelle kurz vorsellen:
- Krusk: Ein wilder Halbork, der wie ich auf einige Jahre auf den Planken eines Piratenschiffs zurückblicken kann. Krusk ist wahrlich kein Schriftgelehrter, doch ist er ein treuer Freund, auf dessen mächtige Axt stets Verlass ist. Unzählige Feinde hat Krusks rasender Zorn gefällt und inzwischen fürchtet man seinen Namen auch an Land.
- Sai: Der geheimnisvolle Sai gehört dem scheuen Volk der Firbolg an, Halbriesen, die die Wälder und Ebenen der Nordlande durchstreifen. In meiner Heimat sind die Firbolg eine Legende, an deren Wahrheitsgehalt ich zweifelte, bevor ich den weisen Sai mit seiner Macht über die der Natur innewohnende Magie traf.
- Gunther: Der tapfere Gunther schloss sich unserer Gemeinschaft erst vor kurzem an. Im Kampf wütet Gunthers großes Schwert wie die Sense im Kornfeld, geführt von der flammenden Überzeugung eines wahrhaft Gläubigen, der sich auf seiner heiligen Mission durch nichts aufhalten lässt.
Episode I: Nachtstein
Nachdem ich mich von den Folgen des Schiffbruchs erholt hatte, zog ich wohin die Straße mich führte. Während es aus den ersten Monaten nach meiner Ankunft auf dem Festland wenig abenteuerliches zu berichten gibt, gelang es mir doch zumindest, mich als Karawanenwächter auf der großen Straße zu verdingen und meinen Beutel mit einigen klingenden Münzen zu füllen. Einen Teil des Geldes gab ich aus für die Dinge, die mir für das vor mir liegende Leben als Vagabund und Abenteurer nötig erschienen: Waffen und Rüstung, sowie alles was man braucht, um in der Wildnis zu überleben. Eine weitere Handvoll Silber flossen in die Dinge, die Gesundheit eines Kriegers erhalten: Met und Weiber. Selbst dann waren noch einige Münzen übrig, und so kann ich wohl sagen, die dröge Arbeit in Diensten feister verweichlichter Kaufleute, war es am Ende wert.
Zudem lenkten die Götter während dieser Zeit meine Schritte gen Süden, in die Region zwischen Dolchfurt und Tiefwasser, wo meine eigentlich Saga ihren Anfang nehmen sollte. Innerhalb kurzer Zeit begegnete ich drei Reisenden, die alle unterwegs waren in das kleine Dorf Nachtstein. Nun ist Nachtstein nichts weiter als ein unbedeutender Weiler mit einer bescheidenen Festung, und es gibt dort nichts, was besonders interessant wäre. Dennoch waren diese Reisenden weder Kaufleute noch Bauern, sondern ein Halbork und ehemaliger Seeräuber namens Krusk, ein entschlossener Gotteskrieger namens Gunther und sogar einer der in Ruathym nur aus alten Liedern bekannten Halbriesen: Ein Firbolg-Druide, der uns bat, ihn Sai zu nennen, da er, so wie alle Mitglieder diesen geheimnisvollen Volks, keinen richtigen Namen besaß, wohl aber verstand, dass andere Völker das Bedürfnis hatten, allem und jedem einen Namen zu geben.
Bereits meine Begegnung mit Krusk weckte mein Interesse, denn ein Pirat (der übrigens keinen Hehl aus seiner Vergangenheit machte, sondern im Gegenteil mit ihr prahlte), der die staubige Straße den tosenden Wellen vorzog, schien mir interessante Gesellschaft zu versprechen. Krusk war auf dem Weg nach Nachtstein (der Grund ist mir entfallen), und da ich ohnehin gerade keine Pläne hatte, beschloss ich den kuriosen Krieger ein Stück zu begleiten. Wenig später begegneten wir Sai, einem Wesen, das ich bis dahin für den Stoff von Legenden und Ammenmärchen gehalten hatte. Als ich erfuhr, dass auch er unterwegs nach Nachtstein war, richtete ich ein kurzes Dankgebet an Tymora, um ihr mitzuteilen, dass ich ihren Wink verstanden hatte: Offensichtlich wollten die Götter, dass ich nach Nachtstein ging. Ein paar Tage später schließlich marschierte der gute Gunther abends mit scheppernder Rüstung direkt in unser Nachtlager am Straßenrand. Als ich ihn, seine Rüstung, sein mächtiges Schwert und seine entschlossene Miene sah, war mir sofort klar, wohin er wollte.
So teilten wir am Lagerfeuer Met, Dörrfleisch und Geschichten, um uns dann schließlich zur Ruhe zu legen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass bereits der nächste Tag getränkt sein würde vom Ruhm der Schlacht und dem Blut unserer Feinde.
Gegen Mittag kam in etwa einer Meile Entfernung die von einem Palisadenwall und einem mit Wasser gefüllten Graben umgebene Siedlung in Sicht. Auf einem kegelförmigen Hügel thronte wachsam eine kleine aber wehrhaft wirkender Festung über dem winzigen Weiler. Von einem eigenen Graben umgeben, war eine hölzerne Brücke nötig, um auf den Burghügel zu gelangen. Merkwürdig war, dass aus dem Dorf unablässiges Glockengeläut zu uns drang, welches uns alarmierte als wir uns dem Dorf näherten. Vor der Zugbrücke, die den einzigen Zugang zu der Siedlung darstellte, entdeckten wir dann auch zahlreiche Fußspuren: Solche von Menschen, die am Grabenbach entlang nach Norden führten, und kleinere, die direkt über die Brücke nach Nachtstein hinein führten.
Vorsichtig betraten wir selbst den Inneren Bereich des Pallisadenwalls und fanden den Weiler gespenstisch verlassen vor. Das gellende Läuten der Tempelglocke dröhnte uns in den Ohren und schien die Luft selbst zum Schwingen zu bringen. Unser Unbehagen stieg, als wir die zahlreichen großen Felsbrocken bemerkten, die überall auf dem Anger in der Erde steckten, und uns schlagartig, die Nachrichten von Angriffen durch Riesen ins Gedächtnis riefen, die in jener Zeit an der Schwertküste die Runde machten. Wir zogen daher unsere Waffen und beschlossen, zunächst der Ursache des lästigen Glockengeläuts auf den Grund zu gehen. Der Tempel befand sich direkt am Dorfanger und drinnen fanden wir in der Tat zwei räudige Goblins, die kichernd an den Glockenseilen auf und ab hüpften und uns erst bemerkten, als wir schon mit gezogenen Klingen in den Raum stürmten. Es entbrannte ein kurzer Kampf, der schon mit dem ersten Axthieb Krusks entschieden wurde, welcher den Kopf des einen Goblins von den Schultern trennte und den zweiten damit zur Kapitulation brachte. Der schäbige Wurm bettelte daraufhin um Gnade und behauptete, dass er und seine Freunde nichts damit zu tun hätten, dass Nachtstein verlassen und verwüstet war. Obwohl ich kein Mitleid mit Goblins habe und die unwürdige Existenz der wimmernden Kreatur gerne beendet hätte, entschied ich mich anders und ließ den Besiegten laufen.
Als wir aus dem Tempel wieder auf den Dorfanger traten, bemerkten wir zwei wolfsähnliche Bestien auf der anderen Seite des schlammigen Platzes, die bei unserem Anblick die Lefzen hochzogen und knurrend auf uns zu rannten, bedrohlich ihre scharfen Zähne entblößend. Gunther, Krusk und ich selbst stellten uns den wilden Tieren und lieferten uns einen blutigen Schlagabtausch. Angelockt durch den Kampflärm zeigten sich nun rund um den Anger weitere Goblins, die höhnisch lachend damit begannen, Pfeile auf die Sehnen ihrer Kurzbögen zu legen. Es entbrannte ein Kampf, der sich im Lauf der Zeit auf das gesamte Dorfgebiet ausweitete. Nachdem wir die Wolfsbestien niedergemacht hatten, setzten Krusk und ich zur Verfolgung eines Goblins an, der sich vor Sais Magie in einen Stall im Osten des Angers in Sicherheit gebracht hatte. Der Firbolg selbst nahm in südlicher Richtung die Verfolgung eines weiteren Angreifers auf, der sich in einer Windmühle auf einem Hügel versteckt hatte.
In dem Stall trafen wir einerseits auf zahlreiche Pferde, andererseits auf einen feigen Goblin, der sich auf dem Heuboden über dem eigentlich Stall verbarg und aus seinem Versteck vergeblich versuchte uns mit seinem Bogen zu beharken. Krusk hatte scheinbar keine Lust auf dieses Spiel, wohingegen ich mir einen meiner Zauber ins Gedächtnis rief und darauf wartete, dass der Goblin sich zeigte. In dem Moment, in dem seine hässliche gelbe Visage hinter einem Futtersack auf dem Heuboden über mir erschien, sprach ich einige geheime Silben, vollführte eine spezielle Bewegung mit der linken Hand und deutete auf den Goblin, der daraufhin unvermittelt in unbändiges Gelächter ausbrach, seinen Bogen von sich warf und sich auf den Boden fallen ließ, wo er weiterhin lauthals lachte, genau so wie ich es bezweckt hatte. Eilig erklomm ich die Leiter hinauf zum Heuboden und stellte mich über das von heftigen Lachkrämpfen geschüttelte Bündel, das mich furchtsam von unten herauf anstarrte, gleichwohl nicht aufhören konnte zu lachen. Nun war es an mir, höhnisch zu grinsen, denn im nächsten Moment rammte ich die Spitze meines Schwerts in den Brustkorb des bemitleidenswerten Geschöpfs und trieb mit einem wütenden Hieb das Blatt meiner Axt zwischen seine Augen, womit das Gelächter endlich verstummte.
Da meine Arbeit hier getan war, sprang ich auf den Rücken eines anmutigen grauen Pferds, ließ das Tier meine Fersen spüren und galoppierte mit einem wütenden Schrei auf den Lippen aus dem Stall hinaus auf den Anger. Ich spürte das Blut der Goblins auf auf meinem Gesicht und rief lauthals Tempus' Namen, der mein Schwert in der Schlacht führte, während ich im gestreckten Galopp der Windmühle auf dem Hügel am anderen Ende des Dorfangers zu sprengte. Dort angekommen stellte ich jedoch fest, dass meine Kameraden ihren Teil der Arbeit bereits erledigt hatten: Drei tote Goblins lagen in der Mühle und nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass es fürs Erste keine weiteren Angreifer zu geben schien.
Wir beschlossen daher, uns als nächstes in dem Gasthaus nördlich des Angers umzusehen. Dort trafen wir einen weiteren Goblin, dessen Flucht ich vereitelte, indem ich ihm zunächst eine Axt in die Schulter schleuderte, um ihn dann schließlich mit einem Pfeil zu Fall zu bringen, den ich von der Sehne eines zuvor erbeuteten Kurzbogens schnellen ließ. Damit war der Sieg endlich unser: Die Goblins waren aus Nachtstein vertrieben!
Wir untersuchten das Gasthaus und fanden im Obergeschoss tatsächlich eine Überlebende: Eine Reisende namens Kella Dunkelhoffnung hatte sich nach dem von uns ja bereits bei unserer Ankunft in Nachtstein vermuteten Riesenangriff in ihrem Herbergszimmer versteckt und wartete hier auf die Ankunft eines Freundes, mit dem sie sich verabredet hatte. Wir beruhigten Kella und luden sie zu unserer Siegesfeier im Schankraum des Gasthauses ein, wo wir ein prasselndes Feuer im Kamin entfachten und ein Mahl aus den Vorräten zubereiteten, die wir in der Speisekammer finden konnten. Ausgelassen scherzten wir über die Feigheit der Goblins und ich stimmte ein altes Lied an, das die Ruathen nach einer siegreichen Schlacht zu singen pflegten. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir nicht, dass unser Sieg über die Goblins nur das Vorspiel war, und dass die eigentliche Schlacht erst noch beginnen sollte...
to be continued...