Ich finde diese Differenzierung weitgehend überflüssig.
Ok. Benutzt der Spieler absichtlich eine Fähigkeit falsch ist das schlicht Betrug. Da weiß ich gar nichts mehr zu zu sagen.
Aber beobachtet er, dass eine Fähigkeit von jemand anderem falsch eingesetzt wird, ob zu seinen Gunsten oder seinen Ungunsten, dann ist es für mich seine Pflicht, das zu melden:
1. Weil es fair den Mitspielern gegenüber ist.
2. Weil es freundlich und respektvoll den Mitmenschen gegenüber ist.
Wird eine Regel angemahnt, die zu eigenen Ungunsten falsch verwendet wird, macht das, weil man sich ungerecht behandelt fühlt und aus gutem Grund für sich das Recht in Anspruch nimmt, fair und nach Regeln behandelt zu werden. Dann in einer anderen Situation, in der zu eigenen Gunsten eine Regel falsch verwendet wird, dies nicht anzumerken - das bedeutet, dass man in Kauf nimmt, dass die anderen Spieler in diesem Moment nicht fair und nach Regeln behandelt werden. Und da meine ich Spieler im Sinne von: Mitspieler, alle, die gemeinsam dieses Spiel spielen. Das schließt den Spielleiter ein. Wir spielen alle zusammen dasselbe Spiel.
Ich meine, der Spieler muss hier ja nicht mal groß etwas machen, um eine Ungerechtigkeit zu überwinden. Er muss sich nicht in die Öffentlichkeit stellen. Er muss nicht an einem freien Tag auf eine Demonstration gehen. Er muss seine Stimme nicht gegen einen Diktator erheben. Er muss nicht mal in einem öffentlichen Ort Zivilcourage zeigen. Er muss einfach nur sagen, wenn ihm der Fehler auffällt: "Die Regel funktioniert eigentlich anders." Das ist alles. Ab da liegt es nicht mehr in seiner Hand, ab da trägt die gesamte Gruppe die Verantwortung. Ob der Fehler aufgeklärt wird. Ob der Fehler erst nach dem Spielabend geklärt wird. Ob eine ausufernde Regeldiskussion über Sinn und Unsinn der Regel beginnt. Aber der Spieler hat seine Pflicht erfüllt, sich fair und respektvoll gegenüber seinen Mitspielern und Mitmenschen zu erfüllen.
Und nein. Natürlich gibt es keine Pflicht im Sinne eines Zwangs oder einer gesetzlichen Notwendigkeit. Es handelt sich um eine moralische Pflicht.
Und nein. Ich möchte nicht den Spieler verurteilen, der da tatsächlich irgendwie gehandelt hat. Dazu wurde zu Recht angemerkt, dass viele Details und Abläufe uns unbekannt sind. Und selbst wenn wir alles wüssten - wir sind nicht die Richter über diesen Spieler. Worüber ich hier schreibe, das ist ein hypothetischer Fall. Er beruht zwar auf einer wahren Begebenheit, aber ich denke darüber natürlich in einem Konstrukt nach - etwa: Was wäre, wenn mir das widerfahren würde? Details sind da unwichtig. Die Suche nach Details suggeriert, einen Schuldigen finden zu können. Aber ich will gar keinen Schuldigen finden.
Ich bin aber auch nicht der Meinung, dass es Aufgabe des SL ist, über die Einhaltung der Regeln zu wachen. Bei uns ist das eine Gruppenaufgabe, an der jeder gleichberechtigt teil hat. Im Moment spielleite ich u.a. BtW, wo viele der Spieler-Regeln für mich als SL keinen Belang haben, also ich muss die nicht nutzen. Da bin ich sehr froh, dass die Spieler sich gegenseitig unterstützen und diejenigen mit viel Regelkompetenz denen mit wenig Regelkompetenz helfen, zum Beispiel ihre Boni auf Angriffe richtig zu berechnen oder zu klären, wie sich ihre Rettungswürfe verändern. Aber selbst wenn man klar sagt: Regeln sind Aufgabe des SL - das ist doch kein Grund, ihn auf einen Fehler hinzuweisen?
Bei uns kann ein Spielleiter nicht einfach jemanden aus der Runde werfen. Bei uns kann der Spielleiter auch nicht über die Köpfe der anderen Spieler hinweg über Regeln bestimmen - auch wenn der SL eine Regeländerung initiiert, dann kann er das nur, weil er die Unterstützung der Runde hat. Und jeder Spieler hat bei uns das Recht, eigene Regeln einzubringen und über neue Regeln zu diskutieren. Und dann wird darüber abgestimmt. Nicht förmlich - meistens ergibt sich der Konsens aus der Diskussion. Wir gehen sehr demokratisch und egalitär in der Spielrunde miteinander und mit den Regeln um. Regeln sind für uns manchmal zwar lästig, im großen und ganzen aber wichtig. Sie geben Halt, sie geben Struktur. Sie erklären, wie das Spiel gespielt wird und welche Möglichkeiten man hat. Der richtige Einsatz der Regeln ist für uns einer der Grundpfeiler für gelingendes Spiel, denn darauf basiert ein großer Teil der Spielgerechtigkeit und Fairness. Beides geht natürlich über Regeln hinaus, es funktioniert aber nicht ohne die Spielregeln. Dabei ist natürlich der Konsens entscheidend. Wenn alle gleichermaßen eine Regel falsch anwenden, dann herrscht ja immer noch Gerechtigkeit - für alle gelten dieselben Bedingungen. So gesehen wäre der Kampf gerecht verlaufen. Aber ein Spieler war darunter, der die Regel nicht falsch angewendet hat. Er wusste, wie sie eigentlich geht. Für ihn war der Kampf ungerecht und unfair. Aber nicht ungerecht und unfair für ihn, sondern ungerecht und unfair für die anderen Spieler. Und zwar nicht nur für den Spielleiter, der unter kompetitiven Aspekten den Nachteil hatte. Auch ungerecht und unfair gegenüber den anderen Spielern. Die wollten diesen Vorteil doch gar nicht. Und Vorteil hin oder her - vielleicht wollten sie das ganze ja gar nicht unter einem kompetitiven Aspekt sehen, "wir gegen den SL". Zur Erinnerung: Rein hypothetisch natürlich. Ich kenne die Spieler ja gar nicht und selbst wenn ich sie kennen würde - in ihre Köpfe hineinsehen kann ich nicht. Jedenfalls... so spielen wir. Unter der Maßgabe schreibe ich hier. Ich schreibe immer aus meiner Perspektive, von meinen Erlebnissen und meiner Erfahrung aus. Ich erhebe damit nicht den Anspruch, dass es besser ist als andere oder dass meine Meinung die schönste, tollste, beste wäre - ich will damit nur erklären, warum ich die Dinge sehe wie ich sie sehe. Wir spielen eben so. Es ist ok, wenn jemand anders spielt und die Dinge darum verschieden sieht.
Vielleicht bin ich deshalb so aversiv gegen das beschriebene Verhalten, wie ich es mir dann ausmale, weil ich früher ganz ähnlich war. Ich erinnere mich nur noch dunkel an meine frühen Jahre als Rollenspieler, aber was haben wir da nicht alles gemacht. Manchmal waren solche Mittel ja auch die einzige Möglichkeit, sich gegen einen fiesen und bösen Meister durchzusetzen! Ich erinnere mich noch, dass wir regelmäßig den Raum verlassen mussten, wenn ein Spieler alleine etwas erlebte. Da haben wir zum Beispiel schon mal an der Tür gelauscht. Heute, über 20 Jahre später, würde ich das nicht mehr machen und ich kann aus der Distanz auf mich zurückschauen. Ich weiß nicht, ob etwas wie der beschriebene Fall vorkam, aber doch, ich kann mir vorstellen, dass ich auch mal so gehandelt haben könnte. Und ja, im Rückblick finde ich mein hypothetisches Verhalten (ich habe wirklich keine konkrete Erinnerung, aber so ein Gefühl, dass es zu meinem jüngeren Rollenspieler-Ich gepasst hätte) verwerflich. Ich wusste es aber auch einfach nicht besser und es fehlte mir an Erfahrung und Reife. Nicht nur als Rollenspieler, auch als Mensch. Meine Güte. Ich erinnere mich gerade an die Bundestagswahl 1998 - wen ich da wählen wollte! Manchmal weiß man es wirklich nicht besser.
Es gibt ja den Grund "Spiel nicht mit Arschlöchern". Man kann ja nun schnell dabei sein, so jemanden wie hier nun eben als genau solchen zu betrachten und eben nicht mehr mit ihm zu spielen - wie Spieler A es möchte: ihn rauswerfen. Dazu übrigens noch etwas - wie will man in einer Spielrunde denn noch gemeinsam spielen, wenn ein Spieler dem anderen sagt, dass er mit ihm nicht zusammen spielen möchte? Da ist doch etwas gebrochen. Darüber müsste man auch mal reden. "Ich würde dich rauswerfen, wenn ich SL wäre" heißt schließlich nichts anderes als "Ich will nicht mit dir spielen". Wieso spielt man denn überhaupt zusammen? Wie soll es nach so einer Aussage weitergehen? Aber diese Aussage "Spiel nicht mit Arschlöcher" erklärt das Problem, das viele mit dieser Diskussion haben. Wir wissen so wenig über die Situation. Aber auch: Wir sagen gerne, dass man nicht mit Arschlöchern spielen soll. Aber wenn jemand jemand anderen als Arschloch bezeichnet - das finden wir nicht nett. Diese Arschlöcher, mit denen wir nicht spielen sollen, die existieren nur hypothetisch. Sobald jemand nach vorne tritt und sagt: Mit dem spiele ich nicht mehr, der ist ein Arschloch - da wird sich Widerstand regen. Denn es wird immer andere geben, die das Arschloch eigentlich ganz nett finden und gerne mit ihm spielen würden. Das ist Rollenspiel. Es ist Vielfalt. Es ist bunt. Es ist granatenstark. Im Rollenspiel gibt es keine Arschlöcher. Höchstens hypothetisch.