Autor Thema: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?  (Gelesen 2386 mal)

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Offline achlys

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Wir haben in unserer Runde jetzt beschlossen, dass wir nach dem Numenera Szenario einmal AW (2nd Ed) bespielen wollen. 

Da ich pbtA Spiele bisher noch nie geleitet habe, ebenso wie die anderen es noch nie gespielt haben und wir alle eher aus der klassischen Ecke kommen, würde ich gerne von Eure Erfahrungen hören. Eine lose Sammlung von Fragen:
a) Worauf muss ich bei pbtA im Allgemeinen und bei AW 2nd im Besonderen als SL achten? (auch im Gegensatz zu anderen Rollenspielen, derzeit spielen wir Numenera, davor BtW außerdem DSA, SR und andere 'Klassiker')
b) Was sollte ich den Spielern gegenüber betonen?
c) Inwieweit sollte ich (mit den Spielern) die Welt (Art der Apokalypse, Landstrich, Wesen des psychic Mealstorms usw.) festlegen?
d) Welche Regeln (Moves) sind essentiell, welche kann ich zunächst außen vor lassen bzw sollte ggf nachschlagen?
e) Gibt es Material (Regelübersichten, SL Schirm, Karten usw.) aber auch Quellen (Artikel), das ihr empfehlen könnt?
f) Wo würdet ihr von den RAW abweichen? (2nd Edition!)
g) Wie würdet ihr die 3 wichtigsten DOs und DON'Ts für AW formulieren?

Fragen über Fragen. Danke im Voraus für Eure Antworten!

Offline rockston

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #1 am: 14.04.2017 | 18:40 »
Hast du das Buch schon gelesen? Falls nicht, solltest du das als erstes machen. Ich behaupte mal, dass dadurch so gut wie all deine Fragen beantwortet werden, weil Vincent Baker sehr genauer Vorstellungen davon hat, wie AW zu spielen ist, und das auch klar ausdrückt.

Als ich AW das erste mal gespielleitet habe, war das Ganze ein ziemliches Desaster, weil ich gerade das nicht getan hab. Ich hab ein paar Stellen des Buches überflogen, und dachte mir "ich weiß schon, wie man Rollenspiele leitet." Pffrz!, sag ich nur im Nachhinein.

Zitat
e) Gibt es Material (Regelübersichten, SL Schirm, Karten usw.) aber auch Quellen (Artikel), das ihr empfehlen könnt?

http://apocalypse-world.com/ApocalypseWorldBasicRefbook2ndEd.pdf

Ab Seite 37 (Master of Ceremonies) kommt spezifisch der Kram für den Spielleiter. Sehr wichtig ist gerade Seite 37, mit den Agendas, Grundsätzen, Moves, und wie man die erste Session handhaben soll. Im Buch selbst beschreibt Vincent Baker auch im Detail, wie und wann die Moves anzuwenden sind, und auch welche Fehler man bei ihnen machen kann.

Threats sind für die erste Spielsitzung noch nicht relevant, aber User Thanqol eine hervorragende Analyse über diese auf dem AW Forum gepostet: http://apocalypse-world.com/forums/index.php?topic=7479.0

Online Quaint

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #2 am: 14.04.2017 | 19:27 »
- die Spieler sollten die allgemeinen und ihre eigenen Moves grob kennen und zwecks nachlesen zur Hand haben (ggf. Handout-Zettel)
- ich schließe mich meinem Vorredner an, wenn es darum geht, dass der SL sich etwas ausführlicher mit dem Buch beschäftigt
- mach deinen Spieler klar, dass AW dreckig und gemein ist, und es durch Moves oder auch SL-Tätigkeit zu Eingriffen kommen kann, die für klassisches Rollenspiel "zu gemein" sind, etwa einfach Schaden bekommen ohne Rettungswurf und dergleichen


ansonsten:

+ Sei gemein
+ Macht Sachen (an die Spieler)
+ Play to find out
- bitte keinen vorgefertigten Plot vorbereiten, der überlebt die Begegnung mit den Moves eh nicht, eher eine Situation
- die SC nicht lächerlich machen oder als inkompetent hinstellen
- als Spieler bitte nicht gegen die anderen Spieler arbeiten; ne Meinungsverschiedenheit oder ein Streit sind ok, aber letztlich sollten die Spielercharaktere gemeinsam durch dick und dünn gehen
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
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Offline achlys

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #3 am: 15.04.2017 | 21:39 »
Hallo rockston & Quaint:

Danke für Eure Tipps! Ja, ich habe das Buch bereits ein mal komplett durch und bin jetzt beim zweiten Durchgang. Aber die Regeln lesen und sie anwenden sind zwei paar Schuhe, eben weil Mr Baker ja recht genaue Vorstellungen vom Leiten und Spielen bei AW hat und hier eben von anderen Systemen abweicht.


Das Refbook habe ich auch für mich entdeckt. Werde mir die Agenda und SL Moves übersetzen, die Sprachbarriere ist doch recht hoch, da der Stil doch recht speziell ist. (Es liest sich super und ich verstehe auch die dadurch entstehende Atmosphäre, am Tisch aber brauche ich es eindeutig und verständlich. BTW: Wie würdet ihr 'Barf forth apocalyptica' übersetzen?)
Im Refbook finden sich ja auch die Basic Moves. Werde die ausdrucken und laminieren.

Danke auch für den Link zur Threats Analyse!

Dass das Abenteuer sich aus den Handlungen der SCs (& die Reaktion der restlichen Welt) entwickeln muss, habe ich auch so verstanden. Ich bin, glaube ich, ganz gut im Improvisieren.
Trotzdem noch die Frage: Inwieweit und in welcher Detailtiefe habt ihr die Welt erstellt? Habt ihr das gemeinsam mit den Spielern gemacht?
« Letzte Änderung: 15.04.2017 | 21:43 von achlys »

Offline rockston

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #4 am: 17.04.2017 | 16:57 »
Das Refbook habe ich auch für mich entdeckt. Werde mir die Agenda und SL Moves übersetzen, die Sprachbarriere ist doch recht hoch, da der Stil doch recht speziell ist. (Es liest sich super und ich verstehe auch die dadurch entstehende Atmosphäre, am Tisch aber brauche ich es eindeutig und verständlich. BTW: Wie würdet ihr 'Barf forth apocalyptica' übersetzen?)
Im Refbook finden sich ja auch die Basic Moves. Werde die ausdrucken und laminieren.

Du kannst mal hier reinschauen, ein paar deutsche Versionen von einigen Playbooks, Moves und dem "erste Sitzung"-Kram: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,98046.0.html

Bietet vielleicht nen guten Ausgangspunkt, oder ne Referenz für deine eigenen Übersetzungen. Und ja, Apocalypse World übersetzen ist n schwieriges Unterfangen. Zumindest wenn man den Ton beibehalten will. Ich bin gerade bei meinem zweiten oder dritten Versuch, und gerade Dinge wie "Kotz' die Apokalypse aus" oder "Spei ihnen die Endzeit entgegen" funktionieren vielleicht nicht ganz so gut wie das Original. Im Endeffekt kann man aber auch etwas zurückhaltendere Sprache nehmen, die zumindest das selbe Ziel hat. "Hab die Apokalypse vor Augen" oder so etwas. Was auch immer am besten für dich funktioniert.

Dass das Abenteuer sich aus den Handlungen der SCs (& die Reaktion der restlichen Welt) entwickeln muss, habe ich auch so verstanden. Ich bin, glaube ich, ganz gut im Improvisieren.
Trotzdem noch die Frage: Inwieweit und in welcher Detailtiefe habt ihr die Welt erstellt? Habt ihr das gemeinsam mit den Spielern gemacht?

Im letzten AW-Spiel gab's vom MC anfänglich die Wahl zwischen zwei Konzepten – ne kaputte (quasi post-apokalyptische) Raumstation, oder ein maritimes Setting. Die Wahl fiel auf die Raumstation, und die Playbooks der Spieler haben diese dann geprägt – was es auf der Station gibt, wie die Gefahren dort aussehen, etc. Ne grobe Karte gab's noch mit ein paar Markierungen, aber das war's dann eigentlich schon. Alles weitere entsteht im Spiel. Tendentiell ist dabei natürlich auch zu sagen, dass gerade die erste Session etwas ruhiger* ist. Da werden sehr viele Fragen gestellt, sowie NSCs, Orte und Beziehungen etabliert, die der MC danach für die Threats benutzen kann.

*ruhig ist vielleicht nicht gerade das passenste Wort. Wie schon im Buch steht: “Let’s just follow the characters around for a day”—in Apocalypse World, that’s automatically dangerous. It’s automatically a bad day.

Und um dich in Sachen Improvisation zu unterstützen zitier ich faulerweise auch noch diese zwei Aussagen:
"Turn questions back on the asker or over to the group at large."
"Take breaks and take your time."

Wenn ich gerade nicht weiter weiß, tu ich immer eins von beiden.

Offline achlys

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #5 am: 20.04.2017 | 12:03 »
Vielen Dank für den Link. Habe mir die dt Playbooks runtergeladen und mal angeschaut. Einige Sachen sind schon anders, aber auf den ersten Blick bleibt die Agenda usw. gleich. Ich gehe sie mal durch.

In den Handbüchern des Drachen 'Spieler machen Leute' goibt es ein Kapitel mit proaktiven Fragen. Eigentlich für die Charaktererschaffung gedacht, aber es lässt sich (teilweise) auch gut auf AW übertragen. In jedem Fall ein guter Ansatzpunkt für diese Art von Fragen.

Offline Chiarina

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #6 am: 24.09.2017 | 21:58 »
Hey achlys, wie ist Apocalypse World denn bisher bei euch so angekommen. Ich lese die Regeln gerade und wäre interessiert an einem Einsteiger-Erfahrungsbericht.
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Offline achlys

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #7 am: 24.09.2017 | 22:56 »
Gerne!
Wir haben leider nur drei Sitzungen geschafft, weil die Besetzung unserer Gruppe gewechselt hat.
Aber die erste Runde hat uns ganz schön geflasht. Durch das Fragenstellen und die durch das folgende Gespräch entstandene Welt (Dämonen, X-Zone, Sandstürme), die Siedlung (riesiger Schrottplatz mit Schrottplateau und einer Kirche als Etablissement des Maestro D) und die durchgeknallten Charaktere (der Brainer wurde von Dämonen manipuliert, der Maestro D handelt mit Drogen) hat uns allen echt Spaß gemacht.
Danach habe ich dann die Threads weiter ausformuliert und mir einige Punkte überlegt, was passieren könnte. Einiges habe ich übernommen (Dämonen sind Ursache der Sandstürme) anderes habe ich spontan hinzugefügt (die in der X-Zone gefundenen Köpfe gehörten den Wachen der Nachbarsiedlung) und anderes fallen gelassen. Auch wenn uns manche Moves verwirrten, teils weil wir doch sprachliche Schwierigkeiten hatten, teils weil wir nicht wussten wann wir welchen Move anwenden konnten (wie bestimme ich welchen Schaden, wie funktioniert welcher Kampfmove), war der Spielfluss insgesamt sehr geschmeidig.
Man hat als SL halt viele Möglichkeiten etwas geschehen zu lassen. Vor jeder Sitzung habe ich mir die Threadmap angeschaut und nochmal die Moves durchgelesen. Habe mir jeweils vorgenommen mal bestimmte Moves gezielt auszuprobieren. Funktioniert aber nur, wenn die Spieler diese auch triggern. Z.B. kam ich nicht dazu mal die Subterfuge Moves anzuwenden.
Die Story war schräg, hat uns aber alle mitgerissen. Geplant war davon kaum etwas und vieles improvisiert. Tatsächlich empfand ich die Thread Map und die einzelnen Threads als sehr hilfreich für meine Improvisationen. Vor jeder Sitzung habe ich mir überlegt, welche Threads ich gerne wie ins Spiel bringen würde. Nach jeder Sitzung kamen zwar neue Threads hinzu, dafür habe ich aber andere nicht weiter vertieft.
In Zukunft würde ich hier sogar mehr improvisieren und durch offene Fragen den Spielercharakteren zuschustern.
Man sollte sich für die einzelnen Charaktere ruhig Zeit lassen und sich speziell Fragen für diese überlegen. Meine Spieler hatten besonders Spaß daran, wenn man ihnen offene Fragen stellte, die sie in "Erklärungsnot" brachten.
Z.B.: Warum hast du die X-Zone überlebt, obwohl du dort länger drin warst als jeder zuvor? Spieler: Wieso war ich in der X-Zone?! Ich: Ja, wieso eigentlich? Spieler: ...
Dieses Eingreifen in die Charaktervergangenheit habe ich übrigens nur zu Beginn (1. Runde) gemacht. Danach bezogen sich diese offenen Fragen mehr auf die Spielwelt.
z.B.: Wieso sind die DownUnders (die Nachbarsiedlung) Euch feindlich gesinnt?

Ich werde definitiv nochmal AW und auch andere pbtA Sessions leiten. Jetzt ist aber erst mal Coriolis dran.

Offline Chiarina

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #8 am: 24.09.2017 | 23:12 »
Danke für den Bericht. Hört sich ja ganz gut an.

Eine Frage noch: Kannten deine Spieler die Subterfuge Moves oder hast du eher auf eine Gelegenheit gewartet, sie aufgrund der Charakteraktionen mal einführen zu können?
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Offline achlys

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Re: AW Erstspieler und -leiter - Worauf muss man achten?
« Antwort #9 am: 24.09.2017 | 23:30 »
Ich habe alle Moves ausgedruckt und eingeschweißt, sodass jeder Spieler sich diese anschauen konnte. Sie kannten sie also schon, aber noch nicht in Aktion und ich habe nach einer Gelegenheit gesucht, sie einzuführen.