In dieser Sache interessiert mich, welche Spiele du hier meinst. Denn häufiger scheint mir Fertigkeitswürfe eher ein Showstopper zu sein. Dass die Regeln also nicht etwas ermöglichen, sondern etwas blockieren. Kein Spieler würfelt zum Beispiel freiwillig auf Schwimmen. Dabei kann man - ganz wörtlich - nur untergehen.
Das gilt, wenn ein SC Schwimmen hat, weil das Regelsystem es vorgibt, aber nicht, weil es zum Charakterkonzept gehört, schwimmen zu können, und da sehe ich es als eine Art Abwehrfähigkeit: Ein erfolgreicher Wurf bewahrt die Deutungshoheit des Spielers oder der Spielerin über den SC. Ich bin nicht sicher, ob ich solche Würfe gut finde — habe aber andererseits auch schon Probleme erlebt, wenn nicht definiert ist, wo die Grenzen von SCs liegen: Es kann deutlich schwieriger werden, einen Konsens darüber zu finden, wie Geschichten in der Welt ablaufen. Was diese Abgrenzungsproben angeht, passt dein Einganspost sehr gut: Statt "du kannst schwimmen" oder "du kannst nicht schwimmen", wäre es spannender, wenn es eine Tabelle gäbe, die klärt, wie du schwimmst. Vielleicht könntest du diese Tabelle sogar für den Charakter festlegen — und damit den Vorstellungsrahmen explizit zeigen: "Das hier kann passieren, wenn ich ins Wasser falle, und so wird es entschieden".
Ich kenne solche Abgrenzungsproben allerdings nur noch selten, weil bei uns ein SC nur die Fertigkeiten hat, die sein Spieler oder seine Spielerin für ihn gewählt hat. Auf Schwimmen zu würfeln bedeutet dadurch, dass der SC etwas besonderes erreichen kann.
Eine positive Interpretation der Schwimmen-Probe wäre: Die erfolgreiche Probe bestätigt die Deutungshoheit des Spielers oder der Spielerin, allerdings mit der Vor-Annahme, dass das Ziel der Handlung der Erfolg war.
Abgrenzungsproben sind damit sozusagen die sozialen Ketten, mit denen wir uns in die Gruppe einfügen und sicherstellen, dass wir uns alle an den gefundenen Konsens über Geschichten halten.
Und ich gebe dir Recht, dass sie spannender sein sollten. Dass wir etwas davon haben sollten, uns dem Gruppenkonsens zu unterwerfen.
Ein Beispiel, das üblicher Weise genau umgekehrt gelagert ist, sind Angriffswürfe. Ich hab es regelmäßig erlebt, dass bei "Ich hau ihm voll eins in die Fresse", die Würfel schon auf dem Tisch lagen, als der Satz vorbei war. - Was ist der Unterschied zum Schwimmen? Hier gibts was zu gewinnen: Schaden.
Oder genauer: Was es zu gewinnen gibt ist ein Gefühl von Stärke. Selbstbestätigung. Erfolg.
Damit also Leute gern würfeln, muss klar sein, unter welchen Bedingungen das geht und was so ungefähr hinten dabei rauskommt.
Das stimmt, denke ich.
Da ich zur Zeit viel damit arbeite, hier ein paar Sachen, die wir uns durch Würfeln erarbeiten könnten (aus der AOK-Schulung Lebe Balance geklaut und
einem sinnvollen Zweck zugeführt ☺):
| Handeln | Sein | Wollen |
|------------------+-----------------+---------------|
| Kreativität | Genuss | Wohlstand |
| Selbstbestimmung | Leistung | Ansehen |
| Abwechslung | Einfluss | Sicherheit |
| Tradition | Bescheidenheit | Gerechtigkeit |
| Anpassung | Fürsorglichkeit | Toleranz |
| Regeltreue | Zuverlässigkeit | Umweltschutz |
Ein Würfelwurf gibt Menschen dann etwas, wenn er eines dieser Grundbedürfnisse erfüllt — uns selbst gibt er etwas, wenn das ein Bedürfnis ist, das für uns persönlich wichtig ist.
Ein Angriff kann zum Beispiel erfüllen:
Selbstbestimmung ("Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe"),
Tradition ("auf eine solche Beleidigung gibt es nur eine ehrenvolle Antwort!"),
Leistung ("Ich gewinne!"),
Einfluss ("Hier läuft es wie ich es sage"),
Fürsorglichkeit ("Ich beschütze die, die mir wichtig sind"),
Zuverlässigkeit ("Ich bleibe bei dem, was ich sage, selbst wenn es gefährlich wird"),
Ansehen ("Ich bin ein mächtiger Krieger!"),
Sicherheit ("Niemand kann mich bedrohen"),
Gerechtigkeit ("Für dieses Verbrechen wirst du büßen") und
Umweltschutz (im weiteren Sinne: "Aktionen wie deine können wir nicht tolerieren").