Genau das meine ich immer mit dem richtigen Händchen.
Das ist für mich eine Kombination aus rationalem Verständnis und Intuition.
Da eiern z.B. Vollzeit-Autoren über mehrere Errata-Durchgänge oder komplette Editionen an einer Regel herum und mit anderen Leuten spricht man da zwei Sätze drüber und die hauen eine Lösung raus, die keine der althergebrachten mathematischen Macken hat, besser ins Setting passt und auch sonst genau das macht, was die offiziellen Regeln von Anfang an hätten machen sollen und nie gemacht haben.
An der Stelle denk ich mir dann "Tja, genau so einen bräuchtet ihr im Team, aber selbst wenn ihr wüsstet, dass es ihn gibt, würdet ihr ihn nicht wollen... "
(Falls das folgende zu lang ist, hier die Kurzzusammenfassung: Ich hätte gerne eine Gruppe von 5 gut bezahlten Vollzeit-Leuten mit sicheren Stellen, um die gleiche Anzahl an Büchern zu produzieren, die wir zu zweit in Hobbyzeit geschrieben haben. Dafür bräuchte es aber mindestens 1 Million Leute, die deutschsprachige Rollenspiele kaufen.)Auch wenn ich glaube, dass da ein Stück Wahrheit dran ist,¹ finde ich den Vergleich nicht ganz fair: Wir haben in 15 Jahren Hobbyzeit ein Grundregelwerk, zwei Kurzregelwerke (Zettel und Flyer), ein fast fertiges Buch (Technophob) und viel nur teilweise sortiertes Material auf der Webseite geschrieben. Vollzeit-Autoren machen soviel in einem einzigen Jahr. Sie haben also pro Produkt eigentlich nicht mehr sondern weniger Zeit als wir in Hobbyzeit hatten.
Um gut arbeiten zu können bräuchten sie meiner Ansicht nach mindestens doppelt so viel Zeit pro Buch, wie wir hatten. Also sollten zwei Vollzeit-Schaffende (40h) binnen 15 Jahren höchstens 4 Grundbücher veröffentlichen, dazu noch etwas kleineres Material, um Erfahrungen mit ihren Werken zu machen. Mit 5 Leuten wäre das vielleicht ein Buch pro Jahr, ohne Messen, Vorstellungsrunden, usw. einzuberechnen. Realistisch also vielleicht ein Buch alle zwei Jahre.² Das würde in der Produktion dadurch eine Million Euro kosten.
Dazu kommen dann noch die Leute aus Öffentlichkeitsarbeit, Druck, Lektorat (ein richtig gutes Lektorat zu haben wäre toll!), Verwaltung, Personalabteilung (die die richtig guten Leute findet), usw. so dass am Ende mindestens 10 Vollzeit-Stellen nötig wären, um alle zwei Jahre ein richtig gutes Buch zu veröffentlichen. Soweit ich mich erinnere gibt es die Faustregel, dass ein Verlag an einem Buch das 5-fache der Produktionskosten verdienen muss, um auch mal einen Flop verkraften zu können. Also müssten mit jedem Buch 5 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Wenn pro Buch 10€ beim Verlag ankommen, müsste jedes Buch sich also mindestens eine halbe Million mal verkaufen.
Da ein Verlag, der nicht wenigstens zwei Bücher pro Jahr verkauft, schnell nicht mehr als Big Player gesehen wird, bräuchten sie 20 Millionen Euro Umsatz pro Rollenspielsystem.
Wir können ja mal Pegasus fragen, wie nah sie da rankommen. Wenn wir das hysterische Lachen verkraften.
Gäbe es 5 Millionen Rollenspieler in dem Deutschsprachigen Teil Europas, dann könnte Shadowrun das allerdings erreichen. Wenn es dann nicht hunderte Kleinsysteme gäbe, die den Kuchen untereinander aufzuteilen versuchen. Und um diese Zersplitterung zu vermeiden, sind die günstigen Grundregelwerke von Pegasus eine recht effiziente Strategie. Mit diesem Umsatz pro Buch und damit auch dieser Menge an Arbeitszeit, die reinfließen kann, könnte die Qualität von Rollenspielbüchern meiner Ansicht nach nochmal deutlich über dem liegen, was wir aktuell haben, und klar über dem, was ich selbst aktuell produzieren kann.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel 5 Millionen sind, hilft ein Vergleich mit den Spielerzahlen von WoW und Starcraft:
WoW-Erfahrene Spieler gibt es auf Deutschen Servern etwa 200k und weltweit lag die Zahl der WoW-Abonnenten
in den besten Zeiten bei 12 Millionen, 2015 nur noch bei 5 Millionen, Starcraft 2 und Diablo 3 wurden weltweit jeweils
4.5 Millionen mal verkauft, in Deutschland dann wohl höchstens 500-tausend mal.
Mit 20€ Umsatz pro Buch und nur 5 großen Systemen könnten schon etwas mehr als eine Million aktiver Rollenspieler reichen, um wirklich gute Entwickler-Teams zu finanzieren. Bei den unter 10k Leuten, die zur Nord-Con gehen sind wir da selbst mit der sehr optimistischen Annahme, dass halt nur 10% der RollenspielerInnen auf Cons fährt, bei nur 10% der Leute, die wir bräuchten, um wirklich gut finanzierte Rollenspiel-Entwicklung zu haben.
(Nebenbei: Die RPC wurde 2016 laut Wikipedia von 30k Leuten besucht und insgesamt sollen
in Deutschland etwa 70 Millionen Computerspiele verkauft worden sein).
¹: weil die Leute, die ein ganzes Rollenspielsystem statistisch überblicken, die Anforderungen vollständig erfassen und das System an die Anforderungen anpassen können, in anderen Wirtschaftsbereichen so sehr nachgefragt werden, dass ihre Entscheidung, in Vollzeit Rollenspiele zu schreiben, sie vermutlich die Hälfte ihres Netto-Einkommens kosten würde, zusätzlich zum Verlust der Jobsicherheit.
²: Ich denke, dass ein Rollenspiel-Regelwerk deutlich komplexer werden kann, als ein Roman. Es hat konzeptionell alle Anforderungen eines Romans, hat darüber hinaus aber noch viele weitere Ebenen, die auch alle gut sein und zusammenpassen müssen.