...wir hatten die alten Wahrheiten, wir hatten die Dekonstruktion, die war aber vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss, wo also stehen wir denn heute? Wenn ich eine klassische Runde betrachte, inwieweit ist der SL „nur ein Mitspieler“ oder eben doch mehr, und was ist daran gut?
(...) Mit den Erkenntnissen, die wir in diesem Jahrtausend gewonnen haben, lasst uns mal wirklich die Stärken des klassischen Ansatzes ordentlich rausarbeiten, auch und gerade in Bezug auf nicht-D&D-esques Spiel.
Ich weiß nicht, ob wir in diesem Thread noch aus dem Rauschen, was Teile deines OP erzeugt haben, rauskommen, aber versuchen kann man's.
Zu deiner gerade skizzierten Stoßrichtung:
Dazu sollten wir meines Erachtens von schwammigen Begriffen wie "klassischer Ansatz" o.ä. absehen bzw. klarer definieren, z.B.: Rollenspiele, deren Regeln eine SL-Person aufstellen, die besondere Verantwortung für die Spielrunde trägt, indem sie eine Entscheidungshoheit hat und durch vorbereitetes Material, das nur ihr zugänglich ist, auf das Spielgeschehen in besonderer Weise Einfluss nimmt. Immer noch wischiwaschi, aber etwas klarer. Oder wir entfernen uns völlig von "klassisch/ traditionell" etc. und reden nur von Spielen mit SL und ohne SL.
Meines Erachtens wäre es zielführend, Unterschiede innerhalb der SL-Spiele bzw. innerhalb dieses "klassischen Ansatzes" herauszuarbeiten. Dein Essay tut das indirekt und wertet sofort, was IMO nicht ideal ist. (Zum Normativen siehe unten.) Es gibt eine Bandbreite von Möglichkeiten, wie eine SL die Story gestalten kann (aktiv-passiv; verschiedene Arten der Vorbereitung und verschiedene Nutzung des Vorbereiteten...), genauso wie es ein Spektrum gibt, wie die SL Regelentscheidungen treffen oder Geheimnisse verwalten kann, etc. pp.
Und genauso sind Spiele ohne SL ja auch kein homogener Block. Manche regeln das Spiel durch Verteilung und/oder Rotation bestimmter Aufgaben, wobei die Entscheidungshoheit in einem bestimmten Moment zu einer bestimmten Sache bei einer einzelnen Person liegen kann, andere Spiele bauen auf konsensorientierte Diskussion, andere vielleicht auf Zufallsgeneratoren.
Und beim Erfassen dieser Heterogenität sollte unser Drang, Dinge zu bewerten, vielleicht auch noch ein Momentchen Geduld haben.
Brauchbare normative Aussagen kriegst du am ehesten, wenn du die zugrundeliegenden Werte klar siehst. Sowas wie:
- Alle Personen am Spieltisch sollen durch ihre Entscheidungen und Beiträge zur gemeinsamen Vorstellung in bedeutsamer Weise die Fiktion beeinflussen können. (Das ist nicht trivial, es gibt haufenweise Medien, in denen das nicht der Fall ist, und die trotzdem Spaß machen.)
- Die entstehende Geschichte soll halbwegs stringent sein/ nur wenig bis gar keine kognitive Dissonanz erzeugen. Z.B. nicht viel unlogischer als der durchschnittliche Hollywood-Film.
- Diejenigen, die Charaktere führen, sollen möglichst selten durch Meta-Aspekte, die außerhalb ihres Charakters liegen, aus ihrer Rolle gerissen werden.
Bei diesen wertenden Positionen kann es (in der Diskussion) nicht um Konsens gehen (und obenstehende drei Vorschläge geben auch nicht unbedingt meine persönliche Wertung wieder). Aber nur auf der Basis solcher Prämissen kannst du dann über die "Stärken des klassischen Ansatzes" reden.