Autor Thema: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"  (Gelesen 7613 mal)

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trendyhanky

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #50 am: 1.11.2017 | 18:31 »
Zitat
Welche Erwartungen habt ihr an eine Kampagne? Was muss am Tisch passiert sein, damit ihr sagt: Das war (a) eine Kampagne und (b) eine gute Kampagne?

Wenn ich bei einem SL einsteige und er sagt dass er eine Kampagne leitet, dann erwarte ich ersteinmal nicht viel, weil "Kampagne" oft nur heißt: wir spielen mehrere Sessions mit denselben Figuren bis die Gruppe auseinanderbricht oder der SL keine Lust mehr hat.
Vorgefertigte Kampagnen sind selten dabei, irgendwie schreiben die meisten SL ihre Abenteuer wohl lieber selbst

Hatte mal bei ein, zwei OFFIZIELLE Kampagnen mitgespielt (Karmodin bei Midgard, dann mal was bei DSA und noch so eine Eberron-Kampagne). Hat sich jetzt nicht so extrem kampagnenlastig angefühlt, weil es doch wohl ein Unterschied is ob ein SL die Kampagne auf seine Spieler zuschneidet oder einfach was "Fremdes" raufstülpt

Die meisten offiziellen Kampagnen sind meiner Meinung von Hause aus railroadig (mit Abstufungen). Was klar ist, sonst würde die ganze Kampagne nicht niedergeschrieben werden können

Um mal weg von offiziellen Kampagnen zu kommen, denn die sind irgendwie nicht so prall, ganz theoretisch
zu a und b) es muss ein spürbarer Story-Arc da sein, die Charaktere müssen zu einem merklichen Anteil dieselben sein, wiederkehrende NSC, langfristige Koevolution des Settings, die Prämisse bei Kampagnenbeginn muss sich im Finale erfüllen, kein endloses Weiterzocken bis Stufe 10.000 bis allen die Lust vergeht. Lieber was Knackiges im überschaubaren Bereich, bei dem man als Spieler ein Ende und eine Entwicklung absehen kann

Was jetzt "gute" Kampagnen auszeichnet, da würde ich mal sagen dass ich vom SL erwarte dass er die Kampagne offen gestaltet und detailiert. Und dass gleichzeitig ein roter Faden und ein Fokus bei jeder Session durchgehalten wird
Oftmals präsentieren SL einem ja Kampagnen, die mehr Sandbox-Settings sind. "anything goes", und weil "anything goes" alles heißt ist alles relevant. Weil alles relevant ist und irgendwie irgendetwas bedeutet für die Kampagne bedeutet der Schmu gar nichts. Alles fühlt sich beliebig an und die Kampagne zerfasert.
Ein guter SL mit guter Kampagne schafft den Spagat zwischen Settingoffenheit und klarem Kampagnenfokus, der in den Prämissen versprochen wurde

Offline Viral

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #51 am: 1.11.2017 | 19:34 »
Erstmal: kann jemand den Titel der Threads ändern? Da das verwendete Zitat für den Titel aus dem Zusammenhang gerissen wurde und wohl eher zur persönlichen Gängelei eines anderen Forennutzers genutzt wurde, fühlt sich der Inhalt des Threads zum Titel falsch an.

Für mich geht es in diesem Thread um One-Shot vs. Kampagne und was maßgebliche Unterschiede sein können. Das Thema sehe ich aber nicht als "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"

Eine Kampagne kann für mich bedeuten:
Sind für mich viele Sessions bei der auch Ressourcenverwaltung und Spielwertentwicklung der Charaktere von hoher Relevanz sind. Insbesondere spielen hierbei EP eine große Rolle, wie das erarbeiten von weiteren Spielressoucen (Soziales Netzwerk, Vermögen, Besitztümer).
und/oder
Aufbau einer komplexen und/oder langfristigen Story mit den SCs, wobei die persönliche Beziehung der SCs mit der Spielwelt nach und nach erarbeitet wird. Man erarbeitet zusammen nach und nach die Rolle der SCs in der Spielwelt. Die Spielwelt ist offener und freier.

Eine One-Shot kann für mich bedeuten:
Viel ist breits definiert, was man sich in einer Kampagne erarbeiten würde.
Auch kann dadurch die Handlung sehr verdichtet sein, da man innnerhlab eines engen Zeitfensters die Storyelemente abhandelt.
Man arbeit mit den gegebenen Ressourcen, man erarbeitet sich eigentlich nur für die Storyelemente relevante Ressourcen (z. B. Finde Torwächte und Schlüsselmeister etc.)

Folglich können auch gewissen Spielstile oder Spielkonzepte nicht oder nur eingeschränkt mit einem One-Shot oder einer Kampagne funktionieren.

z. B. viele Horror-Szenarien sind eher für One-Shots geeignet, da der Charakter eh danach tot oder geschrottet ist. Weltenbau mit langfristiger Charakterentwicklung läuft besser im Kampagnen-Kontext. Ähnlich sieht es mit SL-losen Konzepten aus: Im One-Shot mag das funktionieren, in Kampagnen sehe ich dieses Konzept für nicht sinnvoll an.

wahrscheinlich, wenn ich länger drüber nachdenken würde, würde ich es wohl noch klarer umfassen können.


Offline Crimson King

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #52 am: 1.11.2017 | 19:37 »
Bei mir halten sich Erwartungen an Kampagnen insgesamt in Grenzen und sind außerden systemabhängig. Wenn mir jemand 13th Age leiten will, hätte ich schon gerne sowas wie eine Progression bei den Gegnern, bei FATE, wo die Charakterprogression auf deutlich höherem Niveau startet und dafür hinterher kaum was drauf packt, würde ich den Fokus wesentlich mehr auf die Einflüsse legen, die die Erlebnisse auf die Charaktere haben. Episch oder episodisch geht aber z.B. beides. Die einzige Erwartung, die sich durchzieht, ist, dass es in der Kampagne zuvorderst um die Spielercharaktere und deren Motivationen geht.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
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Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
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J.W. von Goethe

Offline Issi

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #53 am: 1.11.2017 | 20:25 »
Ich finde "Kampagne" ist nicht das Gegenteil von "One Shot".
Man kann eine Figur für nur eine Session spielen, oder halt eben länger.
Was sich verändert ist der Faktor Zeit.
Die ist bei One Shots begrenzt.

Welchen Vorteil könnte es haben eine Figur nur kurz zu spielen ?
Mir fallen folgende Vorteile ein:
Man muß sich nicht so stark mit ihr persönlich identifizieren können. (Ist ja nur für eine Sitzung)
Man hängt nicht so sehr an dem Charakter (Spielt sie ja nur im Moment), und ist deshalb auch bereit riskanter zu spielen.
Ein Spielleiter hängt idR. auch weniger an seinen NSC, als der Spieler an seinem SC.
Deshalb kann er auch leichter Figuren spielen, die mit ihm nichts gemeinsam haben, und die er nicht mal mögen muss.
Es tut auch weniger weh, wenn sie für die Story über die Klinge springen.

Und wenn man aber findet, dass diese Vorteile auch Nachteile sind, dann spielt man eben seltener One Shots.
Bzw. spielt Figuren halt länger.
Weil man sich eben stärker identifizieren möchte, bzw. auch an einer längerfristigen Entwicklung der Figur interessiert ist, und diese auch gestalten und mitverfolgen möchte.
« Letzte Änderung: 1.11.2017 | 20:37 von Issi »

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #54 am: 1.11.2017 | 20:49 »
Also ich kann mit dieser Trennlinie eine Menge anfangen und halte sie für sinnvoll. Ehrlich gesagt scheint mir das in der Tat eine der ganz wichtigen Trennlinien zu sein, welche Rollenspielinteressen gut beschreiben. Die zweite ist in meinen Augen das Ausmaß der Bahnung durch den SL, vulgo Railroadinganteil., die dritte scheint mir die Präferenz für schauspielerische Anteile im Spiel (direkte Rede der SC, Mut zum Ausspielen, Zulassen von Emotionalität am Tisch, Feingefühl für die Angemessenheit von Einlagen etc.) zu sein. Wenn man das alles von einem SL oder einer Runde kennt, gelangt man nach meiner Erfahrung zu ganz guten Vorhersagen über die Kompatibiltät mit den eigenen Interessen.

Auf den Zug mit den Indie-OneShots bin ich eine zeitlang mit aufgesprungen und es gab ein paar gute bis sehr gute Runden. Aber letztendlich ist das für mich nix. Rollenspiel funktioniert dann, wenn man sich eine Welt in einer hohen Komplexität so erschließen kann, dass man wirklich mit seinen eigenen Ideen etwas bewirken kann - als SL wie als Spieler. Ich hatte ja mal an verschiedenen Stellen meine Strategien inklusive sehr konkreter Beispiele gepostet, wie ich Sandboxes mit hohem Interaktionsgrad aufbaue. Das finde ich nämlich alles andere als leicht oder selbstverständlich und das geht nur als Kampagne.
« Letzte Änderung: 1.11.2017 | 20:51 von Wellentänzer »

Ucalegon

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #55 am: 1.11.2017 | 21:09 »
Erstmal: kann jemand den Titel der Threads ändern? Da das verwendete Zitat für den Titel aus dem Zusammenhang gerissen wurde und wohl eher zur persönlichen Gängelei eines anderen Forennutzers genutzt wurde, fühlt sich der Inhalt des Threads zum Titel falsch an.

(Nein. Die postulierte Trennlinie ist immer noch das, was ich diskutieren möchte. Ich hätte Lord Verminaard wie gesagt vorher um den Kontext bitten sollen, so hat er ihn nachgeliefert. Punkt.)

Offline DaveInc

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #56 am: 2.11.2017 | 12:01 »
Ich finde die "Trennlinie" ganz hilfreich als Gedankenkonstrukt, sie wird aber sicher nicht jedem Typus gerecht. Ich kenne Spieler, die nichts anderes als One-Shots spielen oder Spieler die One-Shots und Kampagnen spielen (Und logischerweiße wird es auch Spieler geben, die nur Kampagnen spielen, die ich wahrscheinlich einfach nur nicht kenne ^^).

Auf der anderen Seite spiele ich persönlich eigentlich nur One-Shots um herauszufinden, ob sich SettingX und SystemY für eine Kampagne eignen würden. Von daher gibt es wohl sowas wie "funktionale" One-Shots und "erlebnisorientierte" One-Shots.

Ich denke, in Kategorien wie besser/schlechter oder ansprochsvoll/anspruchslos dabei zu denken ist ehh nicht zielführend und wird hier ja auch nur an ein paar Stellen impliziert. Letztlich muss ja ohnehin jeder nach seiner Fasson glücklich werden.

Die viel größere Trennlinie bei diesen beiden "Genres" ist wohl ehh beim SL anzusiedeln, als beim Spieler. Natürlich unterscheiden sich beide Arten von einander was Vorbereitung und Präsentation angeht - liegt in der Natur der Sache. Wenn ich aber über mein Verhalten als Spieler nachdenke, kann ich zumindest über mein persönliches Herangehen an die Sache sagen, dass ich keine groß andere Spielweise pflege.

Alles weitere zum Thema ist für mich dann OT, da es entweder One-Shots oder Kampagnenspiel betrifft.
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Ucalegon

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #57 am: 2.11.2017 | 22:47 »
Ich hatte ja mal an verschiedenen Stellen meine Strategien inklusive sehr konkreter Beispiele gepostet, wie ich Sandboxes mit hohem Interaktionsgrad aufbaue.

Kannst du die verlinken?

---
Meine Antworten:

(a) Eine Kampagne ist erstmal alles, was mehr als eine Spielsitzung (one-shot) läuft. Ausnahmen sind one-shots, die sich in eine zweite, selten mehr Sitzungen ziehen und traditionelle Szenarios, die außerhalb einer Kampagne gespielt werden und dann durchaus mal zu umfangreich für eine Sitzung sind.

(b) Eine gute Kampagne hat Textur, z.B. durch mittlerweile kodifizierte Spielphasen in stark prozeduralen Rollenspielen (Fellowship Phase in TOR, Home Vignetten in DG, Downtime in Blades in the Dark), ein tragfähiges Erzählgerüst und eine Dokumentation auf dem Spieltisch, um Kontinuität, Kohärenz, das Wiederaufnehmen von Elementen und einen möglichst einfachen Wiedereinstieg in die Fiktion zu Beginn jeder Session zu gewährleisten. Das erzeugt Motivation und ein Interesse daran, zu erfahren, wie es weiter- und ausgeht; sorgt dafür, dass sich das Geschehen weder beliebig noch belanglos anfühlt. Ein one-shot, den ich am Ende weiterspielen möchte, war kein one-shot, sondern die erste Sitzung einer (dann vlt. verhinderten) Kampagne. Geht mir regelmäßig so mit meinen Remember Tomorrow-Conrunden, und war auch so bei Swords Without Master, wo ich die Welt weiterführen möchte oder bei Technoir, wo ich wissen will, wie sich die Plotmap weiterentwickelt.

Dementsprechend sehe ich den Unterschied vor allem darin, dass ein one-shot halt schon in einer einzelnen Sitzung mehr oder weniger bündig schließen muss und nicht wie eine Kampagne erst nach zwei oder mehr. Dass man für räumlich-zeitlich-handlungstechnisch sehr eng geführte Setups einen one-shot hernimmt, ist schlicht pragmatisch, weil das dann nicht mit der Lücke zwischen zwei Sitzungen kontrastiert und irgendwie dringlich bleibt. Was wiederum bedeutet, dass sich inhaltlich sehr weit aufgespannte one-shots (zuletzt hatte ich das wieder mit Posthuman Pathways) manchmal ein bisschen nach Kampagne im Schnelldurchlauf anfühlen. Eine Trennlinie, die z.B. der zwischen Herausforderung und Story oder Sandbox und Struktur auch nur nahekommt, kann ich daraus jetzt nicht machen.

Von daher gibt es wohl sowas wie "funktionale" One-Shots und "erlebnisorientierte" One-Shots.

Sinnvolle Unterscheidung, finde ich. Dass Leute one-shots mit Testlauf assoziieren (was ja oft genug so ist) sorgt sicher auch für Missverständnisse.

Offline Chiarina

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Re: "Die wichtigste Trennlinie zwischen Rollenspielrunden"
« Antwort #58 am: 2.11.2017 | 23:24 »
Zitat von: Ucalegon
Eine gute Kampagne hat Textur, z.B. durch mittlerweile kodifizierte Spielphasen in stark prozeduralen Rollenspielen (Fellowship Phase in TOR, Home Vignetten in DG, Downtime in Blades in the Dark

Gut, also hier gehört sicherlich auch noch das gute, alte Ars Magica dazu (Studienphase, Forschungsvorhaben, Alterung, langwierige Heilungsprozesse, etc... ein Rollenspiel, das einige seiner Stärken erst im Kampagnenmodus offenbart).
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)