Autor Thema: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen  (Gelesen 12787 mal)

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Deep_Impact

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Mich würde mal interessieren, was ihr so von klassischen Heartbreakern haltet. So in der Regel Settings oder Rollenspielsysteme, die von einer einzelnen oder maximal kleinen Gruppe entwickelt wurden. Teilweise über viele viele Jahre und mit viel Liebe zu Detail beschrieben und ausgearbeitet, wo jeder Nebencharakter, jede Kultur und jeder Ort ausgearbeitet ist.

Spielt ihr sowas gerne? (Als Nicht-Erfinder)
Seht ihr Vorteile oder Nachteile an solchen Herzenangelegenheiten?


Ich mach gleich mal den Anfang:

Heartbreaker sind für mich ganz tolle und ambitionierte Ideen. Ich finde toll, wenn jemand an einer Idee über 5 oder 10 oder 20 Jahren festhält, diese entwickelt und arbeitet. Leben in die kleinsten Details webt und so schon fast ein tolkiensches Gesamtwerk aufbaut - und ich habe in den letzten 30 Jahren Rollenspiel schon Werke gesehen, die den Umfang eines Herrn der Ringe locker übersteigen!

ABER: Spielen will ich das nicht! Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die gemeinsame Fiktion an solchen Ideen nicht funktioniert. Vorgefertigte Setting können im Konsens abgeändert werden oder lassen in der Regel ausreichend weiße Flecken, die man füllen kann. Ja, sicher ein Grey Hawk oder Plane Scape lässt das eher zu als ein Aventurien. Diese Heartbreaker-Settings machen das ungleich schwieriger, denn da ist jemand, der sozusagen die Gedankenhoheit hat. Vielleicht nicht fix formuliert, aber das ist eben sein Baby.

Und damit sind wir schon bei Problem Zwei, welches ich mit solchen Settings / Systemen habe: Kritikfähigkeit. Egal wie kritikfähig der Erfinder auch immer ist: Jede Kritik wird zwingend Persönlich. Wenn ich ein System wie Fate oder Contact doof finde, dann hat der SL eben eine nicht passende Wahl (für mich) getroffen. Wenn ich ein Setting wie Fragged Empire oder Paranoia nicht mag, gilt das gleiche. Wenn ich aber ein Heartbreaker nicht mag und äussere, dass ich das Setting oder ein System nicht mehr zeitgemäß oder unausgereift finde, dann kritisiere ich direkt die beteiligte Person. Egal, wie man das formuliert.

Das viele Setting-/Systemekombinationen sich nicht mehr an die aktuellen Trends anpassen kommt noch dazu.

Und zum Schluss: Ja, ich habe schon sehr gute Eigensettings gespielt, aber das waren eher grobe Vorgaben der Welt, interessante Pantheone und feudale Strukturen. Ich konnte aber immer sagen, hier und da greife ich ein und kann noch was an der Fiktion tun. Lange bevor ich wusste, was Fiktion und Player-Empowerment ist.

Offline Anro

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #1 am: 9.11.2017 | 08:53 »
Ich denke, dass es eher eine Form der Aufmachung ist, als der dahinter stehenden Personen. Das weltweit wohl beliebteste setting ist meines Wissens nach "forgotten realms" und es ist wohl bekannt, dass Ed greenwood dies als persönliches setting begann.
Der Unterschied ist eher in den Medien (Spiele, Bücher, Filme) die eine gewichte Vorstellung und ein Verständnis erschufen.

Ich denke, wenn ich mir ein neues setting von einer privatgruppe anschauen will, dann sollte genau das möglich sein. Critical role mit Matt mercer hat ein setting herausgebracht, was fast nur aus seiner Feder stammt. Das hat viel Hoffnung, weil viele ein Bild von dieser Welt durch die streams teilen.

Ich würde ehrlich gesagt heutzutage hoffen eine videoErklärung-playlist zu haben, um den Einstieg für alle "geeicht" zu haben, mit ähnlichen Erwartungen.

Sonst habe ich nichts gegen heartbreaker. Nur gegen Katzensäcke.


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Deep_Impact

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #2 am: 9.11.2017 | 09:01 »
Aber der Unterschied ist, dass weder Ed Greenwood noch Matt Mercer am Tisch sitzen.

Was ist ein Katzensack?

Offline Crimson King

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #3 am: 9.11.2017 | 09:04 »
Der Begriff "Heartbreaker" bezieht sich normalerweise auf Spielregeln, nicht auf Settings, und es ist ja gerade die Charakteristik eines Heartbreakers, dass er nur innerhalb der Gruppe funktioniert, die ihn entworfen hat. Insofern ist die Frage seltsam.

Was Settings angeht, so sind die meistgekauften in etwa so innovativ wie ein Faustkeil. Über lange Zeiträume entwickelte Eigenbau-Settings dürften da in vielen Fällen mithalten können. Mit den passenden Spielern mache ich da auch gerne mit. Ich habe auch schon auf selbstentwickelten Settings geleitet, wobei ich da aber auf eine gewisse Originalität Wert lege.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Anro

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #4 am: 9.11.2017 | 09:09 »
Aber der Unterschied ist, dass weder Ed Greenwood noch Matt Mercer am Tisch sitzen.

Was ist ein Katzensack?
Oh, dann habe ich dich wohl falsch verstanden. Du meintest "mit dem Erfinder/Macher zusammen spielen" nicht "ein System/Setting für die eigene Gruppe übernehmen. Habe ich falsch verstanden.

Katzensack... Da wollte ich lustig sein... So... Katze im Sack... Weil man sich ins setting einlesen muss und Energie reinsteckt, aber nicht wirklich weiß, ob es sich lohnt.

Dann brauch ich noch ne Erklärung. Ed und Matt sitzen immer hin mit ihren Gruppen am Tisch.

Oder wolltest du ein Stimmungsbild, wer in eigenen Welten spielt?


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Deep_Impact

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #5 am: 9.11.2017 | 09:22 »
Oder wolltest du ein Stimmungsbild, wer in eigenen Welten spielt?

Eigene Welten spielen wir alle, oder wie es bei Traveler heißt: Your own Universe. In dem Moment, wo deine Gruppe eine offizielle Welt bespielt unterscheidet sie sich von allen anderen Gruppen, die die gleiche Welt bespielen.

Mir geht es darum, wenn der SL (theoretisch auch ein Spieler) der Erfinder der bespielten, komplexen Welt ist. Und zwar eben nicht "Ich hab mich ins Setting eingelesen." oder "Ich habe die Idee ein zerbrochenen Welt mit fliegenden Inseln", sondern eher ein
"Ich arbeite jetzt seit 1984 an der Welt Inurias, mit ihren 326 Städten über 2.000 Einwohnern. Einem Feudalsystem, dass ich über acht Generationen beschrieben habe, einem Pantheon von 12 Haupt- und 144 Nebengöttern und einer DinA0 großen Kartem auf der jeder Fleck beschrieben ist. Das Ergebnis hat aber bislang nur 350 MB im txt-Format. Und in dem Moment wo ihr die Stadt betretet trefft ihr den Torwächter Calhavintas. Total interessant übrigens, seine Frau Uzthrile ist ja im Jahre 45 nach der großen Schlacht von...."
« Letzte Änderung: 9.11.2017 | 09:25 von Deep_Impact »

Offline Antariuk

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #6 am: 9.11.2017 | 09:41 »
Der Begriff "Heartbreaker" bezieht sich normalerweise auf Spielregeln, nicht auf Settings, und es ist ja gerade die Charakteristik eines Heartbreakers, dass er nur innerhalb der Gruppe funktioniert, die ihn entworfen hat. Insofern ist die Frage seltsam.

Genau das. Spielwelten, egal wie intensiv ausgearbeitet, sind einfach keine Heartbreaker. Nicht mal ein kleines bisschen.

Abgesehen davon teile ich die Meinung nicht dass man einen Heartbreaker nicht kritisieren kann ohne direkt persönlich zu werden, zumindest nicht wenn die Autoren ihr Werk freiwillig zum Bespielen für andere Leute hergegeben haben.
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Deep_Impact

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #7 am: 9.11.2017 | 09:43 »
Genau das. Spielwelten, egal wie intensiv ausgearbeitet, sind einfach keine Heartbreaker. Nicht mal ein kleines bisschen.

Ich kenne Heartbreaker als Herzensangelegenheit, will aber nicht ausschliessen, dass ich es falsch anwende.

Offline nobody@home

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #8 am: 9.11.2017 | 09:51 »
Eigene Welten spielen wir alle, oder wie es bei Traveler heißt: Your own Universe. In dem Moment, wo deine Gruppe eine offizielle Welt bespielt unterscheidet sie sich von allen anderen Gruppen, die die gleiche Welt bespielen.

Yep. Genau aus dem Grund will ich normalerweise keine superduperklitzekleindetailliert ausgearbeiteten Kanon-Hintergründe: wenn ich die Spieler und ihre Charaktere nicht ausdrücklich am Gängelband führen will, dann veraltet der "offizielle" Status Quo ab dem Moment, in dem sie auf die Spielwelt losgelassen werden, ohnehin mehr oder weniger schnell, aber stetig, und damit sind dann auch die ganzen liebevoll gestalteten Einzelheiten gerne mal schon für die Katz', bevor die SC überhaupt mit ihnen in Berührung kommen können. Dann schon lieber einen eher groben Umriß mit Platz zum Selbstausmalen nach Bedarf.

Beim "klassischen Heartbreaker" kommt nach meinem Verständnis meist noch als Alarmsignal dazu, daß der Verfasser an seinem Setting oder System schon jahrelang herumgedoktort hat, ohne dabei jemals zu Potte zu kommen. Und ich habe selbst genug Prokrastinationserfahrung, um aus derselben bestätigen zu können, daß das in Sachen Endqualität leider meist eher das Gegenteil einer Empfehlung ist... :P

Offline Antariuk

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #9 am: 9.11.2017 | 10:02 »
Der Begriff beschreibt ursprünglich Systeme, die "wie D&D, nur besser!" sein wollten. Natürlich gab und gibt es für solche Systeme auch oft eigene Settings, aber  innerhalb dieses Begriffs sind unreflektiert von D&D gehackte Spielmechaniken der Kern der Idee.

Hier und hier hat Ron Edwards zu Fantasy Heartbreakern geschrieben. Er identifiziert darin auch von vielen Heartbreakern geteilte Setting-Aspekte, z.B.:

Zitat
What's odd is that most Fantasy Heartbreakers take great pride in their world-settings: maps, elaborate histories, wars, borders, economies, cataclysms, wilderness areas, and more. I'd think that religion, as such a major feature of culture, would get a bit more intellectual consideration beyond "what must a cleric avoid doing in order to get his healing spells back" or when a character gets a minor bonus.

Oder

Zitat
Setting? No problem. Have map with evocative names, have history including two cataclysms, have off-the-cuff list of gods corresponding to one metagame-tweak apiece, have monsters, have two or three more "races" that players can't play - will travel. This is the kind of stuff I used to fill whole notebooks with instead of doing homework.

Viel tiefer als das geht es nicht. Und auch wenn man natürlich argumentieren kann dass die Heartbreaker-Idee, "es wie X zu machen, nur besser!" durchaus auch auf Spielwelten und Settings anwendbar ist, sollte man da mMn dennoch trennen weil die Art und Weise wie eine Settingbeschreibung und wie ein Regelsystem die jeweils angedachte Art zu Spielen fördern oder behindern, sehr verschieden ist.
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Deep_Impact

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #10 am: 9.11.2017 | 10:11 »
Oh, dann war das mehr eine Synchronizität. :) Nein, damit hat das nichts zu tun, aber danke für die Aufklärung. :)

Und ich habe selbst genug Prokrastinationserfahrung, ....

Den Begriff mag ich ja :) Ich glaube da bin auch jemand von. Kann mich an vieles erinnern, das ich angefangen, ausgearbeitet und zu 95% abgeschlossen habe. Dann kommt noch eine Idee oder schon die erste, zweite, dritte Erweiterung, aber die Basis schließt man nicht ab. Ich glaube, das liegt daran, dass man einen Schlußstrich ziehen müsste. Bis dahin hat man immer noch die Ausrede, dass man ja noch dran arbeitet und noch am Finetuning ist. Bei mir ist DS-X so ein Projekt gewesen. Mittlerweile habe ich das komplett abgehakt, freue mich aber immer wieder wenn mich Leute anschreiben, die das Setting mit Begeisterung bespielen. Das kommt zwar nur alle paar Monate vor, ist aber extrem cool. Das setzt aber natürlich voraus, dass man das auch veröffentlicht und sich so der Kritik stellt. Und wir reden hier von zwei Jahren und nicht von zwanzig.

Aber es ist so, wenn man eine Regel-Idee ausgearbeitet hat, neigt man dazu daran festzuhalten, auch wenn sich die Rollenspielwelt um einen herum verändert.

Offline Anro

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #11 am: 9.11.2017 | 10:21 »
Eigene Welten spielen wir alle, oder wie es bei Traveler heißt: Your own Universe. In dem Moment, wo deine Gruppe eine offizielle Welt bespielt unterscheidet sie sich von allen anderen Gruppen, die die gleiche Welt bespielen.

Mir geht es darum, wenn der SL (theoretisch auch ein Spieler) der Erfinder der bespielten, komplexen Welt ist. Und zwar eben nicht "Ich hab mich ins Setting eingelesen." oder "Ich habe die Idee ein zerbrochenen Welt mit fliegenden Inseln", sondern eher ein
"Ich arbeite jetzt seit 1984 an der Welt Inurias, mit ihren 326 Städten über 2.000 Einwohnern. Einem Feudalsystem, dass ich über acht Generationen beschrieben habe, einem Pantheon von 12 Haupt- und 144 Nebengöttern und einer DinA0 großen Kartem auf der jeder Fleck beschrieben ist. Das Ergebnis hat aber bislang nur 350 MB im txt-Format. Und in dem Moment wo ihr die Stadt betretet trefft ihr den Torwächter Calhavintas. Total interessant übrigens, seine Frau Uzthrile ist ja im Jahre 45 nach der großen Schlacht von...."

Ok, got it.

Wir müssen hier glaube ich noch klar stellen, dass wir ein (wie genau nennt man die Rollenspiele wie D&D und DSA im Vergleich zu Weltvariablen-Systemen wie Fate usw.?) "typisches" Rollenspielsystem als Grundlage nehmen. Sonst macht "vorbereitete Welt" ja auch keinen Sinn, aber man muss es ja dennoch explizit ausschließen, wie ich das hier kenne ;-)

Ich denke hier ist es sehr abhängig von der Person des Erschaffers, meinem Vertrauen in ihn und dem Thema der Welt.
Wahrscheinlich hätte ich meinen Spaß. Wenn der Macher mit humorvoller Kritik gut umgehen kann und nachgelieferte Kritik mag, dann ist das denke ich für mich sehr interessant eine Welt zu entdecken, die von der Person mir Gegenüber ausgedacht wurde.

Dann ist halt die Frage, ob Player empowerment komplett ausgehebelt ist, wir wirklichen Einfluss auf das Entwickeln der Welt haben (Charakter und/oder Spieler) und wie starr die Welt ist.

Ich bin aber sicher etwas beeinflusst, da wir in einer relativ ausformulierten Welt spielen, die von mir ist und ich trotz kritischem Nachfragen das Gefühl habe, dass meine Spieler sehr zufrieden sind damit.
Einige hätten gerne sogar mehr ausformuliert und eine festere Welt, andere genießen die (eingeschränkte) Freiheit.

Offline Antariuk

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #12 am: 9.11.2017 | 10:22 »
Um dann auch etwas konstruktives zu sagen: ich habe erst zweimal in einer Runde mitgespielt wo jemand eine extrem umfangreiche Welt in langwieriger Arbeit erschaffen hat, und die Erfahrungen waren sehr unterschiedlich.

Mich würde mal interessieren, was ihr so von klassischen Heartbreakern haltet.
Wenn man jetzt, wie das Eingangsposting, auch Settings da mit reinnimmt, halte ich prinzipiell eine Menge von Heartbreakern, zumindest wenn sie denn irgendwo auch ehrlich sind*. Ich bin selber begeisterter Tüftler und Weltenbauer und erfreue mich an dem Werk anderer, die ähnliche Vorlieben haben. Eine so private und dabei umfassende Vision zu spielen und in den Ideen einer anderen Person zu abzutauchen, das hat schon was. Schwierig wird es wenn die Dinge im Spiel dann zu Klein-Klein geraten, oder eben alter Wein ganz unreflektiert als geiler Scheiß verkauft wird. Die eigenen Hausrunden nehme ich da aber explizit raus, speziell wenn es langjährige Runden sind, weil dort gibt es Dynamiken die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind.

Spielt ihr sowas gerne? (Als Nicht-Erfinder)
Sagen wir es mal so: ich würde es tendenziell immer gerne spielen wollen. Ob das dann klappt, ist was anderes. Der Umfang ist natürlich ein Faktor, man ist ja, aus vielleicht noch zu identifizierenden Gründen, oft weniger bereit sich ein 150-Seiten PDF einer Privatperson durchzulesen als sich den neuesten Zusatzband für System X mit 240-Seiten reinzupfeifen. Mag unfair sein, ist aber leider wohl so. Falls es mir aber angemessen gut verkauft wird und die ersten 25 Seiten interessant genug sind um mich neugierig zu machen, dann gebe ich mir sowas gerne. Und hier hänge ich dann, zumindest was reales Spielen angeht, auch sehr am Erfinder und der Spielleitung - wer sich da mir gegenüber gut verkauft (was natürlich rein persönliche Wahrnehmung ist), dem folge ich gerne weiter in den Hasenbau.

Seht ihr Vorteile oder Nachteile an solchen Herzenangelegenheiten?
Der große Vorteil ist mMn dass die Spielleitung sehr souverän Antworten auf jegliche Sorte Fragen geben kann, egal wie umfangreich das Werk ist. Das beschleunigt den Spielfluss (zumindest an dieser Stelle) und schafft auch ein Gefühl von Sicherheiten am Tisch. Genauso können Dinge tendenziell einfacher geändert oder geregelt werden, ohne dass es Diskussionen um "den Kanon" oder dergleichen gibt, und evtl. wird ein Ruling später dann sogar offiziell weil der Autor das schnell ins PDF reinhackt.
Nachteile sind neben klischeehaften Geschichtskapiteln mit 43 Seiten voller Elfenkriege, die vor 25.000 Jahren die Welt geformt haben, mMn vor allem die Gefahr dass das vom Autor angepeilte Spielgefühl sich praktisch nicht am Spieltisch ergibt. Das kann daran liegen dass Setting und System aneinander vorbeigeschrieben sind (mMn der häufigste Grund, auch und vor allem unter den richtigen Verlagen*), oder dass das System die angepeilte Art zu Spielen nicht angemessen belohnt (das altbekannte Murderhobo-Problem).

* Symbaroum ist für mich so ein Fall. Sieht edgy und dark und neu aus, ist aber auch nur ein D&D Heartbreaker mit coolem Setting und maximal mittelbefriedigender Spielmechanik. Ich mag es trotzdem irgendwie, aber da hatte ich mir deutlich mehr versprochen.
« Letzte Änderung: 9.11.2017 | 10:24 von Antariuk »
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Offline Whisp

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #13 am: 9.11.2017 | 10:34 »
Hi
Ich habe sowohl als Autor so einige "Heartbreaker" erstellt und bespielt und durfte natürlich auch die Heartbreaker anderer erleben. 

Als Verfasser von Gammaslayers und seiner Welt habe ich mir einiges anhören "müssen" und man braucht schon ein "dickes Fell", um dann auch weiter zu machen (erfüllen einer "Vision") oder zu sagen: "so what, dann spiel halt nur ich mit meinem Leuten da". Bei GS ist und war das nicht der Fall, was mich schon freut und immer noch dran arbeiten lässt.
Trotz hoher Eigen- und Fremd-Ansprüche.
Für zwei drei andere Settings und Spielsysteme (z.b. Starlords) führte die teilweise sehr destruktive und nahezu bösartig-beleidigende Kritik aber zum Verlust jeglicher intrinsischen Motivation und damit zum Ende der Projekte und Tod der Spielwelten. Das war vor 10 Jahren so.

Reflexion, Kritikfähigkeit und die Fähigkeit Feedback zu geben UND zu nehmen sind da für mich seitdem (nicht nur im RPG) sehr wichtige Aspekte geworden und wollen erlernt und trainiert sein. Und das gehört für mich dazu, wenn man sein Setting und seine Welt "den Wölfen zum Fraß vorwirft" (immer mit der Frage: warum ich das tue)

How ever. Ich denke, dass eigene Settings einfach immer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und der Übersteuerung einzelner Persönlichkeitsaspekte sind. Wenn man das weiß, kann man und muss man die Kritik auch anders nehmen und häufig kriegt man dadurch auch neue Einblicke und Ideen für das eigene Setting. 

Flieht, Ihr Narren!

Offline Boba Fett

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #14 am: 9.11.2017 | 10:57 »
Ich finde, Heartbreaker stehen und fallen mit dem, der sie macht. (das gilt für Regeln und Welt)

Das geht bei Kritikfähigkeit los, hört bei "zeitgemäß" auf.
Ich kenne einige Spielleiter und von denen basteln auch ein paar an ihren eigenen Heartbreaker-Systemen, die sind rollenspielerisch Anfang der 90er stehengeblieben und spielen so wie (ich) damals
und erwarten auch, dass andere noch diese Vorstellungen vom Spiel haben. Und von denen sind viele eben auch nicht kritikfähig, weil sie die "ist nicht meines, weil..." gleich als Angriff auf ihre Person empfinden.
("Wie kannst Du etwas doof finden, was ich geschaffen habe und toll finde")
Ich kenne aber auch einige Systembastler, die mit der Zeit gegangen sind und eben das auch viel lockerer empfinden.

Ein großes Plus, was ich beim Heartbreaker empfinde, ist die Motivation, die der SpL mitbringt (der ja meistens auch der Autor ist).
Ein zweites ist die Settingkenntnis, die der Spielleiter hat, weil er ja alles im Kopf hat(te), das geschaffen wurde.

Nachteile:
- oft altbacken und eben nicht mehr zeitgemäß,
(weil ich mich, im Gegensatz zu demjenigen, der in den 90ern sein System zu schrauben anfing, fortentwickelt habe (kann sein, muss nicht)).
- schwer Vermittelbar,
(weil es eben kein Regelwerk und keinen Weltenband gibt, den ich kaufen kann. oft gibt es ja nur ein Regelwerkexemplar und nicht selten sind die meisten Informationen im Kopf des SpL.
Deswegen fühlt man sich dann oft unsicher, weil man das Setting nicht einschätzen kann)
- Deutungshoheit liegt bei einem einzelnen.
Wenn ich den Autor als Spielleiter am Tisch sitzen habe, dann kann ich nur Vorschläge bereiten - die können aber (je nach GruppenKonsens) von einer Instanz (dem Autor) abgeschmettert werden.
"Wäre es nicht cool wenn Mordor eine Insel wäre?" - "Vielleicht, ist aber nicht so!" - Ende der Debatte.
Bei einem Kaufsetting kann ich mir genau so viel Hintergrundswissen aneignen, wie der Spielleiter besitzt (ob die Kenntnis der ganzen Spoiler Sinn macht, lasse ich mal beiseite).
Hypotetisch kann ich dann sagen "auf Seite 78 steht aber, das es in Avalon keine Katzen gibt!" und das ist nachprüfbar.
Ich kann auch genausogut über Interpretationen streiten, weil ich als Konsument der Quellen mit dem Spielleiter erst mal gleichberechtigt bin. Die Debatte mit dem Schöpfer des Ganzen ist aber ziemlich witzlos. Der sagt mir dann, wie das gedacht war und fertig. Ob mir das gefällt oder nicht. Die Schaffung eines GruppenKonsens verlagert sich noch mehr gewichtet zum SpL-Pol.

Im übrigen kann ich auch sehr gut ein verschrobenes altes System spielen, auch ein Selfmade, und dann den Nostalgie-Genuss als Spielvergnügen nehmen.
(hab mir gerade das GRW von Sternengarde gekauft...)
« Letzte Änderung: 9.11.2017 | 11:50 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline BananaJoe

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #15 am: 9.11.2017 | 15:54 »
Mach dein Ding
Steh dazu
Heul nicht rum wenn andere lachen
("Punk ist", die Ärzte)

So sollte jeder an sein eigenes setting rangehen so werde ich es in meinem tun, sobald ich damit anfange. Dass andere einen scheisse finden sollte nie demotivieren. Man kann und Soll Kritik auch ignorieren.
"Ein kleines Omelett"
 "Mit einem oder zwei Eiern ?"
"Mit zwanzig!!"

Swafnir

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #16 am: 9.11.2017 | 16:08 »
Ist der Unterschied zwischen Heartbreaker und einem "angesehenen System" nicht letztlich nur der Erfolg?

Ich find Heartbreaker grundsätzlich gut. Ich mag die Vielfalt und so kommen eben auch mal kauzige Systeme auf den Markt.

Online Maarzan

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #17 am: 9.11.2017 | 17:11 »
Das es so viele Heartbreaker gibt, sagt meines Erachtens viel über Qualität der "porofessionellen" Konkurrenz.

Ja, das meiste Selbstgebraute hat ein paar bis einige Probleme und anderes ist glatter Mist, aber das wird auf offiziellen Schienen auch nicht wirklich besser - nur schöner verpackt.

Vor allem sehe ich Selberbauen am Herz der Kreativität, die unser Hobby ausmacht. In dem Sinne habe ich jede Menge Respekt für Leute, die sich daran versuchen, auch wenn es vielleicht am Ande nicht der große Wurf wird - vor allem, wenn da tatsächlich Detailliebe reingesteckt wurde und nicht nur nach einer "coolen Idee" das Ganze als Knochen hingeworfen wird.

Im Settingbereich würde ich das gar quasi als Standardmesslatte ansehen.

Keinen Respekt habe ich für Leute, die ihre Unfähigkeit zur konstruktiven Kritik hinter Floskeln wie "nicht zeitgemäß" verbergen müssen. Es legt für mich den Verdacht nahe, das sie nicht in der Lage oder Willens waren Kritik auf Basis des Spieldesigns selber zu üben.

Womit wir bei dem Problem der Rezeption aus meiner Sicht sind: Der Autor des Heartbreakers ist greifbar und damit auch der weit verbreitete Drang den nützlichen Deppen dazu bringen zu wollen das Spiel so zu schreiben, was man es selbst gerne hätte, aber nie in Angriff genommen hat - egal was der Autor sich eigentlich als Spiel-/designziel vorgenommen hat.

Und damit läuft das dann auf Kritik/Änderungswünsche auf Geschmacksbasis hinaus- was dann aus rhetorischer Zweckmäßigkeit dann eben hinter "unmodern" etc. versteckt werden muss.

Im Übrigen ist die Detailierung der Hintergrundwelt unabhängig von der Railroadinggefahr. Was zählt, íst wie ab Start des Spiels mit den Details in Reaktion auf Spielerhandlung umgegangen wird. Was schient ist ein Metaplot aka : und so geht es dann weiter.

Was im Spielbereich dann tatsächlich bremst ist oft die uneingängliche Aufarbeitung/Zugänglichkeit der Informationen oder gar das Nadelör Spielleiter, wenn es um Zugang zu den Informationen geht. Aber spätestens wenn nicht alle die Hintergrundwerke alle gelesen haben (oder die genauso konfus und verteilt sind) , ist es bei einem formellen Spiel auch wieder nicht besser.

Nebenbei: der kulturelle Zyklus ist : Innovation, Evolution und Degeneration. Wer in den 90ern nicht gebremst hat, ist also quasi übern Berg ... .  >;D

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

trendyhanky

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #18 am: 9.11.2017 | 18:09 »
Ich selbst bin als SL ja eher der Toolbox-Typ

Ich spiele nie NUR in einem vorgegebenen Setting sondern immer in einem Mashup (siehe anderer Thread). Weil die wenigsten komplex ausgearbeiteten Settings meinen Geschmack treffen, und ehe ich mich durch hunderte Seiten Setting lese, bastele ich lieber was "Brauchbares" aus verschiedenen Settings, also zum Spielen geeignet und nicht zum Schmökern

Was ist zB mit Eberron von Keith Baker? Das war ursprünglich ja auch so ein Heartbreaker-Ding (mal angenommen der Begriff steht auch für Settings), wurde dann aber aufbereitet für die  kommerzielle Masse. Jahrelang und auch heute noch ist Keith Baker trotzdem noch das Mastermind hinter dem Setting und das Sprachrohr. Ist es immer noch ein Heartbreaker-Setting?

Bzgl Kritik usw fällt mir spontan und aktuell auf, wie empfindlich Leute bei ihrem Heartbreaker sind.
Nehmen wir den Weltenbau-Thread, wo ich allgemein beschrieben habe, dass ja Weltenbau im Grunde reines Mashup ist (bewusst & unbewusst).

Interessanterweise haben sich einige User, die selbst Settings bauen, durch diese allgemeine These auf den Schlips getreten gefühlt und etwas unwirsch reagiert.
Das zeigt, dass ihnen ihr Setting so viel am Herzen liegt dass sie es partout nicht mit dem Mashup-Argument konfrontiert sehen möchten


Offline Der Nârr

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #19 am: 9.11.2017 | 19:04 »
Mich würde mal interessieren, was ihr so von klassischen Heartbreakern haltet. So in der Regel Settings oder Rollenspielsysteme, die von einer einzelnen oder maximal kleinen Gruppe entwickelt wurden. Teilweise über viele viele Jahre und mit viel Liebe zu Detail beschrieben und ausgearbeitet, wo jeder Nebencharakter, jede Kultur und jeder Ort ausgearbeitet ist.

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Ich habe in einer zweijährigen Kampagne eines Heartbreakers (Setting + Regelwerk) mitgespielt. Das war ein langer Betatest, wir haben in der Zeit die Regeln immer wieder umgestellt. Der SL hat gerade heute gesagt, dass sein Settingband nun fertig ist, das Regelwerk braucht wohl noch ein bisschen (Überarbeitungen, Korrekturen, Layout usw.). Vor über einem Jahr wurde die Kampagne beendet, ca. 1 Jahr spielen wir nun mit anderen Regeln in demselben Setting, allerdings leite ich da und muss daher das Setting in dieser anderen Region weitgehend selbständig fortentwickeln (in der Kampagne des Autors kam das meiste halt vom Autor).

In einer kurzen Online-Runde, eigentlich mehr ein Few-Shot, habe ich ein eigenes Setting mit einem fertigen Regelwerk gespielleitet.

Gelegentlich habe ich in Testrunden für andere Heartbreaker mitgemacht, bei uns gibt es mehrere Spieler, die eigene Regeln schreiben oder Settings entwickeln. Dabei ist es skurrilerweise einfacher, für Regelwerke Testspieler zu finden als für Settings.

Von der Spielqualität her sehe ich keinen Unterschied in Heartbreakern oder fremden Spielen. Unsere zweijährige Betatest-Kampagne war manchmal anstrengend durch die Regeldiskussionen, aber die Kampagne war ja auch eine ganz normale Rollenspielkampagne die eine Menge Spaß gemacht hat.

Das Problem mit der "Gedankenhoheit" hatten wir nicht. Der Autor gilt zwar als "Experte" und wird gerne befragt, aber wenn der etwas nicht weiß oder noch nicht hat wird eben selber gemacht oder einfach so etwas selber beigesteuert. Was er tatsächlich dann in sein Settingbuch aufnimmt oder welche Regeldiskussion zu einer Änderung der Regeln führt steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Ferner war es zumindest bei der 2-Jahres-Kampagne so, dass das natürlich nur Leute mitgespielt haben, die sich auch dafür interessiert haben. Generalurteile á la "das ist doof" gab es daher nicht. In meinem Few-Shot war es eher so, dass ich gezielt Spieler angesprochen hatte, mit denen ich gerne spielen wollte.

Der für mich größte Nachteil ist, dass ich kein Settingbuch habe, wo ich mich einfach mal einlesen kann. Gerade in der jetzigen Kampagne die ich leite stört mich das ein wenig. Die Arbeit, die ich in die Entwicklung des Settings stecke, würde ich lieber in mein eigenes Setting stecken. Daher werde ich vermutlich nicht mehr in so einem "fremden" Setting leiten, für mich ist das einfach eine Frage der Arbeitsökonomie. Ich habe gerne schon ein Setting, auf dem ich mein Kampagnensetting dann aufbauen kann und mir nur noch um die Kampagnendetails Gedanken machen muss, aber nicht mehr um Grundlagen wie "welche Volksgruppen gibt es hier", "wie sahen die letzten 1000 Jahre Geschichte aus" oder "welche Tiere und Monster leben in diesem Land".
Aber auch als Spieler stört es mich, nicht tiefer in das Setting durch einen Quellenband eintauchen zu können. Aber so war das bei uns in der Runde. Es gibt ja auch Heartbreaker-Autoren, die ihren Spielern von Anfang ein Quellenbuch zur Verfügung stellen können.

In meinem eigenen Setting ist das natürlich anders, das schreibe ich ja, weil ich Spaß dran habe und da ein Setting meinem SL-Stil auf den Leib schneidern kann. Ich bin auch davon überzeugt, dass ich in meinem Setting der bestmögliche SL bin (also auf mich bezogen: ich leite mein eigenes Setting besser als andere Settings, nicht dass ich besser bin als andere SL). Mir fällt das Improvisieren leichter, ich fühle mich zu 100% sicher, ich weiß an den Stellen, wo es mir wichtig ist, genau, wie die Welt funktioniert. (In fremden Settings bekomme ich die Informationen, die jemand anderem wichtig waren - was nicht unbedingt die Infos sind, die ich brauche.) Dies ist für mich der größte Vorteil, einen Heartbreaker selber zu machen.

So, nachdem das gesagt ist. Ich weiß nicht genau, was der Unterschied zwischen einem Heartbreaker und einem Indie-Spiel etc. ist. Es gibt ja auch Definitionen, bei denen Heartbreaker immer negativ konnotiert ist bzw. im Begriff enthalten sein soll, dass da nur ein anderes System kopiert wurde (ah, noch ein D&D-Heartbreaker, schon wieder ein DSA-Heartbreaker etc.). Ich habe hier Heartbreaker jetzt schlicht als "Regelwerk, Setting oder Spiel, das in eurer Spielerschaft/Runde geschrieben wurde" verstanden.
Spielt aktuell Deadlands reloaded
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Swafnir

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #20 am: 9.11.2017 | 19:49 »
Ich find es schwer "Heartbreaker" überhaupt zu definieren. Ein Stück weit ist das ja auch negativ belegt. Gammaslayers hätte ich jetzt zum Beispiel nie als "Heartbreaker" bezeichnet.

Offline tartex

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #21 am: 9.11.2017 | 20:10 »
Ich habe ziemlich lange den Tanelorn-Hexcrawl mit meinem eigene DSA1/OSR-Regelverschnitt geleitet. Die Spieler waren zum Großteil Rollenspiel-Neulinge. Ich weiß gar nicht, ob denen bewußt war, dass man D&D normalerweise anders spielt.

Ich habe die Regeln auch immer wieder umgebaut.

Vom Setting ist das jetzt kein so großer Unterschied, den wenn man nicht gerade Aventurien bespielt (habe keine Erfahrung mit Forgotten Realms oder anderen Schwergewichten), dann muss man ja ohnehin die Gegenden selbst ausgestalten. Egal ob Hexcrawl, Rifts-Europa, Rul von Shadow of the Demon Lord, Synnibarr, Vornheim und - ja - selbst Aventurien.

Das Detaillevel des konkreten Spiels ist ja überall selbst auszugestelten, wenn man nicht auf Kaufabenteuer zurückgreift. (Was ich eigentlich so gut wie nie mache - bis auf wenige DSA-Ausnahmen.)

Bei anderen Spielleitern wurde ich nie mit eigenen Regelwerken konfrontiert. Und selbstgestaltete Welten spiele ich gerne, weil man da evtl. selbst was einbauen kann. Besonders der Weltenbau bei Dungeonworld macht mir viel Spass. :)
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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #22 am: 10.11.2017 | 00:32 »
Mir geht es darum, wenn der SL (theoretisch auch ein Spieler) der Erfinder der bespielten, komplexen Welt ist.
Ich habe das Engel-Arkana-Setting mal beim Erfinder gespielt. Und ich habe das Engel-Arkana-Setting als Kampagne in meiner eigenen Runde gespielt. - Das Spielgefühl war schon ein deutlich anderes. Schwer zu sagen, was mir mehr Spaß gemacht hat. Beides war auf seine eigene Art interessant.

Generell kann ich bei Indie-Spielen nur empfehlen, das auf einer Promo-Runde mal beim Designer selbst zu spielen. Auch wenn das keine Kampagne, sondern nur ein OneShot ist, hilft es einem dabei, das Setting und wie es gedacht ist, besser zu verstehen.

Offline Mann mit Ukulele

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #23 am: 10.11.2017 | 00:57 »
Ich stelle immer wieder fest, dass ich vorgefertigte Settings eigentlich nicht mag.
Da ist mir viel zu viel vorgegeben, was sich dann mit eigenen Ideen beißt.
Wenn es sehr skizzenhafte Settings sind, bin ich schon eher dabei, da ist eben auch mehr Spielraum.

Insofern lautet meine Antwort auf die Eingangsfrage: Ja, ich spiele sie gern, v.a. wenn es meine eigenen sind oder ich von Anfang an bei einem neuen mitspielen kann.
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Offline YY

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Re: Heartbreaker - Eigen-Systeme/-Settings spielen
« Antwort #24 am: 10.11.2017 | 01:01 »
Mir geht es darum, wenn der SL (theoretisch auch ein Spieler) der Erfinder der bespielten, komplexen Welt ist.

Um dieses "theoretisch" mal aufzugreifen:
In dem Moment, wo sich der Erfinder/Autor tatsächlich als Spieler dazu setzen und einen anderen als SL machen lassen kann, haben sich viele der zu erwartenden Probleme wahrscheinlich erledigt.

Und zwar eben nicht "Ich hab mich ins Setting eingelesen." oder "Ich habe die Idee ein zerbrochenen Welt mit fliegenden Inseln", sondern eher ein
"Ich arbeite jetzt seit 1984 an der Welt Inurias, mit ihren 326 Städten über 2.000 Einwohnern. Einem Feudalsystem, dass ich über acht Generationen beschrieben habe, einem Pantheon von 12 Haupt- und 144 Nebengöttern und einer DinA0 großen Kartem auf der jeder Fleck beschrieben ist. Das Ergebnis hat aber bislang nur 350 MB im txt-Format. Und in dem Moment wo ihr die Stadt betretet trefft ihr den Torwächter Calhavintas. Total interessant übrigens, seine Frau Uzthrile ist ja im Jahre 45 nach der großen Schlacht von...."

Damit kann ich auch bei offiziellen Settings nichts anfangen - wenn es nicht mal im weitesten Sinne spielrelevant ist, interessiert es mich auch zunächst nicht.
Das gilt dann genau so für das selbstgeschriebene Setting.

Aus dem Bauch raus ist bei Eigenbauten mit dem Autor als SL der "Das muss man doch wissen"-Faktor/-Anspruch etwas höher.
Ich spiele aber auch keines von den ultrahochverdichteten offiziellen Settings in einer sehr kanontreuen und -bedachten Gruppe, von daher mag das eine Fehlwahrnehmung sein.


Jedenfalls reicht es mir als Spieler allemal, mir ein Setting nach und nach zu erschließen und hier und da mal reinzulesen. Ob das dann on the fly gebaut wird oder vor 30 Jahren einer im Keller damit angefangen hat, ist mir erst mal egal.
Aber es baut eben keiner seit 30 Jahren an seinem eleganten, minimalistischen Baukasten zur prozeduralen Welterschaffung, sondern immer nur an ganz konkreten Settings und da besteht für mich als Spieler erst mal keinerlei Mehrwert.
Ich brauche ja gar kein enorm detailliertes Setting, sondern nur ein unmittelbares Spielumfeld.

Diese Haltung ist wohl auch einer der Gründe, warum es mich selbst nie gereizt hat, so was zu erstellen.


Rein aus der Praxis kenne ich mehrere Beispiele, in denen das Setting an sich keine Rolle spielte und nur das...Sendungsbewusstsein des jeweiligen Autors emotionale Widerstände produzierte.
Die Gefahr besteht bei so was natürlich sehr leicht, aber das hat wie gesagt eigentlich nichts mit dem Detailgrad des Settings zu tun.

Das viele Setting-/Systemekombinationen sich nicht mehr an die aktuellen Trends anpassen kommt noch dazu.

Es mag nur ein Kritteln an Begrifflichkeiten sein, aber aktuelle Trends* spielen da für mich keine große Rolle.
Nur ist es recht oft so, dass diese Systeme und Settings von Anfang an nicht sonderlich gelungen waren.


*Wenn sich natürlich - leicht überspitzt - jemand anno 1985 nach jeweils zwei Sitzungen Midgard und DSA1 im Keller eingeschlossen hat, um das beste Rollenspiel aller Zeiten zu schreiben und heute wieder auftaucht, hat er gewisse Entwicklungen nicht auf dem Schirm.
Aber da würde ich schon deutlich unterscheiden wollen, was "nur" aktuelle Trends sind und was relativ zeitlose best practices zumindest für den angepeilten Spielstil.
Und in dem zeitlos steckt es wieder drin: Wenn das fehlt, hat es wahrscheinlich von Anfang an gefehlt.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer