Verstehe ich völlig.
Gut fand ich das mit dem Turm am Anfang und später den Dammbruch, dazwischen kam bei mir auch
keine rechte Stimmung auf - vielleicht wäre ein Kasten kaltes Bier da hilfreich gewesen. Zwar sehe ich
das redliche Bemühen der Macher, aber es ist, glaube ich, gerade dieser klassische Serienansatz, der in
Mittelerde nicht so richtig funktioniert. Der Plot um die Hobbits greift da noch am besten.
Ich sehe das nicht so. Das hat mit dem "klassischen Serienansatz" nichts zu tun.
Was das Hauptproblem an "Ringe der Macht" ist, zumindest von meiner Wahrnehmung aus:
Die Serie hat ein massives Problem damit, Kontinuität zu etablieren!Galadriel? Ist zwar etwas trocken, kann aber funktionieren.
Die Hobbits? Ein wenig weit ab vom Schuss, kann aber funktionieren.
Das Dorf? Ein wenig lost, kann aber funktionieren.
Was da nicht funktioniert, ist, dass so viel off-screen passiert und von den Zuschauer:innen erwartet wird, das die das irgendwie schlucken... irgendwie im Kopf beifügen.
Damit meine ich nicht, dass Arondirs Genealogie bis ins kleinste Pigment während der Laufzeit auserzählt wird. Das braucht keine weitere "Erklärung". Mehr sage ich dazu nicht.
Wir sind in Folge 6 und es gibt zwischen den Szenen massive Zeitsprünge... obwohl massig Laufzeit dagewesen wäre, um alles zu erklären. Zu zeigen, was wirklich los ist. Das mit den "Southlands" (ein Name, den ich für furchtbar langweilig halte, wenn man bedenkt, dass man dem Land einen klingenden elbischen Namen hätte geben können) ist das beste Beispiel: Die wollen einen Krieg erzählen, erzählen aber eigentlich nur ein Scharmützel. Ein Scharmützel für das ein mächtiges Menschenreich um die halbe Welt segelt. Und warum? Weil nicht etabliert wird, wie hoch die Latte wirklich liegt.
Ich meine, man hätte ja im Grunde schon in Episode 1 und 2 Familien zeigen können, die vor den Orks fliehen und in Osgirith ankommen. Dann zeigt man noch ein bisschen öfter, wie Orks Dörfer überfallen. Man spart sich diese Szenen mit den Buddelsklaven in Adas Erdlöchern. Oder noch besser: Man bettet sie ein. Arondir hätte gefangen genommen werden können, indem er auskundschaftet, wie viele Dörfer die Orks schon überfallen haben. Die Serie muss uns zeigen, dass hier ein ganzes Land bedroht ist und nicht nur ein Dorf. Damit die "Helms Klamm"-Vibes, die uns die Serie fühlen lassen will, aufkommen, müssen die Zuschauer:innen sehen, wie Dinge passiert sind. Oder zumindest mit Bildersprache andeuten, dass Dinge passiert sind. Heck sogar in Numenor hätten schon Geflohene aus den Südlanden sein können. Immerhin hat Galadriel Halbrand so ja kennen gelernt (obwohl, da Halbrand offensichtlich Sauron ist, muss das nicht so sein.)
Die Zuschauer:innen müssen auch sehen, wie die Numenorer in Mittelerde ankommen.
Sie müssen auch sehen, dass einige der Menschen von Ada mit Eisenmasken ausgestattet werden.
Sie müssen auch sehen, wie der Kollaborateur-Mensch sich befreien kann und den Schlüssel benutzt.
Die Serie vernachlässigt eine der wichtigsten Regeln des Screenwritings auf eklatante Weise:
Show, don't tell! Man muss zumindest visuell andeuten, dass Gegenstände, Personen, Situationen später einmal wichtig werden und Hinweise darauf streuen, dass sie das werden. Und das gerne auch unsubtil genug, dass man das als Zuschauer:in auch mitbekommt. Und darin versagt "Ringe der Macht" auf ganzer Linie.
Ich weiß noch, wann mir das zum ersten Mal so richtig auffiel: Beim Besuch Elronds in Durins Wohnhöhle. Wo Durin die Nachricht erhält, dass Zwerge beim Schürfen nach Mithril im Berg verschüttet wurden. Ich habe mir da gedacht: Zwerge, die aus einem eingestürzten Minenschacht gerettet werden müssen? Was für ein cooles Setpiece, um Character Building zu betreiben. Hier können wir zeigen, was Durin für ein Anführer ist, was Elrond für seinen Freund zu tun bereit ist.
Und was kriegen wir: Eine Szene in der Zwerge in einem Raum stehen und singen. Was eine coole Sache wäre, wenn, ja wenn nur
die Folge dieser Handlung auch tatsächlich gezeigt würde! Wenn wir wirklich sehen würden, wie der Berg aufspringt und die Zwerge freigibt. Wenn wir wirklich eine Rettungsmission hätten, in der das Besingen des Steins einen Anteil hat. Aber in der eben auch geschwächte Zwerge aus den Schächten gezogen werden.
Aber das passiert alles off-screen. Und das ist
das Problem der "Ringe der Macht": Relevante Dinge passieren, ohne eigene Szenen zur Einordnung zu erhalten. Der Zuschauer soll sie dazudichten. Aber die Zeit, die da ist, wird für nichts Relevantes genutzt, sondern für leere Tropen (wie oft allein jemand in der 6. Folge jemand vor dem Tod gerettet wird, weil ein Verbündeter von hinten den Ork ersticht... das kann man 1x machen. Aber nicht mehrfach. Dann wird es zum Klischee. Und ruiniert dann nebenbei auch noch im Falle von Arondirs Kampf mit dem Ork ein zuvor visuell sehr ausdrucksstarkes tête-á-tête.). Oder, noch schlimmer, die Serie nutzt die Zeit für leere Anspielungen. Anfangs fand ich die Referenzen zur Jackson-Trilogie wirklich charmant. Aber in Folge 6 waren so viele davon drin, dass ich sie nicht mehr sehen mochte. Sie häufen sich und lassen die Zuschauer:innen mit der Frage zurück, ob die Serie nicht auf ihr eigenes Writing vertraut.
Und diese ganze "Orks sind auch Leute"-Sache mit Ada hätte ich wirklich gar nicht erst aufgemacht. Diese Komplexitätsebene in Mittelerde reinzubringen, ist völlig problematisch... weil man damit die Figur Galadriel dazu zwingt, sich wirklich wie eine Rassistin zu verhalten. Beim "Herrn der Ringe" geht das aber eben nicht: Die Orks sind nun einmal das Böse. That's kind of the point. Aber mit Ada machen sie da ein Fass auf, das sie nicht wieder zu kriegen.
Und das ist alles deshalb für mich frustrierend, weil die Serie auch gute Ideen hat. Weil die Chemie zwischen Durin und Elrond stimmt. Weil einige der Verbeugungen vor Jackson eben gut funktionieren. Weil Numenor gut getroffen ist. Und weil die Harfüße in etwa so sind, wie man sich die nomadischen Vorfahren von Auenland-Hobbits vorstellen kann... als die netten Wichtel, die mal in englischen Gärten und Wachholderbüschen herumspuken und mal nicht.
Ich glaube ja tatsächlich, dass die teuerste Serie, die Amazon bisher gemacht hat, tatsächlich massiv spart. Überall sehe ich, wie sie spart. Dabei bräuchte es gar nicht viel. Es bräuchte nur ein paar Szenen, die man vor regulären Setbauten miteinander dreht und die Kontext liefern. Getragen von den Charakteren. Mehr wäre nicht nötig. Ich würde mal gerne in den Writer's Room schauen... irgendwie habe ich das Gefühl, dass da die Producer-/Showrunner-Ebene vielleicht mehr das Problem ist als die Writer selbst. Kann aber sein, dass ich nur aus Sympathie einen Berufsstand in Schutz nehmen will.