#27
Nathaniel Philbrick - Valiant Ambition - George Washington, Benedict Arnold, and the Fate of the American Revolution(aus der POPSUGAR-Challenge: A True Crime)
Zugegeben, diese Einordnung ist vielleicht nicht im klassischen Sinne sauber, weil man sich eher aufgeklärte oder - meist für viele noch spannender - unaufgeklärte Mordfälle vorstellt, die rekonstruiert oder aufgerollt werden. Kein Truman Capote hier. Aber die Definition der True Crime-Literatur sagt auch, dass es um wahre und möglichst große Verbrechen gehen soll. Und welches Verbrechen könnte größer sein als der Hochverrat, hier verbunden mit dem Versuch, eine Revolution, dessen Held man auf dem Schlachtfeld gewesen ist, an seinen Kriegsgegner zu verraten?
Dieses Buch beschäftigt sich nicht mit dem kompletten amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und als kleines Manko kann vielleicht vorangestellt werden, dass Mr. Philbrick einfach davon ausgeht, dass jemand, der in dieses Thema einsteigen will, grundsätzlich eine Ahnung von der Revolution hat, denn er macht sich keine Mühe das Vorgeplänkel, die Unabhängigkeitserklärung und die großen Fakten tiefergehend zu beleuchten oder gar den Hintergrund zu erklären. Wer dieses Buch liest, tut also gut daran, sich vorher zumindest einen sehr groben Überblick über die Vorkommnisse zu verschaffen.
Dieses Buch beschäftigt sich mit dem Verrat Benedict Arnolds an der Revolution, aber die Rolle Arnolds erscheint - oder erschien - der Forschung doch klar, warum das Ganze nochmal hinterfragen? Philbrick übernimmt keine bloße Verteidigung Arnolds und versucht ihn reinzuwaschen. Die Faktenlage ist zu klar, dass er schuldig daran geworden ist. Was er tut ist, er gibt dem Verräter ein menschliches Gesicht und macht seine Tat vor dem historischen Hintergrund nachvollziehbar. Ohne dabei zu werten, fasst er die entscheidenden Schritte zusammen, die Arnold zu seinem Verhalten gebracht haben können, also Abfolge und Steigerung.
Es betrachtet Arnold allerdings nicht isoliert, denn er legt zur selben Zeit die Entwicklung George Washingtons daneben, und erklärt auch dessen Entscheidungen und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen und freilich auch die Schnittpunkte beider Herren.
Grundsätzlich erkennt Mr. Philbrick eine gewisse, charakterliche Ähnlichkeit in Arnold und Washington zu Beginn ihrer Karrieren. Beide neigen zu aggressiven Vorgehen auf dem Schlachtfeld, sind bisweilen übermütig, aber auch mutig. Jetzt bricht der Autor von hier an aus und betrachtet ihrer Entwicklung, wie beide zu Helden werden und wie schließlich der eine auch noch zur Legende im positiven Sinne wird, während der andere fällt.
Die Erklärungen Philbricks sind menschlich, angemessen, suchen ihr Heil in der Analyse der Persönlichkeit und den daraus entstehenden Taten und Konsequenzen, was das Werk sehr nachvollziehbar macht. Der Autor hat ein Gespür dafür und misst immer wieder die Menschen aneinander ab, also auch die zwischendrin immer wieder auftauchenden Briten und Amerikaner auf beiden Seiten (leider nicht immer: es wird klar im Werk, dass Philbrick bspw. einen der Gründerväter - John Adams - sehr kritisch sieht. Wir erfahren in diesem Werk aber nicht wirklich, warum dem so ist.)
Er vergisst dabei aber auch nicht, die neu entstehenden und althergebrachten Strukturen zu beleuchten, kommt aber immer wieder zu dem Schluss, dass es letztlich die menschlichen Entscheidungen (auch innerhalb der Strukturen) sind, welche zu diesen folgenschweren Entscheidungen führen.
Das Werk kommt etwas langsam in Gang, aber sobald es in Gang ist, schreibt Philbrick gefällig, gegen Ende sogar spannend. Er will nicht überfordern mit seinem Schreibstil, bleibt nahe am Thema, vertieft die jeweiligen Szenen nicht zu sehr. Für Militärhistoriker, trotz der Versuche das Vorgehen zu beschreiben, ist dieses Werk nichts, weil es zu oberflächlich bleibt.
Wen aber interessiert, wie Menschen sich in der Krise entwickeln und das anhand zweier Beispiele anschaulich erläutert haben möchte, kann ich dieses Buch empfehlen.
8 von 10 Punkten.