Autor Thema: Die X-Card und andere Sicherheitstechniken fürs Rollenspiel  (Gelesen 29648 mal)

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Ucalegon

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Weil es im Thread zu Anti-Harassment Policies auf Conventions auch um die X-Card und ähnliche Techniken ging, hier ein Thread dazu.

Zum Start:
Welche Sicherheitstechniken kennt ihr/verwendet ihr wann und wo und warum?
Erfahrungen?
Missbrauch der X-Card o.Ä.?
Vor-/Nachteile?
Welche Rollenspiele verweisen explizit auf die X-Card o.Ä.?

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Links:

X-Card by John Stavropoulos
Zitat
The X-Card is an optional tool (created by John Stavropoulos) that allows anyone in your game (including you) to edit out any content anyone is uncomfortable with as you play. Since most RPGs are improvisational and we won't know what will happen till it happens, it's possible the game will go in a direction people don't want. An X-Card is a simple tool to fix problems as they arise.

...weitere Links folgen bei Gelegenheit. Wenn ihr gute habt (zu Kommentaren, Techniken, Diskussionen, Actual Play et cetera), immer her damit!
« Letzte Änderung: 6.01.2018 | 12:37 von Ucalegon »

Offline Maarzan

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Ich habe ein Problem mit dem meinem Empfinden nach inkludierten Automatismus.

3. “If anything in the game makes anyone uncomfortable…”

I switch from saying “you” to “anyone” and “we” below to reinforce it’s about the group’s needs. I say “anything” so it’s not limited or specific because I don’t want to prejudge what people find uncomfortable because it’s subjective and I’m not here to judge.


 4. “…just simply lift this card up or simply tap it.”

It’s so easy! I will then actually lift the card to make it clear physically how easy it is.


 5. “You don’t have to explain why.”

Explaining is bad because it’s extra effort, a higher barrier to accomplish your goal, and it can feel like being put on trial. Plus explanations means more time not playing.


 6. “It doesn't matter why.”

No judgement. No questioning.

 7. ”When we lift or tap this card, we simply edit out anything X-Carded…”

Repeat what they need to do “lift the card” and emphasize how it is simple and fast.


8. ”And if there is ever an issue, anyone can call for a break and we can talk privately."

If the X-Card isn't enough and someone needs help, their needs are more important than the game.



Von irgendeiner Instanz an Kontrolle durch Coc oder ähnlichem ist nicht die Rede, eher genau im Gegenteil eine Betonung der Absolutheit. Es gibt keine Abwägung der interessen, der Xer gewinnt.

Ich bin mir unsicher, was mit dem issue aus 8. gemeint ist, aber alle anderen Referenzen bezogen sich alleine auf das Befinden des "Xers".

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Offline Ludovico

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Sicherheitstechniken... Im Endeffekt ein einfaches Vorgespräch über Inhalte und was nicht erwünscht ist (detailliertes Ausspielen von Folter, Vergewaltigung, etc. -generell settingabhänging) und Hinweis darauf, dass die Spieler jederzeit bei Unwohlsein im Spiel ein Veto einlegen können.
Dann weiss ich als SL, woran ich bin und kann die Szene schnell übergehen.
Da ich mir die Spieler vorab aussuche für die Runde, gibt es da auch keine Missbrauchsgefahr.
Sollte das doch irgendwann Mal eintreten, würde ich dem Spieler nahelegen, aus der Runde auszusteigen.

Offline Ginster

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Ich habe die X-Card einige Male benutzt, ausschließlich bei Spielen, die sich weitesgehend um Horror drehen. Bei D&D-Ablegern hatte ich bisher nie das Gefühl, dass es nötig gewesen wäre. Benutzt wurde die Karte von den Spielerinnen und Spielern nie.

Die X-Karte, wie ich das bisher gelesen habe, ist vor allem ein Automatismus bezüglich "verletzter Gefühle" und "Recht".
Das verschiebt die Ausgangslage und damit Bereitschaft so etwas zu versuchen erheblich. 

Hier stört mich die Herangehensweise, die im Ursprungsthread auch immer wieder aufgetaucht ist. Sobald man Menschen Möglichkeiten gibt, ihrem Unwohlsein Ausdruck zu verleihen oder ihnen Signale gibt, dass ihre Befindlichkeiten ernst genommen werden, wittert man gleich Missbrauch bis hin zu "Zensur". Ich frage mich ernsthaft, woher diese Besorgnis kommt. Aus der Erfahrung offenbar nicht.


Offline Irian

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Die X-Karte ist ja fast schon per Definition für "überraschende" Sachen geeignet. Sie kann natürlich kaum den Fall abdecken, dass jemand mit dem System oder Setting an sich Probleme hat, ersetzt also keinesfalls eine klare Kommunikation vorher, sondern unterstützt diese nur für Fälle, die eben davon nicht abgedeckt waren und quasi "überrraschend" auftreten.

Und nein, grundsätzlich ist bei diesem Konzept eben explizit keine Kontrolle gewünscht, der Rechtfertigungsdruck soll explizit ausgeschlossen werden. Es soll niemand erklären müssen, WARUM er ein Problem hat oder dies irgendwie ausdiskutieren.

Der Grund liegt dafür schlicht in der Prämisse:

Zitat
The people playing are more important than the game we are playing.

Und das ist imho eine gute Sache: Die Spieler sind wichtiger als das Spiel.

Diese Paranoia, dass plötzlich die Leute anfangen, das Spiel zu sabotieren, finde ich ohnehin fragwürdig. Und die Alternative zur X-Karte ist ja nur, dass die Spieler, die Probleme haben, gehen, sich beschweren oder still vor sich hin leiden. Was genau ist davon besser als einfach die Szene überspringen?
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Offline Ludovico

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@Irian
Das Problem ist imo weniger die Sorge vor einer gewollten Sabotage, sondern dass zum Beispiel ein Spieler zu empfindlich ist.
So könnte eine Pazifisten ihres Freundes wegen auf der Von bei Mechwarrior mitspielen, die die Gewalt dann einfach zu krass findet.

Offline Rhylthar

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Zitat
What things have you seen X-Carded?

I've seen the X-Card used easily 60-100+ times (I play a lot of games with a lot of people all over the world). Examples:

1. I described an NPC smoking. A player was trying to quit and felt uncomfortable.
2. We played a modern realistic horror game. Someone introduced funny elves.
3. I described plane turbulence. This triggered a player and luckily I stopped asap (we had to stop the game as well) and we did what we could to help the person in question.

Habe mir jetzt mal nur das rausgesucht und zur besseren Verdeutlichung die Punkte durchnummeriert.

Zu 2.:
Die Anwendungsweise hatte ich im Vorfeld nicht so verstanden und bin auch immer noch ein wenig irritiert. Warum hier die X-Card als Instrument? Hier kann man doch auch sehr wohl begründen, warum es nicht passt (Erinnerung: X-Card wird ohne Begründung ausgespielt!)

Zu 3.:
Trigger. Ja, sowas ist natürlich doof gelaufen, gerade, weil in diesem Fall es für mich ein eher unerwarteter Trigger ist. Hier will ich den Nutzen gar nicht abstreiten.

Zu 1.:
Erm...wat? :o
Vielleicht fehlen mir dazu Infos (die Person hat jemanden an Lungenkrebs verloren, etc.), aber so, wie es da steht, erscheint es mir überzogen. Klar, man kann es in 99 % der Fälle ignorieren (also die Szene eines Rauchers), aber das warum erschliesst sich mir hier überhaupt nicht.

Die Sicherheitstechnik, die ich kenne, ist "Reden". Vor, während, nach der Runde.
 
“Never allow someone to be your priority while allowing yourself to be their option.” - Mark Twain

"Naja, ich halte eher alle FATE-Befürworter für verkappte Chemtrailer, die aufgrund der Kiesowschen Regierung in den 80er/90er Jahren eine Rollenspielverschwörung an allen Ecken wittern und deswegen versuchen, möglichst viele noch rechtzeitig auf den rechten Weg zu bringen."

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trendyhanky

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Was ich spannender finde ist die Frage, wann und warum die X-Card eingeführt wurde

Also der Mechanismus is klar und ist mir auch schon öfter begegnet (die X-Card wurde nie benutzt, trotzallem), aber wann kam das auf?

Oder ist der Link im OP der URSPRUNG der X-Card?


Ucalegon

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Zu 2.:
Die Anwendungsweise hatte ich im Vorfeld nicht so verstanden und bin auch immer noch ein wenig irritiert. Warum hier die X-Card als Instrument? Hier kann man doch auch sehr wohl begründen, warum es nicht passt (Erinnerung: X-Card wird ohne Begründung ausgespielt!)

Die X-Card kann ohne Begründung benutzt werden. Sie muss nicht.

Oder ist der Link im OP der URSPRUNG der X-Card?

Müsste so sein, ja. Vor 2013 habe ich via Google auch nichts gefunden, d.h. das sollte das Original sein.

Offline Maarzan

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Hier stört mich die Herangehensweise, die im Ursprungsthread auch immer wieder aufgetaucht ist. Sobald man Menschen Möglichkeiten gibt, ihrem Unwohlsein Ausdruck zu verleihen oder ihnen Signale gibt, dass ihre Befindlichkeiten ernst genommen werden, wittert man gleich Missbrauch bis hin zu "Zensur". Ich frage mich ernsthaft, woher diese Besorgnis kommt. Aus der Erfahrung offenbar nicht.

Nein, das ist eien Falschdarstellung.
Die Probleme sind mit dem Automatismus danach, nicht mit der Aufmerksamkeit für Probleme an sich.
Und damit wird es gerade nicht zum " es geht um DIE spieler"  sondern es geht um DEN Spieler, der am empfindlichsten ist/ als erstes "Opfer" gerufen hat oder auch eben SEINE politische oder ähnliche Marke setzen will.

Die X-Karte ohne den Automatismus der Durchführung sondern nur als Notstop wäre völlig OK, aber eben gerade wohl nicht das, was beabsichtigt ist.
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Offline Rhylthar

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Die X-Card kann ohne Begründung benutzt werden. Sie muss nicht.
Also ersetzt sie in diesem Fall (falls mit Begründung) nur den Satz "Moment, hier müssen wir mal drüber reden..."?
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trendyhanky

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Müsste so sein, ja. Vor 2013 habe ich via Google auch nichts gefunden, d.h. das sollte das Original sein.

Das ist interessant

RPG gibt es seit den 70ern
Wieso kam RPG fast 40 Jahre ohne X-Card aus?

Nicht falschverstehen: Ich finde die eigentlich ganz gut und als Option bei bestimmten mature-Games auch angebracht, trotzdem...

Wieso hatte man damals keine?

Offline Irian

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Und damit wird es gerade nicht zum " es geht um DIE spieler"  sondern es geht um DEN Spieler, der am empfindlichsten ist/ als erstes "Opfer" gerufen hat oder auch eben SEINE politische oder ähnliche Marke setzen will.

Das ist doch Unsinn. Du postulierst einen Idioten und versuchst, den zum Standard zu erheben. Ist er nicht. In einem normalen Spiel mit normalen Leuten geht durchaus um DIE Spieler, weil jeder woanders Probleme haben kann, weil sich jeder mit was anderem Unwohl fühlen kann.

Und wenn du so einen Idioten hast, der immer Probleme mit allem hat - denkst du dann wirklich, die X-Karte sei das Problem? Ist das nicht ziemlich fragwürdig? So ein Spieler würde doch ohne Zweifel auch ohne die X-Karte letzten Endes Probleme machen. Die X-Karte ändert hier gar nichts - auch nichts an der Lösung, dass letzten Endes drüber gesprochen werden muss.

Wieso hatte man damals keine?

Weil sich auch soziale Interaktion und so weiter entwickeln? Damals hatte man halt noch nicht alles auf dem Schirm. Und in den 70er Jahren wurde ja über vieles schlicht nicht gesprochen.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Ucalegon

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RPG gibt es seit den 70ern
Wieso kam RPG fast 40 Jahre ohne X-Card aus?

Nicht falschverstehen: Ich finde die eigentlich ganz gut und als Option bei bestimmten mature-Games auch angebracht, trotzdem...

Wieso hatte man damals keine?

Ich bin sicher, dass auch vor der X-Card über Sicherheit und den Umgang mit unerwünschten Inhalten et cetera nachgedacht worden ist. Gerade wenn man LARP mit reinnimmt.

Offline Maarzan

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Das ist doch Unsinn. Du postulierst einen Idioten und versuchst, den zum Standard zu erheben. Ist er nicht. In einem normalen Spiel mit normalen Leuten geht durchaus um DIE Spieler, weil jeder woanders Probleme haben kann, weil sich jeder mit was anderem Unwohl fühlen kann.

Und wenn du so einen Idioten hast, der immer Probleme mit allem hat - denkst du dann wirklich, die X-Karte sei das Problem? Ist das nicht ziemlich fragwürdig? So ein Spieler würde doch ohne Zweifel auch ohne die X-Karte letzten Endes Probleme machen. Die X-Karte ändert hier gar nichts - auch nichts an der Lösung, dass letzten Endes drüber gesprochen werden muss.

Wenn Regeln aufgestellt werden, die eben nicht auf Kommunikation hinauslaufen (und "drüber sprechen" wird ja wenn der Xer es nicht will explizit ausgeschlossen),  sondern um Durchgriff geht es IMMER um Idioten - die anderen brauchen Regeln in der Form nicht.
Allerdings ist nicht klar/sicher ob die Idioten nicht gerade die Regelaufsteller und deren Proteges sind - doppelt, wenn sie aus einem selbst extremistischen Umfeld kommen. Und was Extremisten mit Regelungshoheit so anstellen können, sollte sich jeder vorstellen können. Sich da hinzustellen sind a nicht alle Leute Idioten bei offensichtlichen Missbrauchsmöglichkeiten bzw., lapidar, dann schießen sie halt mit etwas mehr Mühe anders quer ist wenigstens verantwortungslos.

Und wenn die Leute keine Ididoten sind, warum kann man dann nicht nach einem Stop-X kurz drüber sprechen oder wenn das strittig ist abstimmen lassen (wer unterliegt und das nicht mittragen kann, hat ja die bereist im anderen Faden benannten Walkout-Möglichkeit.
Oder um die Argumentation umzudrehen: Wenn das am Spieltisch nun nicht mehrheitlich Idioten sind, müßte das genauso gut laufen.
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Ucalegon

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Also ersetzt sie in diesem Fall (falls mit Begründung) nur den Satz "Moment, hier müssen wir mal drüber reden..."?

Nicht wirklich. Die X-Card funktioniert hier genau wie immer, nur dass die Person, die sie benutzt hat, sagt, warum - was sie explizit nicht muss. Eine Einladung zur Diskussion sehe ich da nicht zwingend.

Offline Ludovico

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RPG gibt es seit den 70ern
Wieso kam RPG fast 40 Jahre ohne X-Card aus?

Wieso hatte man damals keine?

Heutzutage, insbesondere in den USA, geht es um die Gefühle. Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, ist er ein Opfer von Diskriminierung. Wenn sich jemand, belästigt fühlt, wird die Person belästigt.

Um diese Überwertung von Emotionen, Rechnung zu tragen, werden in den USA insbesondere solche Techniken entwickelt, wodurch die komplette Verantwortung für das Wohlergehen einer Person dem Rest der Runde übertragen wird - noch ohne die Möglichkeit eine Erklärung zu verlangen, was bei einigen Leuten das Spiel zu einem Sackhüpf-Wettbewerb im Minenfeld macht.

Ich dagegen sehe den jeweiligen Spieler in der Verantwortung, der Gruppe die eigenen No Good zumindest vor dem Spiel zu nennen, damit sie weiss, was los ist und ggf. den Spieler als unpassende Person auszuladen.

Vor einiger Zeit war in der Welt ein Artikel, der beschrieb, dass gerade die schwierigen Menschen ihren Willen erhalten, weil sich die anderen nach ihnen richten.

Vor 40 Jahren galt dort drüben noch der Spruch "Sticks and Stones Break your bones...".
Das ist aus meiner Sicht zu extrem, aber heutzutage würde ich mir etwas mehr davon wünschen.

Mein Fazit:
Sicherheitstechniken halte ich für gut und sinnvoll, zumal es für die Gruppendynamik abträglich ist, einen Spieler zu haben, der unglücklich ist.
Aber diese Techniken dürfen den Spieler mit dem Problem von jeglicher Verantwortung für dessen Wohlbefinden freisprechen und dies dem Rest der Runde aufbürden.
« Letzte Änderung: 6.01.2018 | 13:29 von Ludovico »

Offline Rhylthar

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Nicht wirklich. Die X-Card funktioniert hier genau wie immer, nur dass die Person, die sie benutzt hat, sagt, warum - was sie explizit nicht muss. Eine Einladung zur Diskussion sehe ich da nicht zwingend.
Von Diskussion sagte ich nichts. Nicht jedes Gespräch ist eine Diskussion.

"No funny elves in this game because it would destroy the mood!" oder "No elves...we are playing real world horror, not fantasy horror!"...tut es in meinen Augen genauso.
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Offline Chruschtschow

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Sicherheitstechniken... Im Endeffekt ein einfaches Vorgespräch über Inhalte und was nicht erwünscht ist (detailliertes Ausspielen von Folter, Vergewaltigung, etc. -generell settingabhänging) und Hinweis darauf, dass die Spieler jederzeit bei Unwohlsein im Spiel ein Veto einlegen können.

Wenn man denn alles so genau vorher besprechen könnte. Mir fallen da mehrere Punkte ein:

Aus der Sicht der Spielleitung weiß ich, dass ich durchaus ja nicht immer exakt den einen Pfad ablaufe. Das ist doch mit einer der Reize von Rollenspiel: die Handlung ergibt sich aus den Aktionen der Runde. Andere Spieler können auch Inhalte rein bringen, die ich so eigentlich nicht geplant habe. Auch deren Beitrag kann zum Zeigen der X-Karte führen. Da kann ich als SL noch so viel klar machen. Ebenso sehe ich einen tollen Handlungsstrang und verfolge lieber den und der führt dann auf abschüssiges Gelände für eine beteiligte Person. Übrigens könnte es sogar die SL sein, die die Karte hebt, wenn die Spielrunde plötzlich im nächsten Dorf das Morden und Foltern beginnt, während man eigentlich Blümchenfantasy im Sinn hatte. (Merkt man, dass ich den Text geschrieben habe, als noch wesentlich weniger Beiträge hier standen?)

Ich werde sicher nicht einem wildfremden Menschen alle meine Traumata und Trigger erzählen und ich bin schon jemand, der mit einigen davon sehr offen umgeht. Sollte sich das Spiel bei einem in die Nähe begeben, kann ich immer noch die Karte zücken, ohne meine Familiengeschichte auszupacken. Gerade im Bereich von Angststörungen, sexueller Gewalt etc. ist Scham durchaus ein Problem. An der Stelle finde ich auch die Vorstellung problematisch, nur Idioten würden nicht darüber sprechen wollen. (Maarzan: "Wenn Regeln aufgestellt werden, die eben nicht auf Kommunikation hinauslaufen (und "drüber sprechen" wird ja wenn der Xer es nicht will explizit ausgeschlossen),  sondern um Durchgriff geht es IMMER um Idioten")

Und zumindest ich habe kein Problem damit, dass irgendwann irgendwer sagt: "Hör mal, glaubst du wirklich, dass das die richtige Runde für dich ist?" Das ist doch genauso Teil einer offenen Kommunikationskultur über den Umgang mit Inhalten zu sprechen, wie zu sagen, dass es mit den Inhalten ein Problem gibt. Siehe das Beispiel mit den Elfen. Nur weil die Karten auf dem Tisch liegen, sind sie doch nicht das einzige Kommunikationsmittel.
« Letzte Änderung: 6.01.2018 | 13:41 von Chruschtschow »
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Widersprechen sich die Positionen von Chruschtschow und Ludovico eigentlich? Ich kann jedenfalls beide Posts bedenkenlos unterschreiben.

Edit:
Vor einiger Zeit war in der Welt ein Artikel, der beschrieb, dass gerade die schwierigen Menschen ihren Willen erhalten, weil sich die anderen nach ihnen richten.

Findest Du diesen Artikel noch? Interessiert mich.

Offline Chruschtschow

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@schwierige Leute:
War das nicht schon immer so? *Schwiegermutterwitz hier einfügen* ::)

(Wobei das gelogen ist. Meine Schwiegermutter ist eigentlich recht nett. Aber Klischees sind einfach zu stark. ;))

@Wellentänzer:
In der Zielsetzung wahrscheinlich nicht, nur in der Wahl der Methoden.
« Letzte Änderung: 6.01.2018 | 13:45 von Chruschtschow »
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Ucalegon

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Um diese Überwertung von Emotionen, Rechnung zu tragen, werden in den USA insbesondere solche Techniken entwickelt, wodurch die komplette Verantwortung für das Wohlergehen einer Person dem Rest der Runde übertragen wird - noch ohne die Möglichkeit eine Erklärung zu verlangen

Mit oder ohne X-Card, die Verantwortung tragen alle gemeinsam. Die X-Card wird ja auch von allen benutzt. Eine Runde, die die X-Card verwendet, legt für sich fest: Wir nehmen immer Rücksicht aufeinander und verlangen dafür keine Rechtfertigungen. Finde ich wie gesagt einen sympathischen Standard.

In der Praxis geht es mir übrigens wie Ginster: Ich habe die X-Card bisher nur in Runden gehabt, wo absehbar war, dass schwierige Themen aufkommen, zuletzt bei Bluebeard's Bride, das die Verwendung einer X-Card auch empfiehlt. Stavropoulos dagegen beschränkt sie bewusst nicht darauf.

Offline La Cipolla

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Imho fällt die zentrale Funktion einer solchen Maßnahme bisher noch raus: Für mich ist etwa die X-Card nicht vorrangig da, um benutzt zu werden, sondern um zu ZEIGEN, dass ich als Spielleitung a) die No-Gos der Spieler respektieren werde, b) offen für entsprechende Eingriffe bin, auch während des Spiels, und c) ein Spiel spielen möchte, in dem auch die Spieler Rücksicht aufeinander nehmen. Natürlich kann ich das auch in zehn Minuten Vorgespräch und eine sonnige, aber bestimmte Persönlichkeit herüberbringen, aber eine handfeste Regel ist erfahrungsgemäß geeigneter, um üblichen Vorannahmen zu begegnen, die es gerade in der Rollenspielszene deeefinitiv gibt, siehe auch dieser Thread oder ein beliebiger anderer. Und es spart halt Zeit. :<

Ich habe die X-Card schon mehrmals ausliegen gehabt, üblicherweise bei Spielen, die sich zentral mit Horror oder Tabuthemen beschäftigen, habe aber noch NIE erlebt, dass sie benutzt wurde – sehr wohl aber, dass sie im Nachhinein als positiv eingeschätzt wurde, weil Spieler das Gefühl hatten, die Reißleine ziehen zu können, ohne sich rechtfertigen zu müssen! Das kann gerade sensiblen und introvertierten Menschen gewaltig helfen, angstfreier und weniger verschlossen spielen zu können.
Und das ist ja der Punkt: Wenn du ein Problem mit einem Thema hast, ist Rechtfertigen das allerletzte, was du tun willst! Und wenn ihr sagt "Man kann auch drüber reden!", fordert ihr in einem gewissen Sinne von den Spielern, ihre persönlichen Tabugrenzen zu thematisieren ... was schon per Definition nicht ganz einfach ist, denn sonst wären sie ja keine Tabus. ("No Judging" ist imho der entscheidende Punkt der Beschreibung.) Und das ist natürlich auch der Hauptgrund, aus dem Spieler manchmal Sachen mitmachen, auf die sie wirklich, wirklich keinen Bock haben.

Da ich noch nicht erlebt habe, dass sie benutzt wurde, habe ich natürlich auch noch nicht erlebt, dass sie missbraucht wurde, aber dazu wurde eigentlich auch schon alles gesagt: Wenn das jemand tut, hätte er sicherlich auch ohne die Karte grooooße Probleme mit der Situation gehabt und wahrscheinlich nicht unbedingt im Positiven zu einem guten Spielerlebnis beigetragen, weder für sich selbst, noch für die anderen.

Dass es auch ohne wunderbar funktionieren kann, müssen wir nicht groß besprechen, oder? Wenn doch, hat irgendjemand etwas Entscheidendes falsch verstanden. Carry on.



Ein paar Tipps von mir, falls jemand darüber nachdenkt, die Karte einzusetzen:
1. Ich versuche, weder betont ernst, noch betont locker zu sein, wenn ich die Regel erkläre. Es ist einfach ein ganz gewöhnlicher Teil des Spiels.
2. Ich erkläre am Anfang immer, dass man einfach drauftippen kann, um sein Unwohlsein mit der Situation auszudrücken (ich traue mir einfach mal die nötige Empathie zu, um angemessen darauf reagieren zu können :D), dass man aber auch dazu sagen kann, ob man gerade sein Limit erreicht hat oder nur langsam in die Nähe kommt. Dann weiß ich nämlich, wann wir nur einen Schritt zurückfahren müssen und wann vll. auch mal ein harter Schnitt angebracht wäre.
3. Für all das ist es aber natürlich auch zentral, dass die X-Card eine ECHTE Möglichkeit ist, weshalb ich niemals etwas in die Richtung "Wenn niemand die Karte benutzt, ist das auch okay!" sagen würde; so sehr ich es mir auch denke.

Aber wie gesagt, in der Praxis ist da nicht oft was passiert, und das ist überhaupt kein Problem. Die X-Card ist ein großes Ding, was das Feeling am Spieltisch angeht, ob sie nun benutzt wird oder nicht.
« Letzte Änderung: 6.01.2018 | 14:13 von La Cipolla »

trendyhanky

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Ich werde sicher nicht einem wildfremden Menschen alle meine Traumata und Trigger erzählen und ich bin schon jemand, der mit einigen davon sehr offen umgeht. Sollte sich das Spiel bei einem in die Nähe begeben, kann ich immer noch die Karte zücken, ohne meine Familiengeschichte auszupacken. Gerade im Bereich von Angststörungen, sexueller Gewalt etc. ist Scham durchaus ein Problem.

Wobei mal ganz unter uns: Warum sollte jmd, der stark traumatisiert ist und gewisse psychische Handicaps hat, eigentlich an einem RPG teilnehmen, wo so ein Thema vorkommt?

Wenn ich bestimmte Ängste oder Aversionen habe, spiele ich garantiert kein RPG mit psychologischen Horror, meide Spiele wo schon auf dem Klappentext steht, in welche Richtung es geht. Wenn ich religiöse Befindlichkeiten habe, zocke ich kein Game wo es um Religion geht. Bin ich Pazifist, nehme ich nicht an einem Spiel um Krieg teil usw.

Also meine Meinung ist dass eine X-Card nicht dazu dient, solche Personen zu schützen. Denn die werden wohl niemals an einer solchen Runde teilnehmen (höchstens zum Zwecke einer Rehabilitierung, aber die ist sicher nicht Hobby sondern unter ärztlicher Aufsicht)

Was ich mir eher vorstellen kann ist: man spielt einfach los und plötzlich neigt der SL dazu, Kämpfe wie son Splatterfilm zu beschreiben und das findet ein Spieler blöd. X-Card

Oder auf einmal werden sexuelle Handlungen/Vergewaltigungen en detail gespielt, auch wenn man die mit einem Satz abhandeln könnte und man hat VIELLEICHT sogar was hier persönlich erlebt. X-Card (ohne da gleich ein Fass aufzumachen

Ganz allgemein finde ich die X-Card eher im Bereich von einem "Nope!"-Schild. Ansage an den SL oder andere Spieler, eine bestimmte Szene nicht zu vertiefen usw. Die Gründe muss man ja nicht nennen
Wenn ich die X-Card bei einer Vergewaltigungsszene zücke kann das daran liegen, dass ich mal vergewaltigt wurde oder weil ich solche Szenen einfach unschön finde. Muss ich mich ja nicht zu äußern und begründen

Solche Sachen wie traumatisierte Spieler, die an Runden teilnehmen, wo sie dann getriggert werden, finde ich immer etwas übertrieben
Klar, es gibt solche Leute, und auch diese spielen RPG, aber die X-Card ist meiner Meinung kein Schutz für Trauma-Patienten vor sich selbst, sondern eher normales Mittel

Das ganze "Traumasierter Spieler"-Ding ist meiner Meinung ziemliche Skandalisierung von RPG


Offline Maarzan

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Wobei mal ganz unter uns: Warum sollte jmd, der stark traumatisiert ist und gewisse psychische Handicaps hat, eigentlich an einem RPG teilnehmen, wo so ein Thema vorkommt?

Das diese Art Problem auftritt, muss ja nicht zwingend absehbar sein. Der Trigger kann ja klein genug sein, dass er in dem bekannten Zusammenhang nicht erwartet wurde (oder ggf nicht mal so bekannt bis es auftritt). Als schneller Hinweis ist so eine Karte dann ja durchaus nützlich.
Aber letztlich kann nur sprechenden Menschen passend geholfen werden.
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