@Chruschtschow
Das bezieht sich auf Deine Antwort zu mir von S.1:
Meiner Meinung nach kann man von vornherein recht gut vorab grob klären, was nicht im Spiel vorkommen sollte. Man sollte bloss nicht allzu sehr ins Detail gehen.
Wie gesagt, das ist nicht immer so einfach. Wie ich schon weiter vorne beschrieben habe, war ich auch ein Opfer von Gewalt. Das hat jetzt eine Verarbeitungsgeschichte von fast drei Jahrzehnten seit dem letzten Ereignis. Das kann bei mir einen Kloß im Hals auslösen. Ich musste aber vor ein paar Jahren aber auch mal beim Hören vom Deutschlandfunk auf dem Weg zur Arbeit rechts ran fahren, weil mich da ein Beitrag völlig unvorbereitet umgenietet hat und ich in Tränen aufgelöst war. Das kannte ich in der Intensität vorher gar nicht oder war hinreichend geübt im Runterschlucken und Wegsperren. Das kann mich aber auch emotional relativ unberührt lassen. Ich bin Lehrer, ich bin da auch schon mit Misshandlung in Kontakt geraten und da eigentlich nach meinem Empfinden ganz professionell an die Sache ran gegangen. Insgesamt kann ich die Momente, in denen ich wirklich aus heiterem Himmel voll getriggert wurde, an einer Hand abzählen. In fast drei Jahrzehnten. Und keine der Situationen ist mit der anderen sonderlich ähnlich.
Ich bin nicht zu jedem Zeitpunkt dieser fast drei Jahrzehnte gleich damit umgegangen. Um mich heute so weit zu treiben, dass ich da ein ernstes Problem bekomme, muss der Auslöser EXTREM spezifisch sein. Und ich kann das heute auch sehr klar ansagen, dass das jetzt reicht und an der Stelle bitte Schluss ist (wie gesagt, Trigger aus heiterem Himmel ausgenommen). Darum ist das auch kein sonderliches Problem, mich HEUTE mit entsprechenden Inhalten im Rollenspiel auseinander zu setzen.
Vor zehn, zwanzig Jahren sah das stellenweise deutlich anders aus. Da war die Reaktion eben die ähnliche wie in der Misshandlungssituation. Kopf einziehen, schweigen, auf ein baldiges Ende hoffen, verkrümmeln, Wunden lecken. Wenn du dir solche Überlebensstrategien als Kind angewöhnst, dann gehst du nicht hin und sagst ganz offen: "Stopp, darf ich euch gerade mein Problem mit der Situation darlegen?" Von daher finde ich es auch vermessen, wenn hier irgendwelche Leute behaupten, dass nichtverbale Hilfsmittel ja nicht wirklich wirksam wären. Als Betroffener kann ich sagen: Sie sind es. Vielleicht nicht für alle und jeden. Für mich waren sie es. In anderen Lebenssituationen mehr als jetzt, aber definitiv ein Hilfsmittel. Und auch ich bin zu Abstraktionsleistungen fähig, wie Marzaan das ja so schön für die Missbrauchsmöglichkeit von X-Karten deklariert: Sie wären es auch in Rollenspielkontexten.
Und mal im Ernst, das will ich auch gar nicht jedem auf die Nase binden, was vorgefallen ist. Wie sieht das denn aus, wenn ich der Spielrunde die spezifische Misshandlung schildere, die jetzt bitte nicht gespielt werden soll? Yay, das hebt sicher die Stimmung, wenn es in einer kleinen Szene genügt, den Kochlöffel wegzulassen. Am besten reiße ich dann bei meiner Schilderung gleich noch einen anderen Mitspieler mit runter, denn Kinder werden ja nun nicht so furchtbar selten misshandelt.
@dunklerschatten:
Tatsächlich hätte ein BDSM RPG wahrscheinlich deutlich weniger Risiko bei mir irgendwas auszulösen im Vergleich zu einer nebensächlichen, aber näher an der Realität gelagerten Misshandlungssituation. Eine üble Warhammer-Metzgerei ist auch völlig unproblematisch. Sexuelle Gewalt? Komme ich mit klar. Und so weiter. Meine Probleme finde ich eher in realitätsnahen, beiläufigen Misshandlungssituationen.
Und das wird kein Spielleiter auf dem Zettel vermerken. "Wir spielen ein Ermittlersetting in der Weimarer Republik. Eventuell schießt ihr mal auf Verbrecher oder es gibt Schlägereien, aber keine allzu deutliche Gewalt. Es geht um einen Serienmörder, die Taten laufen aber off-screen. Achja, in einer Szene wird nebenher noch ein Mal ein kleiner Junge von seiner Mutter mit dem Kochlöffel verprügelt." Rate mal, was davon vorher nicht besprochen wird, was davon auch nicht auf dem Zettel steht und was davon Potential hat, dass ich aufstehe und gehe. Und auch da: Kann! Nicht Muss! Wenn ich aber in so einer kurzen Szene eben auf die Karte tippe, dieser eventuell völlig nebensächliche Schauplatz verlassen wird und niemand sich lang und breit anhören muss, was ich zu dem Thema noch so erzählen könnte, wo ist da der Verlust?
Auslöser liegen meisten nicht in den großen plakativen Situationen. Die kann ich tatsächlich vorher auf mich zu kommen sehen. Aber dieser kleine Nebenkram, der ist kritisch. Und mit den richtigen Werkzeugen auch so bearbeitbar, dass es kleiner Nebenkram für die anderen bleibt.