Hi, ich stelle dann mal ein paar Gegenthesen auf.
Disclaimer:
Ich bin mit Midgard nicht vertraut, habe aber mit Anfängern vor langer Zeit ein Rollenspiel gestartet (eigenes System). Die Frage der verdeckten Würfe habe ich mir häufiger und meinen Spielern intensiv zwei oder drei Mal gestellt.
Da Boba sein Post sehr schön aufgebaut hat, werde ich es als Grundlage nehmen.
Meine Meinung: Ich brauche (als Spielleiter) keine verdeckten Würfe.
Jupps, brauchen ;-) Ich werde sowohl aus Spielleiter-, als auch als Spielersicht Stellung nehmen.
verdecktes Würfeln wird gemacht, um den Spielern Wissen vorzuenthalten, das eine Spielfigur möglicherweise hat oder eben auch nicht.
Ist es nicht so, dass verdecktes Würfeln gemacht wird, um Spieler vor Wissen zu schützen, was Ihre Figuren ebenfalls nicht haben?
1. Meine Spieler sind kompetent und erwachsen genug, ihren Spieler so zu spielen, als hätte er ein Wissen nicht, auch wenn die Spieler selbst es am Spieltisch haben.
Pfui, predigst "Die andere Seite hat auch Vorteile und hebst die auf deiner Seite als "erwachsen" und "kompetent" hervor, was irgendwie die andere Seite schmäht und Ihnen diese Qualitäten abspricht.
Wie nennt man das? Anti Ad Hominem Gruppenangriff?
Ich weiß, war nicht so gemeint, no sweat.
Was ich weiß macht meinen Charakter nicht heiß.Wenn Spieler sich beherrschen können, dann hilft es der Geschichte. Dies nimmt in einigen Fällen allerdings die Möglichkeit, selbst dahinter zu kommen.
Als Beispiel, die Probe auf durchschauen/lügen entdecken. Wenn ich Würfel und ich erwarte ein binäres Ergebnis (Lügt vs Lügt nicht) und ich habe die Info, ob ich bestanden habe, dann weiß ich, ob er lügt. Nicht mein Charakter, aber Ich. Mir wurde als Spieler die Chance genommen später nochmal darauf zu kommen.
Oder ich weiß, die Runen sagen: sprich "Freund" und tritt ein. WANN kann ich dann "Freund" sagen? - ist etwas komisch konzipiert, ich weiß.
2. verdecktes Würfeln verkompliziert den Spielablauf. Denn um einen verdeckten Wurf wirklich so abzuwickeln, dass es keine Anforderung an die Spieler gibt, zwischen Spieler- und Figurenwissen zu trennen,
gehört mehr, als nur das Würfelresultat zu verheimlichen. Letztendlich sagt auch die Tatsache etwas aus, daß überhaupt gewürfelt wird. Also müsste man entweder so heimlich würfeln, dass der Vorgang nicht wahrgenommen wird oder aber öfters verdeckte Würfe faken, dass niemand sicher sein kann, wann ein verdeckter Wurf wirklich zählt.
Dazu kommt, dass wenn ich verdeckt werfe und einem Spieler etwas mitteile, was seine Figur erfährt, die anderen ja auch informiere. Entweder arbeite ich dann wieder mit Zettelschieberei oder muß den Spieler separieren.
Oder man vertraut darauf, dass die Spieler das Wissen kompensieren, dass ihre Figuren nicht haben.
Proben an sich verraten etwasWenn es um diesen Punkt geht, gebe ich recht. Wahrnehmungsproben sind nicht wirklich etwas Verdecktes. Vor Allem, wenn es um "Überraschungsproben" geht. Man wird immer wissen, ob man überrascht wurde oder ob man etwas sieht. Bei Untersuchungen kann es etwas Anderes sein.
Verdeckte Proben sind mmn. anzusetzen bei Wissens- oder Deduktionsproben, wenn die Information, die man erhält nicht offensichtlich sind.
3. Man kennt doch seine Pappenheimer... Wenn man jahrelang spielt, denn kennt man seine Spielleitung doch irgendwann. Man weiß Mimik, Gestik, Körpersprache und auch Betonung zu deuten. Es kann mir doch keiner erzählen, dass er 5 oder 10 Jahre lang mit seinem Spielleiter am Tisch sitzt und dann wegen einem verdeckten Wurf noch ernsthaft überrascht wird. Man kennt auch den Stil der Abenteuer, die gespielt werden und die üblichen Verläufe. Also ist der Nutzen eines verdeckten Wurfes auch zu relativieren. Denn es wird dem Spieler nicht wirklich was an Spielvergnügen (die Überraschung) genommen, wenn er selbst würfelt.
Über Zeit wird Durchschauen zu leichtDiese These ist recht schwach.. Mein Bruder und ich kennen uns nun etwas mehr als 30 Jahre und die Menge an Schmuggelware, die wir bei Sheriff of Nottingham durchbringen ist beachtlich.
Ich glaube, das gelesen werden und das sich verstellen können steigt ähnlich gut an. Sehe da keinen Hinweis das Gegenteil anzunehmen - nach meinem Erlebnishorizonts.
4. ich fühle mich als Spieler, als würde ich nicht ganz für voll genommen. Und als Spielleiter habe ich die Befürchtung, meine Spieler könnten das so empfinden. Denn wir spielen mit Erwachsenen. Und müssen ihnen dann Wissen vorenthalten, weil die ja vielleicht schummeln könnten. Ja, genau. Dann müsste ich aus der gleichen Befürchtung heraus auch die LP und AP für sie notieren und die verschossenen Pfeile und das Geld und und und...
Oder man traut mir nicht zu, dass ich das sauber behandeln und "trennen" kann. Was auch nicht besser ist. Denn ich sitze am Tisch und spiele eine Rolle und kompensiere die ganze Zeit eine Menge Wissen, die meine Figur nicht besitzt. Meine Figur könnte losrennen und brüllen "Der König von Alba ist ein W...! Ein W...!". Oder in anderen Systemen: "Kaiser Hal ist eine Frau! EINE FRAU!" Macht natürlich keiner!
Weil wir alle erwachsen sind.
Auf Fähigkeiten des Charakters verlassenIch habe es auch von der anderen Seite mitbekommen. Da kannte ich meine Kompetenz in dem entsprechenden Fall, aber die Information, die der Spielleiter mir gab hat mich echt ins Rätseln gebracht. Etwas daran klang seltsam, also die Frage: Traue ich meinem Charakter, oder meinem (Spieler-)Menschenverstand. Da fiel mir auf, ich selbst bin auch oft in der Situation, wo ich mir denke "Mein Passwort, das ist Elfenbeinkuchen123... moment, hier nicht, oder... mist, dritter versuch ... 321 vielleicht?" Und ich entscheiden muss, ob ich mir selbst trauen kann. Im Spiel habe ich zumindest die Werte und wenn ich nichts über Legenden weiß, dann sollte ich vielleicht nicht daran glauben, wenn der GM mir erzählt, dass Drachen so stark sind, weil Sie Lava essen. Ich bin also doch in einer Lage, die der meines Charakters nahe kommt.
Steigern bringt nichtsEiner meiner Spieler sagte anfangs (eigentlich beim ersten Mal, als es vorkam, danach nicht mehr, aber war ne super Diskussion), dass es nichts bringen würde, wenn man sein Wissen steigert, wenn man trotz super Werten daneben liegen kann und dann noch nicht einmal etwas davon weiß.
Das haben die, die schon länger dabei waren und ich ihm dann mit dem Punkt zuvor erklärt, aber das Gefühl wurde zumindest ein wenig erzeugt (und hätte sich, hätten wir es nicht thematisiert wohl auch länger gehalten. Ist vielleicht ein Unterpunkt des "kein Vertrauen" ... oder so?)
Ehrlichkeit kommt ja noch.
5. Wenn wir schon beim Mißtrauen sind... Wer sagt mir denn, dass der Spielleiter den für meine Figur gewürfelten verdeckten Wurf auch korrekt abwickelt. Resultat: 20 (Krit!) "Du, äh, siehst nichts!"
Ja, sowas macht ein guter Spielleiter ja nicht. Wir sind ja alle erwachsen! Stimmt, gilt aber auch für die Spieler!
MißtrauenJupps, glaube ich.
Spaßiges WürfelnWas ich als wichtiger erachten würde (Weil ich nicht glaube, dass ich angelogen werde, ich vertraue Menschen meist (zuviel)) ist, dass Würfel werfen Spaß macht. Mal ehrlich. Wir alle lieben das Geräusch von klackerndem Polyeder auf welch Unterfläche auch immer, oder? Ein wenig Aberglauben trotz besseren Wissens... Schuldig, oder?
Wenn die SL also würfelt, dann nimmt man dem Spieler irgendwie 1. den Spaß des Würfeln und 2. die Chance, das Schicksal selbst zu verschulden.
Das ist tatsächlich etwas doof. (Man könnte fast über einen dice-tower nachdenken, der zur SL aufgeht...)
Wer verdecktes Würfeln für den Spielleiter nutzen möchte, kann das gerne machen und wird auch seine Freude daran haben. Aber es ist nicht die einzige gute Lösung, wie man diese Situationen abwickelt!
Ich finde es okay und würde mich einer Runde, die das so macht auch nicht verweigern (oder da rumschmollen oder so), aber ich würde mich freuen, wenn man Akzeptanz wahrnehmen könnte, dass andere Wege genau so schönes Rollenspiel ermöglichen. Und das fehlt mir ein wenig bei den immer wieder auftretenden Diskussionen mit den alteingesessenen zu diesem Thema.
Und die Erwähnung von möglichen Alternativen fehlt mir auch im Kodex.
Gestoppte ZeitWas zudem noch für selbst würfeln spricht und nicht vergessen werden sollte ist die Zeit.
Wenn ein Spieler würfelt, kann die SL die Umgebung klären, erfragen, was die anderen machen, während der eine versucht die Hyroglyphensprache zu entziffern. Wenn der SL würfelt, dann steht die Zeit still und für diesen Moment kommt die Stimmung zum erliegen.
Btw. Online kann hier deutlich helfen, wenn Skripte oder sogar Charakterbögen nur den Wert raussuchen ist, oder die Spieler den Wurf anregen können, den Sie selbst dann nicht sehen.
Wissenstrennung bei Offensichtlichkeit.Wenn ein Charakter etwas nicht weiß, der Spieler aber schon, dann wird häufig nach meiner Erfahrung sehr übertrieben etwas nicht gewusst und sich dumm gestellt.
Wenn alle wissen, dass etwas falsch ist, der Spieler aber gesagt bekommt "Du bist überzeugt, die Zeichnung des kleinen Elfenmädchen ist magisch" und er redet 15 Minuten immer wieder davon, dass er damit alle retten wird, wenn er Sie geknackt hat, dann ... sagen wir einfach, es ist irgendwie schwerer zu spielen, als wenn wirklich alle nicht so wissen, ob es nicht doch vielleicht so ist.
Anmerkung: Ich bitte meinen Ton als "locker und flippig", nicht als "shocker und bissig" zu lesen. Es scheint mir - vor allem am Anfang etwas böser zu klingen, als es noch in meinem Kopf war (und ist).