Wenn ich mir nun diese Abläufe und Aufgaben des Johnsons anschaue, so denke ich, dass ein Konzern weniger einen arroganten Schnösel für solche Posten sucht, sondern eher umgängliche Leute, die Erfahrung im Umgang mit Runnern und Verbrechen haben - evtl. also ehemalige Runner.
Was meint ihr?
Gerade das ist ein guter Gedanke.
Ganz grob bildet jeder Johnson eine Brücke zwischen Konzern und Schatten.
Da gibt es nun aber große Unterschiede, die ich aber viel eher an den Anforderungen an Abstreitbarkeit und Geheimhaltung festmachen würde und ganz entschieden nicht am Professionalitätsbegriff, wie er hier (z.B. bei Rhylthar) angeklungen ist. Mit dem habe ich nämlich so meine Probleme.
Will heißen:
Auf der einen Seite gibt es die "hauptberuflichen" Johnsons, die weit weg vom Mutterkonzern ihrer Arbeit nachgehen. Ob die nebenbei noch in ähnlicher Form legal auftreten, ist erst mal egal. Sie sind abstreitbar, arbeiten meistens für mehrere Parteien (wenn auch für die meisten nur, um ihre Loyalitäten zu verschleiern) und sind im Grunde sehr nah am Schieber - das ist dann auch die Stelle, an der
in beide Richtungen die größte Durchlässigkeit besteht.
Diese Johnsons kennen sich in den Schatten aus und sind genau so auf ihren Ruf und generell "gutes Wetter" angewiesen wie Schieber und Runner.
Der Mutterkonzern betrachtet sie oftmals als notwendiges Übel und manche achten sehr genau darauf, dass solche Johnsons nicht zu sehr in die eigene Tasche wirtschaften - anderen wird das nur recht sein, weil es die Tarnung verbessert.
Die andere Seite sind die "nebenberuflichen" Johnsons, also jene Execs, die entweder irgendeine Privatfehde austragen, auf eigene Initiative was im Konzern bewegen wollen oder vertrauenswürdig genug sind, um direkt mit sehr heiklen Sachen betraut zu werden (man beachte hier den Zwiespalt zwischen Abstreitbarkeit und Geheimhaltung. Für die richtig heiklen Sachen nimmt man eben keinen Halbkriminellen - da kommt ein geraunter Halbsatz an die rechte Hand und ansonsten ist das nie passiert...).
Diese Johnsons haben dann auch mal - wie bei Flamebeard gerade angesprochen - eher wenig Ahnung von den Schatten und treten dementsprechend öfter mal ins Fettnäpfchen.
Mit denen gibt man sich aus Schattenperspektive hauptsächlich ab, weil es da entweder in regulärer Weise viel zu holen gibt (dringende und/oder hochriskante Aufträge) oder man so einen J. auch mal über den Tisch ziehen kann, wenn man es richtig angeht.
Hier wären dann auch die Execs dabei, deren tägliches Brot die grauen Konzerngeschäfte und -aktivitäten sind und die oft ihre eigenen Leute dafür haben, aber in manchen Fällen doch auf Runner zurückgreifen (müssen).
Johnsons waren in meiner Vorstellung immer die Brücke zur zutiefst korrupten, rein profitorientiert-entmenschlichten Konzernmaschinerie, die Kernelement der dystopischen Gesellschaftsstruktur im Cyberpunk ist. Diese Welt besitzt keinen Respekt vor Leben, vor geistigem oder Privateigentum und kennt keinen Begriff für Grundrechte mehr. Konzernsklaven sind Besitz, Asset und Ressource, der "kleine Mann" ist im Getriebe von "big money" nur eine Zahl von vielen Einsen und Nullen.
Ich finde diese Perspektive etwas zu platt.
Das Ganze wird für mich wesentlich interessanter, wenn eben nicht klar auf einer Seite die Guten und auf der anderen Seite die Bösen stehen.
Wenn man mit der Konzerndarstellung etwas näher am damaligen Vorbild bleibt, wird das viel mehr zum Goldenen Käfig statt zur Sklaventreiberhölle und die Schwerverbrecher auf der anderen Seite des Stacheldrahts müssen sich den Umstand schön reden, dass sie eben normalerweise nicht mal die Option haben, dort mitzumachen.
Durchlässigkeit/Mobilität in beide Richtungen funktioniert für Plotzwecke mMn nur ausreichend, wenn es auf beiden Seiten Licht und Schatten gibt.
Dann gibt es die Wahl zwischen der roten und der blauen Pille mit allem, was jeweils dran hängt.
Das heißt da passt m.E. durchaus auch ein eiskalter Typ für den Runner mitunter eine Ware zum verschleißen ist. Wenn die vom Run nicht zurück kommen, muss man auch niemanden bezahlen, und holt sich die nächsten.
Die Gegenseite ist aber auch nicht blöd.
Bei einem gescheiterten ernsthaften Angriff werden spätestens im Nachgang Hintertüren entdeckt, Insider sind verbrannt und viel an sonstigen Informationen ist auch hinfällig.
Das Ziel wird schlicht nicht einfach so weitermachen wie gehabt und man kann eben nicht einfach immer die nächsten paar Honks hinschicken, bis es klappt.
Der erste Versuch hat grundsätzlich die besten Chancen, deswegen sollte man es da gleich ordentlich machen - von mehrschrittigen Plänen mit Ablenkung & Co. mal abgesehen, aber das ist dann auch was komplett anderes.
Zuletzt:
Hm, ich finde die generelle Darstellung des Johnson als kalten Mittelsmann durchaus für stimmig. Denn in den meisten Fällen arbeitet er aus einer Position heraus, die eben weit über der der Runner steht (wenn man nicht gerade Argent und Co. anheuert).
Das passt aus meiner Warte so nicht.
Erst mal wollen beide was. Der eine will einen Auftrag ordentlich erledigt haben und die anderen wollen dafür gut bezahlt werden.
Runner wachsen aber definitionsgemäß nicht auf Bäumen, sondern sind selten genug, dass man hier mit dem alten "dann nehme ich halt ein anderes Team" oft genug nicht sonderlich weit kommt.
Ein Johnson, der so auftritt, hat wohl vor Allem im Vorfeld seine Hausaufgaben nicht gemacht, wen er jetzt warum anheuern will und sollte.
Und sobald man sich geeinigt hat, sind sich beide Seiten gegenseitig ein gutes Stück weit ausgeliefert.
Die Runner sind zumindest anfangs gezwungen, dem J. zu vertrauen.
Umgekehrt ist der J. aber a) oft genug Anstifter für ein Schwerverbrechen* und b) haben die Runner in Sachen McGuffin u.Ä. oft genug weitere Möglichkeiten, sich abzusichern und/oder ihm massiv zu schaden.
Hier trennt sich das Ganze dann wieder entlang der eingangs genannten Linie:
"Schattige" Johnsons bauen hier auf ihren Ruf und haben ganz entschieden ein Eigeninteresse daran, dass alles glatt läuft.
Für den J. mag alles rein geschäftlich sein, aber für die Runner ist es immer persönlich, wenn was schief läuft und sie zu Schaden kommen - und sie haben nur eine Anlaufstelle für ihre Beschwerden...
Ein Johnson mit engerer Konzernbindung kann darauf wohl eher pfeifen, weil er anders als sein dezenterer Kollege mit einem Riesenhaufen Feuerkraft in der Hinterhand unterwegs ist und mit Geld um sich wirft, wo er nur kann.
Für ihn ist nur wichtig, am Ende wieder auf Konzerngelände zu sein und die ganze Scheiße bleibt vorm Tor.
Außer, wenn sie das eben mal nicht tut - siehe oben: ausreichend angefressene Runner machen keine rationalen Kosten-Nutzen-Rechnungen auf und werden schnell zu einem großen Problem.
Es ist schon schlimm genug, wenn man als solcher J. für die lokalen Schatten verbrannt ist, aber wenn das dann auch noch für komplette öffentliche Bereiche gilt oder einem wirklich ein halbwegs brauchbares Runnerteam ans Leder will, kommt da auch schnell der Zeitpunkt, wo der eigene Stuhl wackelt.
Solche Schattenkriege sind für keine Seite schön, aber zumindest gegen einen einzelnen J./Exec stehen die Runner gar nicht so schlecht da, wenn es ihnen wichtig genug ist.
Davon zerbricht natürlich kein AAA-Konzern, aber für den betroffenen Johnson ist das ein schwacher Trost.
*je nach Vorgeschichte, Kontakten und strategischem Konzept kann es manchen Runnerteams sogar weitgehend egal sein, wenn sie die Sache inklusive ihrer eigenen Beteiligung publik machen. Wenn die in der Hinsicht anfangen, mit Scheiße zu werfen, bleibt das auf mittlere Sicht nur am J. hängen.