Autor Thema: An Frust wachsen  (Gelesen 1634 mal)

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Offline Sashael

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An Frust wachsen
« am: 12.02.2018 | 13:15 »
Disclaimer: Ich weiß nicht ganz genau, wo ich mit diesem Thread hin will oder ob es überhaupt eine große Diskussion geben soll. Also gelten hier erstmal von meiner Seite aus nur die Regeln des freundlichen Umgangs. Seid also lieb zueinander. ;)

Hallo liebe Gemeinde!

Am Sonntag habe ich mit meiner Familie Arcadia Quest: Inferno gespielt, genauer gesagt das vierte Szenario unserer Kampagne. Wem der Name des Spiels nichts sagt: Arcadia Quest ist ein kompetitives Brettspiel, bei dem man mit den drei Helden seiner Gilde versuchen muss, zuerst drei Questen in einem Szenario zu erledigen, von denen einige immer PvP-Questen sind. Das Spiel ist sehr zufallslastig, was ich persönlich allerdings gar nicht als Bug, sondern als Feature sehe. Leider gab es gestern doch eine Menge Frust und Knatsch, da zum einen die Frau des Hauses bei früheren Szenarien Fehlentscheidungen bezüglich ihrer Ausrüstung getroffen hatte, die sich nun doch sehr gravierend auf ihre Spielfähigkeit auswirkten und zum anderen mein Sohn mein (wirklich peinlich großes) Würfelglück bemängelte.
Die Frau des Hauses hat mit sehr viel diplomatischer Arbeit durchgedrückt, dass wir das Spiel nicht in die Tonne kloppen, sondern versuchen, an den Herausforderungen und am entstandenen Frust zu wachsen, wobei Letzteres besonders in Richtung meines Sohnes ging. Und siehe da, es hat uns zwar den kompletten Sonntagnachmittag gekostet, aber wir haben das Szenario beendet und dank einer kleinen Hausregel auch alle Vorfreude auf die nächste Runde entwickelt. Wir haben zwischenzeitlich vermutet, dass der zuckersüße Ghibli-Stil der Figuren nur dazu dient, dass man vergisst, wie brutal frustrierend das Spiel sein kann. ;D

Nach einer Nacht drüber schlafen ist mir aufgefallen, dass ich frustriertes Verhalten auch beim Rollenspiel oft beobachte. Sei es, dass der Würfel nach dem dritten verkackten Wurf schon mit mehr Wucht in den Würfelbeutel zurückbefördert wird, sei es, dass auf Rückschläge bezüglich des eigenen SC wesentlich stärker reagiert wurde, als es der Wichtigkeit angemessen wäre.
Persönlich möchte ich mich davon nicht ausnehmen, besonders wenn die Mathematik eines Systems (vielleicht auch scheinbar) nicht stimmt, reagiere ich oft ungehaltener, als ich müsste und gebe dem entsprechenden System früher oder später den endgültigen Laufpass.
Allerdings bin ich besonders im Bereich Charaktere streßresistenter als andere mir bekannte Spieler. Ich durfte schon des öfteren aus diversen Gründen nicht meinen Wunschcharakter spielen, nehme mir dann einen anderen und versuche, das Beste draus zu machen. Oder wenn ein Charakter stirbt, well, shit happens ... Next! Bei anderen Spielern habe ich allerdings gar nicht so selten eine Wenn-ich-dies-und-das-oder-den-und-den-nicht-spielen-darf-dann-spiel-ich-gar-nicht-Haltung erlebt. Oder dass beim Charaktertod die komplette Kampagne sausen gelassen wird. Oder dass auch bei Systemen wie den XYZ-slayer-Spielen darauf hingewiesen wird, dass man das persönlich ja nicht so gut findet, wenn von vornherein mit Ausweichcharakteren geplant werden soll. Was in meinen Augen allerdings eher ein Feature von diesen Spielen ist. Charakter tot? Bau dir nen neuen, dauert 10 min und du steigst wieder mit ein.

Nehme ich das nur so wahr, oder sind Spieler in Bezug auf SCs sensibler geworden? Und was ist mit dem Umgang mit Würfelpech? Darf es keine echten Rückschläge mehr geben, weil sonst die Motivation der Gruppe leidet?

Oder sollten Spieler lernen, mit Frust konstruktiv umzugehen und lieber mal ein "YAY, NEXT!" zuviel in den Raum werfen, anstatt über jeden Charaktertod und jeden Kampagnenrückschlag eine Sinnkrise zu bekommen?

Oder bin ich ein zynischer Mistkerl, der engagierten Spielern ihre tiefe Verbundenheit mit ihren SC mißgönnt, weil er das einfach nicht nachvollziehen kann?

wtf?
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Offline Hotzenplot

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Re: An Frust wachsen
« Antwort #1 am: 12.02.2018 | 13:36 »
Nehme ich das nur so wahr, oder sind Spieler in Bezug auf SCs sensibler geworden? Und was ist mit dem Umgang mit Würfelpech? Darf es keine echten Rückschläge mehr geben, weil sonst die Motivation der Gruppe leidet?
Ich glaube, der Umgang mit dem Thema ist insgesamt etwas sensibler geworden. Man achtet mehr auf den Metabereich des Spiels und da gehören diese Sachen rein. Das sensible Thema Charaktertod ist ja schon rauf- und runterdiskutiert worden und wird vermutlich immer wieder innerhalb von einzelnen Runden (am besten vorher) angesprochen und diskutiert.

Ich persönlich liebe den Kick beim Würfeln. Deshalb würfele ich ja. Sowohl als SL, als auch als Spieler. Andererseits spiele und leite ich gerne mit Gummipunkten, die das Risiko im Extrem etwas dämpfen, aber noch genug Raum zum Zittern (und Frusten) lässt. Ich mag es, auch mal Pech zu haben, um beim nächsten Mal wieder größer aufzutrumpfen.

Oder sollten Spieler lernen, mit Frust konstruktiv umzugehen und lieber mal ein "YAY, NEXT!" zuviel in den Raum werfen, anstatt über jeden Charaktertod und jeden Kampagnenrückschlag eine Sinnkrise zu bekommen?
Jain. Egoistisch betrachtet würde ich mir das wünschen. Aber Rollenspiel ist ja nicht für die Erziehung da. Beim Beispiel mit deinem Sohn ist das sicher noch was anderes und ich finde es super, dass ihr das auch für ihn so gemacht habt.
Meiner Meinung nach gehören zu jeder guten und dramatischen Geschichte Niederlagen. Aber es gibt eben auch Typen, die sich im GOD-Mode durch Computerrollenspiele cheaten und irgendwie Spaß dabei haben.
Ich würde solche Leute ungern "erziehen" wollen. Klar, ich würde ihnen meine Version der Vorstellung eines tollen Spiels zeigen, aber wenn sie es nicht mögen, dann bin ich eher für eine Trennung der Runde von diesem Spieler oder umgekehrt, als da noch groß erziehen zu wollen.
Von einem Spieler haben wir uns vor einiger Zeit aus genau diesen Gründen getrennt. Hier war es das Thema Charaktertod und das Zitat "wenn sowas wie bei meinem SC XY vor längerer Zeit jetzt nochmal passiert, bin ich raus!". Am Ende stand eben die Trennung. Das hatte aber auch noch mehr Gründe auf beiden Seiten, ohne das ich ihm da explizit die Schuld gebe, aber darin kam auch der sehr unterschiedliche Umgang mit Frust bzw. Rückschlägen im Spiel vor.

Oder bin ich ein zynischer Mistkerl?
Ja.  ~;D
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Offline Kardohan

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Re: An Frust wachsen
« Antwort #2 am: 12.02.2018 | 13:41 »
Mich frustet es ja auch, wenn an einem alles danebengeht, was danebengehen kann. Aber das kommt eben vor, wie die Tage wo selbst die irrsinnigsten Aktionen klappen. So ist es eben wenn man zufallsbasierte Spiele spielt.

Das man manchmal einfach nicht den Wunschcharakter bekommt, gehört auch dazu. Gibt meist auch eine interessante 2te Wahl oder spiele mal was ganz anderes. Bei den Systemen die ich bespiele, macht es meist auch nix aus wenn wir eben mal zwei sehr ähnliche Archetypen  am Tisch haben. Am Ende unterscheiden sie sich durchs jeweilige Spiel eh gewaltig.

Charaktertod gehört dazu. Teflon-Billies und Mary-Sues sind einfach lame. Und die Schneeflocken da draussen haben einfach nicht gelernt, dass gerade eine Niederlage meist die besseren Möglichkeiten und Geschichten abwirft.
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Kardohan klingt immer so als ob er einen gerade lynchen will, wenn es darum geht Regeln zu erklären, das muss man einfach überlesen, dann sind die Posts super  ~;D  --- Dragon

Offline Blechpirat

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Re: An Frust wachsen
« Antwort #3 am: 12.02.2018 | 13:44 »
Also für mich kommt es sehr darauf an. Brettspiele und Computerspiele sind eine Sache, Rollenspiele eine andere. Ich kann 4x versuchen, eine Mech vs. Minions (Brettspiel) Mission durchzuspielen (habe aber nach dem 3x verlieren keine Gruppe mehr) und stelle bei WoT (Computerspiel) im Vergleich zu Feuersänger und Quendan eine leicht erhöhte Frustrationstoleranz fest.

Dafür mag ich Charaktertode gar nicht, weil damit eine Geschichte endet...

Offline Grey

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Re: An Frust wachsen
« Antwort #4 am: 12.02.2018 | 13:45 »
Nehme ich das nur so wahr, oder sind Spieler in Bezug auf SCs sensibler geworden? Und was ist mit dem Umgang mit Würfelpech? Darf es keine echten Rückschläge mehr geben, weil sonst die Motivation der Gruppe leidet?

Oder sollten Spieler lernen, mit Frust konstruktiv umzugehen und lieber mal ein "YAY, NEXT!" zuviel in den Raum werfen, anstatt über jeden Charaktertod und jeden Kampagnenrückschlag eine Sinnkrise zu bekommen?

Oder bin ich ein zynischer Mistkerl, der engagierten Spielern ihre tiefe Verbundenheit mit ihren SC mißgönnt, weil er das einfach nicht nachvollziehen kann?
Ist letzteres eine ernste Frage? ;D

OK, meine 2-3 Cent: Es gab immer schon unterschiedlich starke Bindungen zwischen SC und Spieler. Da sind sowohl die Spieler unterschiedlich gestrickt als auch die Spielrunden unterschiedlich intensiv. Ich selbst hatte schon Charaktere, deren Tod mir unerträglich gewesen wäre, aber auch Figuren, deren Verlust ich mit einem Achselzucken hingenommen hätte. Mal so, mal so. "Sensibler geworden" kann ich also so nicht bestätigen.

Allerdings sehe ich es schon so, dass man als Spieler immer eine gewisse Frustresistenz mitbringen bzw. sich im Lauf des Spiels aneignen sollte. Abenteuer, die immer nur erfolgreich im Sinne der SCs verlaufen, sind stinklangweilig. Ich als Spieler will ganz klar meine Rückschläge und (entsprechendes Setting vorausgesetzt) die Würze, dass Todesgefahr auch tatsächlich zum Tod führen kann -- egal wie sehr ich an dem Char hänge. (Ich erinnere mich bis heute peinlich berührt an ein LARP vor 20 Jahren, als meine Mitspieler nach verlorener Endschlacht die Orga so lange vollgejammert haben, bis der Ausgang der Schlacht revidiert wurde.)

Das heißt aber nicht, dass ich nach dem Tod "YAY, NEXT!" brüllen würde. Wenn mir ein liebgewonnener Charakter draufgeht, betrauere ich ihn. Und baue mir für den Wiedereinstieg dann ganz was anderes.
« Letzte Änderung: 12.02.2018 | 13:50 von Grey »
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
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Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)

Offline 6

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Re: An Frust wachsen
« Antwort #5 am: 12.02.2018 | 13:50 »
Zum einen habe ich nicht das Gefühl, dass die Spieler da sensibler geworden sind. Das war früher auch schon immer ein Thema gewesen.
Zum Anderen glaube ich, dass das eine Frage der Motivationsart ist, warum Rollen gespielt wird. Für ne Menge Spieler ist der Charakter eigentlich eine Art Selbstdarstellung oder eigene Wunschvorstellung, in die man eintauchen will. Und da sind negative Eingriffe besonders wenn sie zum Verlust der eigenen Wunschvorstellung zur Folge haben, extrem kontraproduktiv.

Ist also einfach ne andere Art der Spielmotivation.
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline KhornedBeef

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Re: An Frust wachsen
« Antwort #6 am: 12.02.2018 | 13:57 »
Ich seh das wie die meisten meiner Vorredner. Es gehört für mich dazu, egal ob ich nur ganz gonzo lustige Geschichten spinnen will oder buchstäblich mit den Figuren mitjubele und mitleide. Das sind zwei Seiten einer dramatischen Medaille, und ich nehme nichts davon persönlich. Ich würde aber auch nie ein Rollenspiel spielen, a) nur um zu gewinnen oder b) um nur zu gewinnen.  8)

Allgemeiner: Mit Frust umgehen sollte man lernen, durch vereinzelten Frust, nicht permanenten. Im Gegensatz zu einem vernüftigen Brettspiel hat man beim Rollenspiel halt öfter unterschwellige Frustquellen die man so mitschleppt.

Noch allgemeiner: Finde ich gut mit deinem Sohn; Unter gleichberechtigten Erwachsenen stünde mir Bilden statt Erziehen gut zu Gesicht, d.h. ich versuche mich am Riemen zu reißen, nicht immer "mach das und mach dies so" zu sagen (es passiert), sondern einfach Situationen zu erzeugen, über die Leute in Ruhe nachdenken können. Auch nicht dauernd, siehe Frust.
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
Firepower, B&C Forum

Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.