Inwiefern übergriffig? Kannst du mir das ggf. etwas näher erklären, weil ich das irgendwie nicht verstehe.
Ich stelle mir die Situation vor: Wir spielen, eine gegebene Szene tritt ein, in der ich überlege, was ich machen kann und vor allem auch machen
möchte. Der Spieler neben mir guckt plötzlich auf meinen Charakterbogen und oktroyiert mir schon fast: "Durch hast doch ABC - mach einfach Aktion XY!" Das finde ich auf mehreren Ebenen unangenehm:
Erstens ist für mich mein Charakterbogen meine Privatsphäre und mein (geistiges) "Eigentum". Da geht man nicht
ungefragt dran, auch wenn er auf dem Tisch liegt. Genauso wenig wie an meine Würfel. Beides liegt ja auch, im Gegensatz zu Bodenplänen, Chips, Pizza, dem Betrunkenen Spieler des Zwergen von letztem Abend usw. auch
vor meinem Platz, nicht in der Mitte des Tisches.
Mein Shice also.
Zweitens hat es auch immer eine Aussage auf anderen Ebenen. Da kann - je nach Situation und beteiligten Personen - mitschwingen: "komm ich helfe dir, wir kriegen das schon hin", aber auch "Du kannst das Spiel nicht", "Ich weiß besser, was in dieser Situation von den Regeln / der Dramaturgie angebracht ist" "Stell dich nicht so an" usw. Das ist eine Interaktion die für mich ganz klar in meinen Entscheidungsraum eingreift, auch wenn ich letztlich nicht dazu
gezwungen bin, der Aufforderung Folge zu leisten. Aber es stört es mich beim Denken und bei der "Entfaltung meines Charakters" (klingt hochtrabender, als ich das meine): Nicht alles, was auf dem Charakterbogen steht, möchte ich auch zu jedem gegebenen Zeitpunkt anwenden oder preisgeben. Manchmal, weil ich es nicht für passend halte, aber manchmal auch, weil ich als Spieler grad einfach nicht in der Stimmung bin. Und wenn ich mir nicht sicher bin, dann frage ich schon selbst.
Drittens hab ich da oft nicht nur Werte drauf, sondern auch Notizen, Gedankengänge, abstruse Ideen. Die zu lesen ist für mich wie in meinen Kopf einzudringen. Das mag ich nicht. Schon gar nicht ungefragt. Also gilt:
Das muss nicht bedeuten, dass ich Geheimnisse habe. Ich gebe durchaus einen Charakterbogen auch mal weiter. Aber ob, wann und wie entscheide alleine ich.
Ich behaupte einfach mal, der Großteil der 3.5- und PF-Spieler würde sich eher wundern, wenn die Mitspieler nicht recht genau wissen wollen, was die anderen Charaktere so können.
Da ist die Einstellung zum Charakter wohl deutlich anders.
So was spiel ich nicht, da kann ich nicht mitreden. System Mastery und gewinnen wollen ödet mich an.
Nee im Ernst: In diesen Spielen mag das Sinn machen, weil es ja ein Stück weit auch um darum geht, sowohl effektiv wie auch effizient zu sein. Ich glaube aber, dass es bei Vampire Spielern™ schon anders aussieht.