Ich hätte "Balancing" so verstanden, dass unterschiedliche Steigerungswege zu einem sich ähnlich auswirkenden Kompetenzniveau führen. Das scheint es aber nicht zu geben, sobald es Wahlmöglichkeiten gibt. Da ist immer eine Wahl besser als die andere
Falsch. Das gilt nur dann, wenn die Zielfunktion eindeutig ist, und ein bekannter(!) und kalkulierbarer(!) Entscheidungsweg zum Optimum der Zielfunktion besteht.
Das ist im Rollenspiel nur sehr selten der Fall, und meistens zeitlich oder fachlich nur sehr eingeschränkt gültig (bspw. für einen Kampf, oder nur für Kämpfe unter gewissen Bedingungen, oder nur für das Erwirtschaften von Geld in einer bestimmten Stadt, ...)
Das klingt jetzt vielleicht nach PG-Slang, du kannst es mir entweder einfach glauben, oder versuchen meiner Veranschaulichung zu folgen:
Eindeutigkeit der Zielfunktion:
Man müsste formalisieren können, welches das optimale Resultat ist. D.h. bei Plots mit verschiedenen Endings (und darunter fällt z.b. auch sowas wie "überlebt Bäuerin Margit den Orkangriff in Hinterfallendorf?"), müsste ich bereits wissen, welche Endings (oder Komponenten von Endings) ich wie stark priorisiere. Diese Prioritäten müssten über den gesamten Verlauf der Kampagne stabil bleiben.
Bekanntheit der Entscheidungen:
Man müsste wissen, welche Entscheidungen zu treffen sind, welche Kompetenzen sie verlangen, und welche Konsequenzen sie haben. Allein schon durch das Zufallselement ist das non-trivial: Ist ein höheres Risiko, das mir höheren Gewinn erlaubt *besser*, als ein sicherer geringer Gewinn mit keinem Risiko?
Kalkulierbar:
Schach hat eine optimale Lösungsstrategie. D.h. im Schach gibt es immer genau einen Zug, der besser ist als alle anderen. Leider ist der jenseits der Rechenkraft von Powergamern.
Um das ganze zu modulieren, müsste man zudem die Zielfunktionen und das Rational-Choice-Verhalten der Mitspieler und des SL kennen (hier wird es dann spieltheoretisch).
In den allermeisten Fällen, und das gilt auch für viele PC-Spiele, hilft ein bisschen Mathe und System-Mastery zwar beim Einschätzen guter Kombinationsmöglichkeiten, aber durch die immens hohe Diversität von Spielinhalten (Encountern), der Dynamik von Spielentwicklung, versteckter Information, und vor allem auch der Unüberschaubarkeit von Systemen selbst, ist die Frage, ob eine Entscheidung immer besser als eine andere ist, aus einer praktisch-anwendungsorientierten Sicht nicht trivial, meistens sogar garnicht beantwortbar.
Zuletzt gibt es noch soetwas wie "Balancing durch Meta": Wenn die Kombination aus Barbaren-Axt und Elfenflorett sehr kampfstark ist, etabliert sich schnell eine Strategie, die die Vorteile aushebelt (Schere-Stein-Papier-Systeme), wie bspw. Fokus auf Fernkampf.
- und desto schwerer die kleinen Unterschiede und ihre Auswirkungen zu entdecken sind, desto mehr Spass ist es für den Powergamer. Desto unwahrscheinlicher ist es aber auch, dass irgendjemand anderes sich dafür interessiert.
Ich fände ein System mit weniger gewichtigen Unterschieden attraktiver. Aber du hast Recht, die Komplexität des Systems ist durchaus ein Faktor, der mich reizt. Aber nicht jedes komplexe System muss unzugänglich für nicht-Regelfanatiker sein.