Also nochmal ganz langsam, zum mitmeißeln:
1. Rumpel sagt: OSR ist so geil abgefahrrnes Zeug!
2. Fakten sagen: OD&D und frühes AD&D fußen auf Weirdness, Sci-Fi, Psychedelika, NSFW-Content, Sword & Sorcery, Sword & Planet.*
3. Fakten sagen: Die OSR hat sich ausdrücklich auf diese Werte rückbesonnen, um aus diesem Reichtum und dem lückenhaften Grundgerüst tausend Blumen sprießen zu lassen.**
4. Settembrini betont: Das, was Rumpel an der OSR mag ist kein Zufall, sondern direktes Resultat der Rückbesinnung und Neuinterpretation genau der Einflüsse aus 2.
5. Rumpel und A. kalinowski behaupten es sei historischer Zufall, daß aus 3. Produkte folgen, die die Werte von 2. vertreten.
Dem zusammen mit dem, was 1ff3 weiter oben schreibt, kann ich folgen ... ich habe keinerlei Einwände gegen Punkte 2 bis 5 - wenn ich "historischer Zufall" schrieb, meine ich, dass es für mich nach wie vor keinen erkennbaren Konnex zwischen den konkreten alten und ältesten Regelmechanismen und dem gibt, worauf OD&D und AD&D als Inspirationsquellen fußen. Weshalb mir die kultische Verehrung der "Originalregeln" suspekt ist und ich deutlich mehr Verständnis für Sachen wie DCC und LotFP habe, die von den klassischen Regelb her etwas entwickeln, das auch im Regeldesign bewussster auf bestimmte Spielerlebnisse zugeschnitten ist. Sind immer noch nicht meine Lieblingssyteme, aber sie leuchten mir ein, und ich habe beide bereits mit Vergnügen gespielt (übrigens früher auch AD&D 2nd).
S&W leuchtet mir dagegen nivht ein, weil das Klassendesign, das dort übernommen wird, eben ziemlich deutlich auf einem Verständnis unterschiedlicher Einheiten ruht, die bestimmte Dinge eben können oder nicht. Dass das dann in der Praxis um einen weitreichenden Rulings-Ansatz erweitert worden ist, ist mir klar, auch, dass der wichtig ist. Das Spielsystem begünstigt diesen Ansatz aber nur insofern, indem es ganz offensichtlich nicht auf die Art von Spiel hin konstruiert ist, die dann später teilweise damit angestrebt/praktiziert wurde.
(@oliof:
Da sehe ich den Appendix N übrigens auch ganz anders. Die Vorstellung, dass das im Prinzip eine Leseliste ist, aus der man erfährt, wie OD&D gespielt werden sollte, halte ich für unglaubwürdig. Da steht auch der Herr der Ringe drin, und kein Mensch kann mir erzählen, dass man OD&D wie den Herrn der Ringe spielen soll (wa auch immer genau as heißen soll), und gleichzeitig wie Nehwon. Der A-N ist eine Liste von Inspirationsquellen, die sich wenn dann nur eklektisch verstehen lässt.Ich habe übreigens hier versucht, mir da einen Reim drauf zu machen (
https://www.tor-online.de/feature/games/2017/10/die-freiheit-frodo-nicht-auf-die-fuesse-zu-treten/). Historisch ist der interessant, ihn aber wie eine Anleitung zu behandeln, die verrät, wie alte D&Ds zu spielen oder die gar die Regeln verständlich macht, halte ich für Unsinn.
Natürlich lässt sich der konkrete Zusammenhang zwischen Regelmechanismen, später hinzukommenden Inspirationsquellen und den sich dann daraus ergebenden Spielweisen nicht leugnen. Aber der Glaube daran, dass die Leute nur mal mit den "richtigen" alten Regeln "richtig" spielen müssten, um es zu verstehen, erscheint mir bestennfalls esoterisch - als ging es um eine Art rational nicht zu erklärendes "Erweckungserlebnis". Muss ich mir wirklich auf der Regelebene "Originaltexte" und "Originalmechanismen" draufschaffen, bevor ich mitreden darf, wenn ich mit DCC und LotFP vertraut bin und beide mir deutlich klarer vermitteln, wobei sie mich unterstützen und wobei nicht, als ein verquaster Beinahe-Klon wie Swords&Wizardry?
Oder mal noch weitergehend: Kann ich die von Set in 2 angeführten Einflüsse und die in 4 genannte Rückbesinnung und Neuinterpretation nicht schätzen, ohne mich dabei für B/X oder was auch immer begeistern zu müssen? Komischerweise finden gerade viele "Macher" der OSR das ja anscheinend durchaus so, sonst könnte Frog God Games schlecht mit "5ed rules, 1ed feel" werben. Auch Gavin Norman von Wormskin war der Meinung, dass man sein Setting sicher auch super mit Beyond the Wall spielen könne, was nun wieder alles andere als ein "sauberer" Retroklon ist, und die Macher von BtW selbst haben im Interview erklärt, dass sie eigentlich ein eigenes System entwickeln wollten und sich dann nur auf OSR bezogen haben, weil das eben die "Lingua Franca" sei und nicht wegen irgendwelcher Qualitäten der Mechaniken, die besonders gut zu ihrem Projekt gepasst hätten.
Der ganze heilige Ernst um alles vor der/bis zur roten Box erschließt sich mir also nicht. Dass die entsprechenden Regeln zugleich die Notwendigkeit für Rulings erzeugt als auch den Raum für sie bereitgestellet haben - geschenkt. Dass das wichtig für's Rollenspiel war und das auch die heutige Reflektion darüber sinnvoll ist - geschenkt. Aber warum man deshalb z.B. nicht in der Darstellung unterschiedliche, rechnerisch aber praktisch gleiche Mechanismen wie Rettungswürfe und und Angriffswürfe angleichen darf, warum man seitenweise Trefferchancentabellen abdrucken muss, anstatt einen Base-Attack-Bonus o.Ä. zu verwenden und die einfache Rechenaufgabe, die dahintersteckt, sobald man mal alle Plus- und Minuszeichen nachvollziehbar gesetzt, zu erklären, warum man nicht einfach mal deutlich sagen kann, wie man sich das mit dem Schleichen heutzutage denkt, anstatt alle Uneingeweihten stur im Unklaren darüber zu lassen, ob das jetzt NUR Diebe können oder ab ALLE es können und die Diebe bei gelungenen Wurf
perfekt, das kapiere ich beim besten Willen nicht.
Da wird zugunsten des "Eingeweihten"-Getues so viel wieder verschenkt; unter anderem wird eben auch die Transparenz vermieden, die dabei helfen würde, OSR-Settings auf andere Systeme zu konvertieren, wenn man eben an den konkreten mechanischen Features nicht so viel Interesse hat. Stattdessen läuft man dauernd gegen die "Du gehörst nicht zu uns, wenn du nicht schon seit zwanzig Jahren nach der Holmes-Edition spielst"-Mauer.