Gut möglich. Nur verstehe ich ehrlich gesagt den Grund dafür nicht.
Worum geht es einem solchen Spielleiter eigentlich?
Um Macht (Ich sitze am längeren Hebel, egal was ihr tut)?
Um Kontrolle?(Ich allein entscheide, was passiert)
Wenn die Spieler sich bevormundet oder kontrolliert fühlen, dann werden sie doch auf Dauer an seinem Spieltisch nicht glücklich.
Damit schneidet man sich doch nur selbst ins Fleisch...... Don't understand.
Es geht meistens darum, wichtige Kernpunkte der Geschichte nicht nur einfach herunterzuerzählen, sondern erlebbar und erspielbar zu machen. Z.B. könnte man sich überlegen, eine Kampagne zum 1. Weltkrieg am 28. Juni in Sarajevo zu starten, wo die Spieler live das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand miterleben.
Den Spielern einfach zu herunterzuerzählen, wie sie durch ein Caféfenster beobachten, wie die Karosse des Erzherzogs vorfährt, wie Gavrilo Princip aus dem Restaurant gegenüber kommt, wie er seine Waffe auf den österreichischen Thronfolger richtet und die tödlichen Schüsse abgibt, ist eben blöd.
Die Spieler die Szene ausspielen zu lassen ist natürlich eindringlicher — wenn die Spieler die Waffe sehen, die Charaktere aufspringen, versuchen, den Fahrer zu warnen, den Attentäter aufzuhalten, dem Opfer das Leben zu retten. Wenn die Würfel rollen und die Fatepunkte fliegen, ist das ganze Erlebnis viel eindringlicher und erinnerungswürdiger, als wenn alle dem SL beim Erzählen zuhören. Aber wenn man mit alle dem Aufwand den Ausgang der Szene nicht verhindern kann, ist es auch blöd.
Und wenn der Erzherzog nicht stirbt und die ganze 1. Weltkrieg-Kampagne schon in der 1. Szene in ein Alternate History-Setting abdriftet und die ganzen Recherchen und Vorbereitungen für die Katz sind, ist das auch blöd.
Und blöd nicht nur für den SL, sondern eventuell auch für die Spieler, die eigentlich alle für eine Kampagne im 1. Weltkrieg an Bord waren und nicht davon ausgehen, dass die Handlung ein normales und nachvollziehbares Ausspielen der Charaktere nicht verkraftet.
Railroading entsteht m.E. meistens aus der Absicht, den Spielern eine interessante Geschichte zu bieten, ohne zu verstehen, was die Grenzen und Besonderheiten des Rollenspielmediums sind und dem Unvermögen, als SL souverän und flexibel reagieren zu können, wenn man doch einmal eine Sache übersehen hat. Ganz besonders schlimm ist das, wenn man ein Kaufabenteuer leitet, bei dem man davon ausgeht, dass erfahrenere und weisere Leute als man selbst das mit viel Erfahrung und Testen auf Fehler und Lücken überprüft haben. Wenn einen dann das Abenteuer im Stich lässt und die ganzen Seiten mit Proben, Handouts und Encountern plötzlich wertlos werden, kann ich auch gut verstehen, wie Anfänger dann in Panik geraten und versuchen, die Gruppe wieder in das Gehege zu treiben, das vom Abenteuer abgesichtert ist — vor allem, wenn man nicht darauf kommt, dass vielleicht nicht der SL oder die Spieler irgendetwas falsch gemacht haben, sondern einfach der Abenteuerautor versagt hat.
Aber gerade aus meiner DSA-Anfangszeit kann ich das gut nachvollziehen: Man leitet noch nicht lange, man hat überall gelesen, dass man gleichzeitig Erzähler und Darsteller für alle Nebenrollen und Regelanwalt und Moderator und Organisator sein soll, die Spieler sind alles Jugendliche, die gern auch mal ein bisschen triezen, ihre eigene Unsicherheit durch Lächerlichmachen überspielen und sich ungern exponieren wollen. Und wenn dann das Kaufabenteuer, auf das man sich eigentlich verlassen hatte, um einen durch diese stressige Situation zu bringen, unerwartet versagt, da wird einem einfach der Boden unter den Füßen weggezogen. Und damals war meine erste Reaktion auch, erstmal wieder auf "festes" Land zu paddeln und es hat mich zur Verzweiflung gebracht, wenn die Spieler dann sozusagen versucht haben, mich noch tiefer ins Wasser zu ziehen. Erst mit der Zeit habe ich kapiert, dass Rollenspiel an diesen Stellen nicht kaputt ist, sondern eigentlich funktioniert, wie es soll. Dass ich mich auf solche Sachen vorbereiten muss und dass ich Schwachstellen in Kaufabenteuern und in Eigenkreationen erkenne und umgehe, wo das gesamte Abenteuer an einer einzigen Stelle davon abhängt, dass die Spieler unbedingt das eine und nicht das andere tun oder wissen.