Ich glaube nicht, dass es dem OP um in irgendeiner Form "teutonische" Rollenspielprodukte geht. Er bezieht sich ja selbst schon auf DSA und Splittermond, welche ja stilistisch jeweils auf ihre Weise sich doch irgendwie anders anfühlen als meinetwegen die Vergessenen Reiche oder Golarion, obwohl ihnen allen gemein ist, dass es sich dabei um klassische EDO-Fäntelalter Kitchen Sink Settings handelt.
Was mir persönlich immer wieder auffällt, ist dass gerade amerikanische Rollenspielerzeugnisse oftmals ein wunderliches Bild des europäischen Mittelalters seitens der Autoren erkennen lassen. Natürlich ist auch z.B. Aventurien in seinen Mittelalterreferenzen auch nicht wirklich auf historische Korrektheit bedacht - muss es auch gar nicht - aber allein dadurch dass es sich eher bei der hierzulande verbreiteten romantisierenden Vorstellung des Mittelalters bedient, sorgt halt dafür, dass es sich anders anfühlt. Ich würde wirklich nicht soweit gehen, zu sagen, dass es in irgendeiner Form besser ist als die amerikanischen Settings, allerdings ist es halt eher im Einklang mit der Prägung, die man hierzulande durch Märchen, Sagen und Geschichtsunterricht in der Schule mitbekommt und dadurch für manchen sicher gefühlt zu bevorzugen.
Bekanntlich scheiden sich die Geister an dieser Frage und Aventurien wird ja gerne von Anhängern der Gegenseite als Hotzenplotz-Fantasy verhöhnt, allerdings zeigt der Erfolg von DSA ja, dass es einen (durchaus vergleichsweise großen) Markt genau dafür gibt - und ich denke, dass es dem OP genau darum geht.
Ich persönlich denke allerdings, dass der Markt für ein D&D Setting eher europäischer Prägung überschaubar wäre. Nicht wenige D&D-Spieler bevorzugen ja D&D gegenüber DSA eben weil sie die unterstellte Hotzenplotzigkeit des Settings nicht abkönnen und die amerikanischen Settings tatsächlich bevorzugen. Davon abgesehen würde man sich halt mit so einem Unterfangen mit dem Platzhirsch schlechthin anlegen. Dass mit Splittermond schon ein "contender to the throne" existiert macht das Ganze nicht unbedingt einfacher.
Was aus meiner Sicht funktionieren könnte, wäre ein Erweiterungsband, der es ermöglicht Aventurien mit D&D-Regeln zu bespielen und z.B. setting-relevante Rassen, Klassen und/oder Archetypen, Zaubersprüche, Magic Items, Monster usw. beinhaltet. Die Lizenzpolitik von WotC wird sowas wohl auf absehbare Zeit unmöglich machen, und selbst dann wäre das vermutlich ein Produkt für eine überschaubare Zielgruppe. Meiner Erfahrung nach legen nämlich viele Rollenspieler entweder verstärkt wert auf das Setting und arrangieren sich mit den Regeln - oder umgekehrt. Die Zahl derer, die unbedingt nach D&D-Regeln unbedingt in Aventurien spielen wollen dürfte nicht riesig sein. Gleichzeitig haben aber crunchlastige RPG-Bücher einen vergleichsweise hohen Produktionsaufwand durch die Notwendigkeit von Spieltests, Feedbackschleifen und Balancing.
Dementsprechend glaube ich nicht, dass sich so ein Produkt großartig für den Verlag lohnen würde, was eher dagegen spricht, dass wir jemals so ein Buch bekämen, selbst wenn es keine lizenzrechtlichen Schwierigkeiten gäbe. Ganz ausgeschlossen ist es aber auch nicht, denn wie wir wissen werden Rollenspielprodukte ja auch von Rollenspielverrückten produziert, insofern kann es da schon mal passieren, dass ein Verlag sich dazu entschließt einen solchen Heartbreaker zu publizieren, auch wenn die Gewinnaussichten dabei vielleicht nicht gigantisch sind.