So, neues Jahr, neues Glück. Nachdem ich 2019 einfach mal nichts, nada, niente hier geschrieben habe, kann ich ja mal ab und an mich wieder dransetzen.
LiminalKlappentext: (bezogen auf das pdf)
Liminal - A roleplaying game about those caught between the ordinary and the extraordinary
There’s more to the world than most of us know. Academic wizards and gutter mages, vampires and werewolves, Men in Black working for a secret religious order and a police division investigating Fortean crimes. The cities and the very landscape encompass haunted places and lost bubbles of history, faerie courts and places of power.
But you know. You’re at the edge of the Hidden World. Maybe you’ve seen it and can’t ignore it. Maybe you’re from the Hidden World, but with ties to humanity.
Liminal is a self-contained tabletop roleplaying game about those on the boundary between the modern day United Kingdom and the Hidden World- the world of secret societies of magicians, a police division investigating Fortean crimes, fae courts, werewolf gangs, and haunted places where the walls between worlds are thin.Mein Eindruck:"Urban Fantasy" als Genre und ich führen mittlerweile seit Jahren eine sehr seltsame Beziehung. Grundsätzlich mag ich es sehr gerne und habe mit "Rivers of London", einigen Werken von Kim Harrison und auch der "Invisible Library"-Reihe ein paar Sachen gelesen, aber aus einem (mir völlig schleierhaften) Grund habe ich es nie zu "Dresden Files" oder "Nightside" geschafft. Auf der Rollenspielebene bin ich damit vor mittlerweile Jahrzehnten kurz in Berührung gekommen (d20 Modern mit Urban Arcana), aber mehr als vage positive Erinnerungen habe ich nicht.
Nun also
Liminal.
Kurz ein paar Hard Facts, bezogen auf das pdf:
286 Seiten mit vielen, teils ganzseitigen, Bildern (häufig in Vollfarbe), die sehr stimmungsvoll sind. Passen für mich perfekt zum Thema dazu. Der Schriftsatz ist okay, hier und da wäre ein wenig mehr Übersichtlichkeit schön gewesen. Hat mich aber nicht gestört, das Buch in 2 Tagen komplett durchzulesen.
Liminal - aus Spaß habe ich das Wort mal bei DeepL eingegeben für eine Übersetzung...tja, Fehlanzeige. Ein(e) Liminal ist hier jemand, der quasi in zwei Welten lebt. Nämlich unserer und der "Hidden World". Jener, in der es Vampire, Werwölfe, Magier und Feen gibt. In der Geister real sind. Liminals sind jene, die direkte Berührung zu dieser Welt hatten und nun nicht mehr wegsehen können bzw. wollen. Mal als Anmerkung: Ich fand die Erklärungen, warum diese andere Welt noch nicht von jedermann entdeckt wurde, nach etwas Nachdenken bemerkenswert schlüssig. Kurz: Wir wollen ja eigentlich gar nicht an sowas glauben.
Das Buch gliedert sich in insgesamt 7 Kapitel, wobei das erste Kapitel eigentlich gerade von mir schon erläutert wurde. Auf ca. 10 Seiten wird die Welt kurz beschrieben, erläutert, was ein Rollenspiel ist, das grundlegende Regelkonzept abgehandelt und welche Werke (Film, Fernsehen, Bücher) den Autor beeinflusst haben.
Chapter 2 ist der Charaktererschaffung gewidmet. Was man kann man also spielen? Nun (fast) alles. Die Entscheidung liegt bei den Spieler*innen. Ob Werwolf, Changeling (von Feen geprägte (Halb-)Menschen), Magier*in, Dhampier ("Daywalker" aus Blade anyone?) oder jemanden ganz Mundanen, der einfach nur Kontakt zur "Hidden World" hatte...your choice.
Der Charakter definiert sich erstmal durch eine Grundsatzentscheidung, in dem man einen Focus wählt: Tough, Determined oder Magician. Ersteres lässt sich am mit Zähigkeit übersetzen (körperlich), das zweite ist für willensstarke Charaktere gedacht und das letzte ist selbsterklärend...keine Zauber ohne diesen Focus. Zusätzlich denkt man sich einen Drive aus; eine Motivation des Charakters, überhaupt diese Abenteuer erleben zu wollen (ist später auch regeltechnisch relevant). Von den Foci leiten sich dann die Traits ab; besondere Eigenschaften, die den Charakter definieren und ihm Vorteile bringen. Da das Charakterkonzept auf einer Point-Buy basiert, kann man sich eine begrenzte Anzahl Traits (auch weiter begrenzt durch den gewählten Focus) zu Beginn aussuchen. Mehr Punkte gibt es, wenn man sich bis zu zwei Nachteile (Limitations) aussucht, die Extrapunkte geben...oha, und schon hatte der Regelfuchs in mir den vom Hals an abwärts gelähmten, blinden, tauben, mit dunklem Geheimnis versehenen und von der Mafia gesagten Superdecker aus Shadowrun im Hinterkopf. Nein, weit gefehlt...solche Auswüchse gibt es nicht, man muss auch keine nehmen, um einen fähigen Charakter zu haben.
Liminal arbeitet hauptsächlich mit Skills, auf die man zu Beginn auch Punkte verteilen kann. Es gibt beim Start eine Obergrenze (Maximalwert 4), sie teilen sich in Physical, Mental und Social Skills auf und geben Boni bei Proben mit diesem Skill. Vielleicht schon mal hier: Eine Probe ist bei Liminal 2d6+X gegen einen Schwierigkeitsgrad, entweder fix oder bei konkurrierenden Würfen gegen 8+ den relevanten Wert des Gegners. Sehr simpel, im positiven Sinne. Ach ja, spezialisieren kann man sich übrigens auch; gibt dann einen Bonus von +2 auf den Wurf (Beispiel: Stealth (Sneak) (3(5)).
Und was ist mit Attributen?
Joa, gibt es. Endurance sind quasi Lebenspunkte, Will zeigt die Willenskraft an und ist eine Ressource sowohl für Magie als auch als "Gummipunkt" zur Verbesserung von Würfen und Damage, den man austeilen kann. fertig. Charakterbögen sind übrigens nicht dabei, kann man sich aber für lau bei Modiphius runterladen.
Chapter 3 gehört irgendwie auch noch zur Session 0 dazu, wobei es hier nicht um die individuellen Charaktere geht, sondern um die Gruppe (hier: Crew) und die Factions, zu denen sie Beziehungen hat. Es geht dabei darum, sich auf ein gemeinsames Ziel als Gruppe zu einigen (Warum machen wir das eigentlich?), sich einige Ressourcen auszudenken (es wird wohl meist von 4 Spielern ausgegangen) und welche Factions zu Beginn schon eine Rolle spielen sollen, gerade auch in bezug auf die individuellen Charaktere. Wohlgemerkt: Die Gruppe baut sich dies selber zusammen, der GM schlägt nur vor und erläutert evtl..
Chapter 4 und 5 widmen sich den Regeln (4 Normal und Kampf, 5 Magie). Kurzfassung hatte ich oben gegeben, wichtig vielleicht noch: 2 Einsen ist immer doof (gibt aber Erfahrung!), hohe Würfe (5 über Schwierigkeitsgrad) sind kritische Erfolge. Was dann im Einzelnen genau passiert, ist nicht hart verregelt, sondern hängt ein wenig von der Situation und vom GM ab (wird auch später im GM Abschnitt noch näher drauf eingegangen). Würfe können immer durch den Einsatz von WILL modifiziert werden, dies ist aber eine endliche Ressource und ist in der Regel (Ausnahmen gibt es über Magie) nur einmal pro Sitzung auffüllbar.
Beim ersten Lesen sehr simpel, ob wirklich irgendwo Probleme auftauchen könnten, muss man konkret am Spieltisch sehen.
Chapter 6, mein Lieblingskapitel. Factions. Freunde und Feinde der Charaktere. Na, was hätten wir denn gerne? Altherren-Magier-Club (Council of Merlin)? Oder doch lieber mehr die Freigeister vom "Mercury Collegium"? Vampire, die die britische Krone an sich reissen wollen, Feen, die überall ihre Höfe haben, Werwolf Gangs, Kirchengruppen oder die spezielle Polizeieinheit...und das sind nur die großen Spieler im geschäft, der GM kann jederzeit noch weitere ins Spiel bringen. Großartig geschrieben, habe ich verschlungen, nur damit...
...es in Chapter 7 dann toll weitergeht mit den Beschreibungen verschiedender Städte, Dörfer, Landstriche als Ausgangspunkte für Fälle (Cases), die man lösen könnte. Von Belfast über Glastonbury, von Oxford zum vampirverseuchten Liverpool...Spielleiterherz, was willst Du mehr? Informationen so detailliert wie nötig, man ganz viel Freiraum zur Erschaffung von tieferen Details. 30 Seiten Spielleitergold! (und es sollen wohl noch Regionalbände kommen...).
Chapter 8 ist die "typische" Spielleiterhilfe. Wie bereitet man vor, wie geht man mit gescheiterten Tests um, usw. Vieles kennt man, besonders sind wohl noch die Abschnitte über Feen Domänen und Liminals außerhalb des UK. Klar, Berlin ist dabei!
Chapter 9 ist quasi das "Monsterkapitel", wobei hier die Baukastenvariante gewählt wurde. Grundlegende Werte, aber den Rest muss der SL dann selber machen, also das Leben einhauchen. Was aber auch okay ist, denn schon vorher wurden im Buch gut (hier später noch etwas zu) ausgearbeitete NSC eingestreut.
Chapter 10 sind zwei kurze Beispielabenteuer...ich mache es kurz, weil total subjektiv. Das erste könnte mir gefallen, das zweite müsste ich umschreiben bzw. würde ich nicht verwenden.
Vor dem Fazit soll noch kurz angemerkt werden, dass Liminal auch demnächst auf Deutsch bei Kazé erscheinen wird und dass dann hoffentlich kleine Flüchtigkeitsfehler wie bei den Werten der NSC ausgemerzt wurden. Ist alles nichts Gravierendes; das System ist so simpel, dass es schnell selbst behoben ist.
Außerdem will ich noch kurz mal auflisten, wo ich mir weitere Inspirationen herholen würde, wenn ich Liminal leiten wollte (Film/Serie und/oder RPG; habe nicht alles als RPG):
- Folklore (Cthulhu Britannica); für noch mehr Hintergrund zur britischen Folklore und Monstern
- Ghostbusters; eine Möglichkeit, seine Crew zu spielen
- Supernatural; ebenfalls wie Ghostbusters
- Leverage; wie man als Gruppe zusammenarbeiten kann
- Bookhounds of London (Trail of Cthulhu); als Hintergrund für eine Crew
- Hudson & Brand, Inquiry Agents of the Obscure (Call of Cthulhu); wäre ja genau mein Ding für eine Crew!
- Hof der Feen (Shadowrun 5); super Informationsquelle für Feenhöfe in UK/Irland
- Ford´s Faeries (OSR); paar nette Monsterideen
- Heroes of the Feywild (D&D 4E); Feenhöfe, Feenlords...und es heisst "Urban FANTASY"
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Mein Fazit:Absoluter Glückskauf. Toller Hintergrund mit erfrischend einfachen Regeln ohne viel Schnickschnack. Viel Hintergrund mit viel Spielraum. Absolute Empfehlung!