Vier Traditionen Außerdem fehlt mir noch ein Aspekt in den bisherigen Ausführungent: das Rollenspiel im Sinne von Schauspielern. Auch dies ist ein Teilaspekt des Rollenspiels, der aus einer älteren Tradition ((Improv-)Theater) stammt und von RPGs aufegriffen wurde -ob bewusst oder unbewusst- und mit einfließt.
Damit hat man 4 ältere Traditionen, die sich im Rollenspiel als Entertainmentquellen verbinden:
- Spiel (hier geht es wohl in erster Linie um das Triumphgefühl des Sieges - was auch immer die jeweilige Herausforderung gewesen sein mag)
- Autorenschaft (die aktive Kreation von Fiktion, nicht nur Story - hier geht es für mich vor allem um Kreativität)
- Publikum (die passive Rezeption von Fiktion, hier geht es mMn um Immersion und damit Eskapismus; auch interessant: finden sich hier vermehrt Spieler wieder, die eher Mitläufer sind, also wenig proaktiv im Spiel?)
- Schauspiel (die Freude am Ausspielen von Szenen; kann man hier einen einzigen Affekt identifizieren?)
Während die ersten 3 Traditionen sich an GNS anlehnen, unterscheidet sich Rollenspiel/Role-Taking ein wenig von den vorhergehenden Quellen: es ist weder konfliktär zur Autorenschaft noch zur passiven Rezeption - höchstens zu gewissen Spielaspekten, wie es sich in dem gängigen Ausdruck "ROLEplaying, not ROLLplaying" manifestiert.
Man könnte nun für die ersten 3 Modi das Akronym
TEK (englisch: TEC) verwenden.
Die Rolle des SimulationismusNun ist es so, dass Ron Edwards ja Simulationismus, also das, woran sich die passive Rezeption anlehnt, mittlerweile als Spielmodus verneint. Das liegt daran, dass Edwards die Modi/Creative Agendas/Purposes of Play mittlerweile darüber definiert was der grundlegende Anreiz für die Spieler ist. Und ich glaube, dass Edwards da recht hat:
entweder man spielt der Herausforderung wegen oder der kreativen Story wegen. Aber es gibt ja noch eine andere mögliche Basis zur Definition der Spielmodi und das ist der Zielkonflikt. Oder genauer: der Prioritätenkonflikt. Gamismus und Narrativismus sind offensichtlich bereits konfliktär, falls die obige Behauptung stimmt.
Aber was ist mit Simulationismus? Der ist so anscheinend etwas wie eine Randbedingung - er begrenzt was möglich UND was NICHT möglich ist.
Fall Gamismus versus Simulationismus: Bei simulationistischer Fantasy kann man nicht vollends rules-lite spielen, weil's dann zu ungenau wird. Es kann also nicht unterkomplex werden. Wenn bei D&D zB der Feuerball zwar Schaden an Personen verursacht, aber ihre Gegenstände nicht beschädigt, dann ist das aus gamistisch vielleicht sinnvoll, aber aus Simulationssicht hanebüchender Unsinn. Umgekehrt darf es auch nicht die falsche (=unplausible) Komplexität geben.
Fall Narrativismus versus Simulationismus: Hier gibt es ein Spannungsfeld zwischen dem was ENG genretreu ist und dem was neu, innovativ und kreativ ist. Ich glaube, dass Edwards auch mal anmerkte, dass, wenn man nur treu nach Vorgabe (zB Star Wars) spielt, das Ganze schnell langweilig (weil zu vorhersehbar) wird. Andererseits kann es wohl auch zu viel an Neuerung geben - man beachte mal die Reaktion der Fans zu dem Film "The Last Jedi". Narrativisten wählen hier wohl eher die kreative Freiheit, Simulationisten hingegen halten es wohl eher etwas konservativer. Aber auch hier wirkt der Simulationismus mMn als Constraint/Rahmenbedingung für die ansonsten ungezügelte Kreativität des Narrativismus.
Damit würde man entweder gamistisch (herausforderungs-orientiert) spielen oder narrativistisch (kreativ-erzählerisch), aber in beiden Fällen könnte man Simulationismus priorisieren oder auch nicht. Ein simulationistischer Spieler würde zB ein total übermächtiges magische Schwert versuchen loszuwerden - weil's die Immersion stört. Ein gamistischer Spieler hingegen käme nie auf den Gedanken. Genauso wenig möchte ein simulationistischer Spieler wohl per Rollenspiel die psycho-sozialen Auswirkungen der Pfeiffenkrautabhängigkeit in einem Mittelerde-Rollenspiel explorieren - um auch dieses Beispiel noch einmal aufzugreifen; ein narrativistischer Spieler vielleicht schon.
(Zum Abschluss ein Nachsatz an diejenigen unter uns, die sich ernsthaft wissenschaftlich mit dem Rollenspiel befassen: Jede Befragung nach Spielervorlieben/-zielen/-dimensionen, die nicht mindestens die 4 obigen Traditionen als Neigung ermittelt, muss sich eigentlich mit der Frage beschäftigen warum dies nicht der Fall ist. Das Ergebnis der Befragung mag ja durchaus korrekt sein - in diesem Fall wäre es dann aber eine extrem spannende Frage
warum eine dieser Spaßquellen/Traditionen sich nicht auch in Neigungen übersetzt. Würde man intuitiv und ganz naiv ja eigentlich erwarten.)