Ich vermute, D&D ist schuld daran, oder Tolkien...
Was ich damit ausdrücken möchte, ist:
Es gibt im Rollenspiel den Konsens, dass während der Laufbahn einer Spielfigur eine allgemeine Aufwärtsspirale der Kompetenz und der Macht zu geschehen hat.
Figuren bekommen während des Spiels über Erfahrungspunkte, Ausrüstung und Feats immer mehr Macht.
Im Gegenzug dazu wird die Opposition auch immer stärker, um noch eine gefühlte Herausforderung bieten zu können.
Bei D&D ist das einfach, da gibt es das Schwert +1, +2, +3 und +4 und auch die Rüstung und der magische Kochtopf werden einfach durch irgendwelche Boni "gestreckt".
Und als Opposition bekämpft man am Anfang Goblins und tötet irgendwann Drachen und später dann Götter...
Das ist Powercreep...
Irgendwann reicht das einigen Rollenspielern das Schwert +2 nicht mehr, sondern dann muss es
"das Blöde Schwert von Hungri Knirschzahn (hat +2 Bonus)", damit es atmosphärischer wird.
Und schwups, da sind wir dann beim Gunporn, bzw. beim Weaponporn.
"Oh geil, schau, beim Comicladen gibbet das Schwert von Conan, das hängen wir uns ins Schlafzimmer übers Bett, Spitze nach unten..."Rollenspiel macht Bilder im Kopf, und deswegen spielen es die Leute.
Shadowrun und alle anderen modernen Settings haben ein Problem mit dem blöden Schwert von Hungri, denn die Uzi von Hungri ist auch nur eine normale Uzi.
Nur weil irgendwer die Waffe benutzt hat, wird sie nicht besser (Es sei denn es war Chuck Norris, aber diese Verbesserung ist ja temporär).
Also gibt es die Uzi, die H&K, die Ingram, die Panther Autocannon und die anderen Autocannons die noch viel geilerer sind als die Panther.
Denn es soll ja die Rüstungsspirale bedient werden.
"Oh geil, mehr Wums!" Natürlich könnten sich die Waffen auch anders unterscheiden, in Zielgenauigkeit, Robustheit, Temperaturanfälligkeit, Nutzbarkeit in speziellen Umgebungen, ...
Allerdings erfordert das entweder unglaublich viel Regeldetails oder es bringt Handwedelei mit, was den Vorwurf der Willkür mit sich bringt.
(
"Du hast also dein Scharfschützengewehr fallen lassen. Deine Zielgenauigkeit verringert sich um 1, bis Du Zeit hattest, es neu zu justieren." - "Wo steht das im Regelwerk?")
Also bleibt man bei starren Werten und bei den Werten, die eine Waffe nun mal haben kann - Angriffsbonus und Schadensbonus.
Und die müssen immer besser werden, wegen der oben genannten Aufwärtsspirale.
Was ich davon halte? Nichts! Ich finde Powercreep zum weglaufen!
Ich bin im Rollenspiel mit Traveller sozialisiert worden und da gibt es sowas nicht.
Da wird eine Figur mittels Lifepath erstellt, und gespielt. Und während des Spiels verändert er sich nur noch minimal.
Und die Ausrüstung, die es gibt enthält natürlich ein paar Waffen, aber die unterscheiden sich nicht wesentlich.
Natürlich hatten wir auch unseren pubertären selbstgemachten Gear-Powercreep, aber das war dann eher so, dass wir imperiale dann mal eine zhodani Disruptorpistole gefunden oder erbeutet haben.
Die machte großen hässlichen Wums, war verboten bis zum umfallen, wenn Magazin leer, dann war es vorbei und all das hatte seinen Reiz.
Und genau genommen war ein Gewehr genauso gut...
Und vor allen: Mit Ende der Pubertät endete dieser selbstgemachte Gear-Powercreep. Und weil er nicht im System integriert war, geschah das ganz ohne Probleme.
Entsprechend groß war der Kulturschock, als ich dann plötzlich mit dem Powercreep der üblichen Systeme konfrontiert wurde.
Ich verstehe den Reiz daran immer noch nicht.
Die Leute werden mit Werten vermeintlich besser, was den Spielleiter immer wieder dazu zwingt, auch bessere Opposition aufzustellen.
Endloses Wettrüsten beginnt.
Das führt dazu, das die meisten Systeme, die in bestimmten Wertebereichen ausgeklügelt sind und taktisches Handeln zu entscheidenden Faktoren machen, nicht mehr funktionieren.
Blödes Beispiel: Wenn die Deckung am Anfang noch einen entscheidenden Vorteil für Fernkampf darstellt, wird sie irgendwann marginal, wenn die Feuerkraft der Waffe sie einfach durchschlägt und nur noch die Körperpanzerung entscheident ist.
"Irgendwann ballern sie dann mit Atomwaffen aufeinander und stehen in Rüstungen rum, die das aushalten..."Was ich noch dabei ätzend finde ist, dass man zwangsweise als Noob mit Noobwerten beginnen muss. "from zero to hero" impliziert ja, dass man erstmal als zero beginnt.
Ich spiele lieber von Anfang an kompetente Figuren oder sogar Veteranen. Denn es kommt mir nicht auf den Macht- oder Kompetenzzuwachs an.
Mich nervt auch die typische Heldenreise als Unterthema in allen Medien gewaltig an. Das ist aber ein anderes Thema.
Gunporn hat für mich wenig mit Powercreep zu tun!Gunporn hat etwas mit der Faszination zu tun, den Waffen ausüben (können).
Das hat natürlich auch etwas mit Machtfantasien zu tun, etwas was mit technischer Faszination und auch so manches mal etwas mit Fastzination an Ästethik.
Allerdings muss eine Waffe deswegen nicht dreimal so viel Durchschlagskraft haben. Insbesondere, weil das weder nichts mehr mit GMV (gesunder Menschenverstand) zu tun hat.
[wenn eine Waffe so viel besser wäre, würden die anderen ausgemustert. Und Dinge wie Physik und Biologie lassen wir mal weg...]
Ich verstehe auch nicht, was das bringen soll.
Ich spiele eine Figur und will Dinge erleben. Der Powerlevel ist mir doch scheißegal. Ganz im Gegenteil - bis zu einem gewissen PL bleiben die Dinge "persönlich". Irgendwann mit höherem Level wirds politisch."
Ich spielleitere eine Runde - und will die Leute in Situationen bringen und sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Auch da ist mir der PL egal.
Die Situationen sollen abwechslungsreich sein, aber die Abwechslung kommt doch nicht durch ein +Bonus auf irgendein Artefakt.
Auch da ganz im Gegenteil - wenn ich mich irgendwann nur noch ums Balancing kümmere, wird doch die eigentliche Kreativität eliminiert.
Deswegen finde ich Heldenreise, Powercreep und was damit einhergeht einfach nur überflüssig bis schädlich und ich ärgere mich, das diesbezüglich nicht mehr Systeme sind wie Traveller.