Wir spielen seit einiger Zeit
Aeon Trespass Odyssey. Das ist ein Kampagnen-Spiel vor dem Hintergrund griechischer Mythologie. Alles aber ziemlich abgefahren: Die Götter sind verschwunden, die Welt wurde verheert und man spielt die Argonauten (einen pro Spieler) mit der Argos, die um Kreta herumschippern und Abenteuer und Kämpfe bestehen. Es ist aber alles "auf 11" hochgedreht: Riesige Ungeheuer durchstreifen die Lande, man kämpft selbst mittels Titanen und gegen die Argos ist größer als moderne Flugzeugträger.
Das Spiel selbst ist eine Mischung aus Erkunden, Abenteuern und Kämpfen. Beim Erkunden werden Karten-Teile ausgelegt und abgehandelt, d. h. man findet dort Abenteuer, Ressourcen, Begegnungen. Die Abenteuer, von denen es eine Vielzahl unterschiedlicher gibt, die sich teils über mehrere Episoden verteilen, sind in guter alter Text-Manier gehalten. Man muss häufiger Entscheidungen treffen (die tatsächlich klare Konsequenzen, auch immer weiteren Verlauf, haben) und auch mal Proben würfeln. Die Kämpfe schließlich sind gewöhnlich im Voraus terminiert und finden gegen gigantische mythologische Monster statt. Dabei wird auf einer separaten "Battlemap" gespielt, stets vier Titanen (als "Kampfmaschinen" für die Argonauten) gegen eins dieser Monstrositäten in Rundenmanier, nicht so sehr anders als so manches Rollenspiel. Zwischendurch forscht man und baut neue Ausrüstung, und die Argonauten "leveln" auch.
Was wirklich krass und saugut ist, ist die Detailverliebtheit und Hingabe der Macher. Auch wenn die griechische Mythologie ein bisschen herhalten musste, ist die Welt und Geschichte sehr originell, und die Abenteuer sind atmosphärisch sehr dicht und tiefgründig. (Da sehe ich Potential für eine Rollenspiel-Welt!) Dadurch allerdings auch sehr komplex, bei längeren Spielpausen vergisst man gern wieder das ein oder andere. Mir gefällt es aber sehr!
Etwas mehr hadern tue ich mit der Prämisse des Spiels und damit mit dem Schwierigkeitsgrad: Die Welt ist düster und apokalyptisch, und die Odyssey - wie der Name andeutet - eine Irrfahrt gegen Verderben und Hoffnungslosigkeit. Wie gesagt, gut gemacht und stimmig und an sich finde ich das auch spannend, aber entsprechend spielt sich das Spiel. Scheitern ist oft nur ein, zwei Schritte entfernt, jeder Erfolg teuer erkauft (wenn es ihn überhaupt gibt), der Fortschritt mühsam und qualvoll. Gut, vielleicht übertreibe ich etwas, aber ein bisschen Masochismus sollte man mitbringen. So sind zum Beispiel manche Kämpfe einfach nicht schaffbar, und es geht nur darum, die Verluste zu minimieren. Und generell wird einem auch gern wieder was abgenommen, was man sich mal verdient hat. Das muss man mögen. (So haben wir die Kampagne einmal um In-Game-Tag 40 herum verloren, weil einige negative Zufälle zusammengekommen sind. Und auch im zweiten Anlauf war es schonmal haarig.)
Generell, und auch hier hadere ich, ich das Spiel sehr komplex. Sowohl was die einzelnen ineinandergreifenen Spielelemente angeht (es gibt z. B. eine Entscheidungsmatrix, um nachzuhalten, was einem widerfahren ist, und anhand dessen Auswirkungen auf andere Ereignisse festzuhalten) als auch die Regeln. Gerade die Kämpfe haben wirklich viele Regeln, die zwar viel zur Atmosphäre beitragen, aber durch ihre Masse und Vielschichtigkeit sperrig sind. So gibt es z. B. nicht nur eine Art Hitpoints, man zieht bei Verwundung auch noch eine "Verwundungskarte", die positive oder negative Auswirkungen hat, etwa dass man Furcht erleidet oder einen heldenhaften Gegenangriff macht oder an Erfahrung gewinnt etc. pp. Die Angriffe der Monster verlaufen auch mittels Kartenziehen, aber es gibt einen Mechanismus, dass, je mehr das Monster verwundet wird, seine Angriffe potentiell stärker werden. Gute Idee, im Chaos des Kampfes aber nicht immer leicht umzusetzen. Usw. usw. usw. Ehrlich: Die meisten Rollenspiele sind da simpler, und das ist keine Übertreibung.
Ein wirkliches Manko ist auch, dass das Regelbuch leider nicht gut strukturiert bzw. geschrieben ist. Gerade die Komplexität der Regeln macht es unerlässlich, dass alles klar und eindeutig ist und schnell wiederzufinden. Dem ist nicht leider nicht so, da besteht einiges an Verbesserungspotential. Wir haben jetzt 6 oder 7 Spielsitzungen (von vielen Stunden) und ich habe kürzlich festgestellt, dass wir in einer Sache es bislang falsch gemacht haben. Ist nicht das erste Mal, und manches ist auch nicht eindeutig. Als Rollenspieler kennen wir das Problem natürlich zu gut, aber teils ist es zum Haare raufen, weil wir bestimmte Regelpassagen nur mühsam finden.
Vielleicht klingt das jetzt aber zu negativ. Wie gesagt, wir haben jetzt einige Sitzungen und viele Stunden gespielt, und auch wenn ich manchmal verzweifelt bin, gehadert oder mich aufgeregt habe, weiß mich "ATO" zu fesseln. Ich will die Mysterien dieses Fantasy-Kretas erkunden, ich will mich gegen "unser Schicksal" auflehnen und ich will den übergroßen Monstern aufs Maul hauen. Und gerade, dass man selbst gern auf die Fresse kriegt, spornt teils sehr an ("dieses Mal wird es! Rache!") und macht die Siege umso süßer. Aber das muss man eben akzeptieren: Wenn man eher fröhlich und locker eine Geschichte durchspielen will, wird man es schwer haben. Wirklich gut finde ich aber, dass es nicht nur ums Kämpfen geht, auch wenn die Kämpfe zeitlich und regeltechnisch viel Raum einnehmen. Gerade das Erkunden und Abenteurern, der Plot also, ist liebevoll gemacht, wirkt frisch und trifft den Ton, den man von mancher altgriechischer Mythologie kennt.
Ich würde es also empfehlen - wenn man sowas mag. Also sowohl, dass einem nicht viel geschenkt wird, als natürlich auch, dass man lange daran spielt. Bislang gibt es, glaube ich, drei "Cycle", also miteinander verbundene Kampagnen, und wir spielen jetzt seit einigen Sitzungen an Cycle 1 (samt einem Neustart, was wirklich passieren kann). Ist also noch einiges zu tun. Es ist also absolut nichts für ein One-Shot, sondern eher mit einer Rollenspiel-Kampagne zu vergleichen.