Es gibt ja auch eine ganze Menge anderer Spiele, die z.B. Vorgaben zu Sachen wie Beute, Zufallsbegegnungen, XP-Vergabe und dem Balancing von Kampfbegegnungen machen.
Und man kann als SL ja prinzipiell immer hingehen, es besser wissen wollen und die Vorgaben ignorieren — keiner am Tisch kann vernünftig überprüfen, ob ich mir die 2 Oger, die plötzlich auf den Weg springen ehrlich erwürfelt oder mir einfach willkürlich ausgesucht habe und ob deren Trefferpunkte und Ausrüstung der Norm entsprechen. Wird ja auch ganz viel gemacht.
Aber die Spieleerfinder haben sich bei ihren Regeln ja durchaus was gedacht und das Ganze womöglich viel mehr getestet und angepasst, als ich das vor dem ersten Spielabend gemacht habe. Davon kann man ja profitieren und die Hilfsmittel nutzen, die einem das Spiel an die Hand gibt. Die SL-Moves sind im Prinzip Werkzeuge, die das Pacing steuern, und dafür sorgen, dass man als SL einerseits thematisch bei der Sache bleibt und sich andererseits in der Menge der Dinge, die passieren, zurücknimmt.
Das kann auch durchaus einschränkend sein. Aber eine Einschränkung kann dabei helfen, das Spiel besser zu machen — wenn man als SL nicht einfach macht, was man will, sondern sich z.B. überlegen muss, was das Interessanteste ist, was gerade passieren könnte, wenn man nur *eine* Sache machen "darf". Wenn man das Ganze dann einmal durchblickt hat und versteht, was die Moves im Spiel eigentlich machen, kann man dann immer noch anfangen, daran herumzuschrauben (das ist dann meistens der Moment, wo die Leute ihr eigenes Spiel kickstartern
).
Das "play to find out" fand ich vor allem bei tremulus ganz witzig. Cthulhu-mäßig komme ich ja eigentlich von ToC, GUMSHOE, investigative Szenarien, wo die ganzen Zusammenhänge schon vorbereitet sind und die Spieler sie erkunden können. Und dann saugt man sich bei tremulus plötzlich spontan einen NSC aus den Fingern, ohne eine Ahnung zu haben, wie der überhaupt in die Geschichte reinpasst — harmloser Passant, tragisches Opfer, Kultmitglied, wertvoller Verbündeter oder vielleicht nichtmal wichtig. Das ging am Anfang gegen alle meine SL-Instinkte. Und das Schlimme ist, man kann es auch nicht rauskriegen, wenn sich die Spieler nicht für den NSC interessieren oder man Moves auf den Charakter schmeißt.
Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut funktioniert, aber die "emergente" Geschichte ist natürlich auch schwächer — ein Verdächtiger, bei dem erst am Ende bei der Enthüllung ein Würfelwurf entscheidet, ob er der Täter war oder nicht ist etwas anderes, als wenn Schuld oder Unschuld vorher festgelegt sind und sich das während der Ermittlung auch zeigt und nicht alle Eventualitäten offen bleiben müssen. Andererseits hat das manchmal auch einen gewissen Reiz, so ein bisschen wie bei Filmen, die vielleicht nicht 100%ig rund sind, aber dafür nicht wieder den bekannten Hollywood-Schemata folgen, die zwar funktionieren, aber die man schon 1000mal gesehen hat.
Ich würde auf jeden Fall empfehlen, sich zu bemühen, diesen ganzen PtbA-Kram mal in seiner Reinform ans Laufen zu bringen, damit man mal gesehen hat, was das kann. Verschiedene Ableger haben da dann schon wieder andere Schwerpunkte und Philosophien und Sachen wie "City of Mist" oder "Blades in the Dark" haben sich schon ziemlich weit von der Vorlage entfernt. Dementsprechend gibt es auch verschiedene Vorstellungen, was ein "Szenario" für ein PtbA-Spiel ist, manchmal ist das mehr oder weniger ein Setting oder ein Ideensteinbruch oder eine Sammlung von passenden SL-Moves. Aber was ich bisher gesehen habe, ist eigentlich immer sehr ergebnisoffen gewesen. Teilweise mit Vorgaben zur Struktur, aber nie z.B. mit einem geskripteten Finale á la DSA oder D&D…