(In der Abfolge umgestellt, damit ich meine Gedanken besser sortieren kann)
Es fällt mir extrem schwer, Charakterspiel zu betreiben, wenn der Hintergrund nicht genau geklärt ist. Wie lange kennen die Figuren sich? Inwieweit vertrauen sie sich? Darf man Anekdoten improvisieren? Greife ich damit nicht in das Konzept der anderen ein.
Gerade das ist doch innerhalb von wenigen Minuten gemacht - muss nicht bürokratisiert per Checkliste sein, aber im Grunde gehe ich an diese Fragen genau so heran.
Wichtig ist, wie gut man sich kennt und was man füreinander tut.
Fast alles andere ist Beiwerk. Ob man sich jetzt 2, 5 oder 10 Jahre kennt, ist für mich nur eine Zahl auf dem Papier. Bespielt und damit "echt" erlebt habe ich diesen Zeitraum sowieso nicht, also bleibt er erstmal ziemlich farblos.
Und natürlich darf man grundsätzlich Anekdoten improvisieren. Wenn einem Betroffenen was nicht passt, möge er es sagen.
In ähnliche Richtung:
Ich mag einen ausführlichen Hintergrund meiner Figuren. Gerne viele Seiten lang. Das hilft mir mich in den Charakter reinzuversetzen.
Ich komme damit überhaupt nicht klar. Mache ich freiwillig schon nicht und erst recht nicht, wenn ich soll oder gar "muss".
Wie oben angeklungen: Was ich mir ausdenke oder verkrampft zu Papier bringe, bleibt für mich großteils irrelevant.
Mir ist es lieber und wichtiger, den SC selbst im Spiel zu entdecken - z.B. über o.g. improvisierte Anekdoten, spontanes Füllen von bewusst gelassenen Lücken usw.
Das ist für mich im Spielablauf allemal interessanter und führt nach einiger Zeit zu runderen und lebensnäheren Charakteren, als ich sie mir im stillen Kämmerlein hätte ausdenken können.
Was ist aus der guten alten Zusammenführung geworden? Als man ausgesandt wurde, den Prinzen zu retten und sich nach und nach in verschiedenen Situationen kennenlernen konnte. Und eine enge Freundschaft wuchs.
Da bin ich ganz bei Prof. Farnsworth.
Zusammenführungen, SC-Kennenlernsitzung(en) u.Ä. sind für mich erfahrungsgemäß Zeitverschwendung.
Kein brauchbarer Spieler zielt ernsthaft darauf ab, seinen Charakter explizit nicht in die Gruppe zu kriegen, weil der Hintergrund dem entgegensteht.
Was bleibt also? "Going through the motions" und durch Reifen springen, die einem irgendwelche Phantome aus der Urzeit des Rollenspiels hinhalten. Weil man das ja irgendwie so macht, obwohl die Gruppe eigentlich keinen Bock drauf hat und jeder denkt: "Wann kennen wir uns denn jetzt endlich alle, damit das Abenteuer anfangen (lies: das eigentliche Spiel losgehen!) kann?"
Wenn auf der Metaebene klar ist, dass man definitiv zusammen spielt und man Spaß an ein bisschen Geplänkel hat - ok, lasse ich gelten.
Aber mir geht es enorm auf den Keks, wenn der eine seine verlorene Schwester sucht, der andere das verschollene Schwert von Huttenoringius dem Älteren, der nächste will seinen Elefanten zurück haben und der letzte den ollen Buddhakopf, alles liegt in unterschiedlichen Himmelsrichtungen und jeder will in jeder gottverdammten Sitzung von den anderen neue Begründungen hören, warum er denn jetzt nicht einfach gehen sollte.
Ich sage als SL schon lange nicht mehr: "Woher könntet ihr euch denn vielleicht kennen? Ihr müsst aber auch nicht..."
Stattdessen: Natürlich kennen die sich! Weil sie die gleiche Uniform tragen. Weil sie in der gleichen Zelle sitzen. Weil sie Geschwister sind. Weil sie alle für Geld Leuten ins Gesicht schießen und dieses Geld schon geflossen ist. Weil ich es schlicht so gesetzt habe und es im Spiel von der ersten Sekunde an keinen interessiert, weil es dringendere Probleme gibt.
Und als Spieler mache ich es ähnlich - oder mache zumindest das deutliche Angebot, etwas zu überspringen, was ich als lästige Pflichtübung ohne großen Mehrwert empfinde.
Wieso ist es plötzlich so schick, eine gemeinsame Hintergrundgeschichte festzulegen? Und warum wird so wenig Mühe reingesteckt?
Ein gemeinsamer Hintergrund erspart einem viel zielloses Rumgeeier und ungewollte Brüche sowie Missverständnisse.
Und aus meiner Perspektive ist da keine große Mühe nötig; auf die Funktionskategorien runtergebrochen landet man bei einigen wenigen Möglichkeiten - von denen sucht man sich eine aus und malt sie beliebig an.