Die konventionellen Antworten auf diese Frage bauen ja allen auf dem alten Problem auf, dass sich die Bücher einer Rollenspiellinie mit dem Voranschreiten des Veröffentlichungszyklusses schlechter verkaufen. D&D5 wurde allerdings spezifisch mit Hinblick auf dieses Problem designed, was Mearls in den Anfangstagen auch immer wieder gerne total stolz erwähnt hat; wie ein Vater, dessen Kind gerade das erste Mal auf die Herdplatte gekackt hat. Das ging dann gerne mal in diese Richtung hier: "Ihr müsst keine Angst haben, dass eure Bücher überflüssig werden! Diese Edition ist DAS D&D!"
Das merkt man auch an der Weise, wie die Bücher jetzt veröffentlicht und beworben werden:
– Das Spiel wird in den offiziellen Publikationen und der Publicity meistens nur als "D&D" bezeichnet, für "Fifth Edition" muss man schon ein bisschen suchen. (Man will betonen, dass D&D kein Editionsspiel mit Editionskriegen, sondern DAS Spiel schlechthin ist. Kauft es!)
– Die drei Grundbücher sind sehr umfassend, was die Anzahl der Klassen und Völker angeht. Die braucht wirklich jeder, aber dafür ist es auch die einzige Grundlage, die wirklich jeder braucht. (Was auch heißt: Wahrscheinlich kaufen die mehr Leute, die sich sonst auf ihre Gruppe verlassen haben.) Denn ...
– Kein einziges Erweiterungsbuch nach den "großen Drei" ist wirklich essentiell, was auch schon in den Namen deutlich wird. (Niemand soll sich eingeschüchtert fühlen, später einzusteigen. Auch heute braucht man nicht 10 Bücher, um D&D5 zu spielen, wenn man nicht gerade in eine Hardcore-Gruppe einsteigt.) Besonders deutlich wird das in den Abenteuern für die Forgotten Realms, die nicht mal das Forgotten-Realms-Buch (!) brauchen.
– Das ist auch der Grund für den seltsamen Status der Realms als "Semi-und-vielleicht-eigentlich-doch-nicht-so-wirklich-Standardsetting": Man will eine zugängliche Basis behalten, die für möglichst viele zugänglich bleibt, aber natürlich auch den alten Reiz eines echten Settings mitnehmen.
– Die Bücher und speziell die Abenteuer werden als Events aufgezogen. Man fokussiert sich nicht mehr so krass auf Sammler und Completionists wie früher, die einfach alles mitnehmen, sondern will mit jeder Publikation wieder möglichst viele Leute ernsthaft interessieren und so auch die Konversation aufrechterhalten (und neue Leute reinholen). Daher muss auch jedes Buch potenziell interessant für Leute sein, die nur die Grundbücher besitzen. Daher gibt es kaum Fortsetzungen.
– Kein einziges Erweiterungsbuch nach den großen Drei schließt sein Thema ab. Es gibt nicht DAS neue Monsterbuch (tm), sondern ein neues Monsterbuch, mit einem spezifischen Aufhänger, und es hat auch nicht nur Monster, sonst auch noch ein paar neue spielbare Völker. Ein nächstes Monsterbuch wäre also genauso wenig "Monsterbuch III", sondern hätte einen anderen Aufhänger. (An dieser Stelle wird auch deutlich: Es geht vorrangig um die Außenwirkung, nicht um den Inhalt!)
– Oder tl;dr ... Man will halt auf Teufel komm raus dafür sorgen, dass es nicht mehr der Start einer Edition ist, der den einzigen großen Geldbatzen bringt, sondern dass der Zyklus gleichbleibend Geld abwirft und die Grundbücher als Produkte immer wieder revitalisiert.
Übrigens: All das ist keine Bewertung und all das muss natürlich noch LANGE nicht funktionieren. Aber bisher habe ich noch keine Anzeichen gesehen, dass die Strategie gescheitert wäre oder dass man bei den Wizards ernsthaft über eine neue Edition nachdenken würde – oder müsste. Wenn nächstes Jahr dann die Ankündigung kommt, gebe ich aber gerne zu, dass ich falsch lag. 8D