Wie viele andere bin ich von der neuen V5 recht angetan. Konkrete Leitpläne habe ich noch nicht (zumal noch etliches an Material fehlt), allerdings will ich mir schon mal meine eigene Stadt mit Koks und Nutten (und Cheesesteaks) skizzieren
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Warum ausgerechnet Philly? Weil man hier alles hat, was in eine gute WoD-Megametropole gehört, auf dichtem Raum gedrängt und in scharfem Kontrast, ohne dass die Stadt so populär und damit in der Vorstellung der meisten Spieler so festgefahren wäre wie berühmtere Städte wie New York, Los Angeles oder New Orleans.
Auf der einen Seite hat man den alten Geldadel aus der Kolonial- und Revolutionszeit, der in der historischen Altstadt sitzt mit Panoramablick auf Postkartenmotive wie die Benjamin Franklin Avenue oder die Old City.
Auf der anderen Seite hat man das verlorene Amerika, die verfallenden, aufgegebenen Industrieflächen und die von Drogen, Verbrechen und Gewalt gebeutelten Ghettos, in denen Drogenbarone, Mafiaknochenbrecher und Bandenführer das Sagen haben und die Polizei nur noch in Hundertschaften ausrückt, um Aufstände niederzuschlagen ehe sie auf die netten Teile der Stadt übergreifen können.
Und dazwischen hat man aufstrebende Yuppies in Nachbarschaften wie Mount Airy, Hipster mit ironischen Schnurrbärten die versuchen die Ränder der schlechten Viertel wiederzubeleben, und schrille Szeneschuppen in Gegenden wie South Street.
Korruption durchzieht seit Jahrzehnten alle Bereiche der Gesellschaft, von der Stadtpolitik über die Gewerkschaften und dem immer noch blühenden organisierten Verbrechen bis hin zur universell verhassten Philadelphia Parking Authority, der städtischen Parkraumbewirtschaftungsgesellschaft (deren oberste Pflicht gemäß Satzung es ist Einnahmen für die Stadt zu generieren - alles andere wie Schaffung von Parkraum wird erst danach genannt, gemäß böser Zungen absichtlich so).
Hinzu kommen noch einige sehr geile Einzelschauplätze, wie die aufgegebene Ascension-of-Our-Lord-Kathedrale und St.-Boniface-Kirche, die von sakralen Orten der Hoffnung zu vermüllten Drogenumschlag- und Obdachlosenschlafplätzen verkommen sind, diverse historische Spukhäuser, die berühmten Rocky Steps vor dem Kunstmuseum (Pflicht für jegliche Trainingsmontage in Philly), oder das Eastern-State-Zuchthaus, das ursprünglich für einen moderneren und humaneren Strafvollzug stehen sollte und dann doch zu einem berüchtigten Horrorknast mit Folterknechtmethoden, Fällen von Wahnsinn und angeblichen Geistererscheinungen von rachsüchtigen Gefangenen verkam.
Das übergreifende Thema von Philadelphia das von enttäuschten Hoffnungen und den guten Vorsätzen, mit denen der Weg zur Hölle gepflastert ist.
William Penn gründete die Stadt der brüderlichen Liebe mit der Hoffnung auf eine bessere, schönere Welt, in der alle Menschen unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Abstammung in brüderlicher Nächstenliebe friedlich zusammenleben können - stattdessen trägt die Stadt heute den Spitznamen "Killadelphia", und in der falschen Nachbarschaft kann man wegen einem halben Beutel Crystal Meth oder auch nur für seine schicken Turnschuhe über den Haufen geschossen werden.
Nach dem Bürgerkrieg zogen zahlreiche schwarze Sklaven nach Philadelphia in der Hoffnung auf eine bessere, gerechtere Zukunft - heute sind ihre Nachfahren in Ghettos zusammengepfercht, ohne Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten, aber dafür mit einer Menge Crack, Feuerwaffen und Gangstern, und in den nördlichen Badlands haben die Rassenspannungen zwischen Schwarzen, Puerto-Ricanern, Koreanern und vielen anderen Ethnien wieder einmal einen Höhepunkt erreicht.
Zu den wirtschaftlichen Glanzzeiten zogen die rauchenden Fabrikschlote unzählige Iren, Italiener, Polen, Deutsche, Rumänen, Slowaken und viele andere in die Stadt, die den amerikanischen Traum verwirklichen und sich vom Akkordarbeiter zum Eigenheimbesitzer hocharbeiten wollten - heute sind die Fabriken verlassen, die Jobs nach China verzogen, und wohin ist mein Heimatland verschwunden?
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Was die vampirische Gesellschaft angeht, würde ich ebenfalls auf einen hoffnungsvollen Neubeginn setzen, der nur in Tränen enden kann.
Philadelphia war seit seiner Stadtgründung fest in den Händen der Camarilla.
Anfang des 20. Jahrhunderts drängten die Giovanni im Zuge des Aufstiegs des Mobs in Philly nach, und konnten sich mit dem hauptsächlich italienisch besiedelten South Philly einen Teil der Stadt als unabhängige Domäne sichern.
Mit dem Zusammenbruch der Industrie in den 1970ern bekam der Sabbat einen Fuß in die Tür, und festigte seinen Griff in den 1980ern durch die Drogenschwemme und die dadurch explodierende Straßengewalt.
Die Giovanni nutzten das Chaos, um ihren Einfluss nach Center City und die anderen netten Teile der Stadt ausdehnen, nicht zuletzt dank der mittlerweile in den Clan integrierten Milliners und ihrer familiären und wirtschaftlichen Verbindungen zum alten Geldadel Phillys.
Die Stadt stabilisierte sich schließlich in zwei Teile, mit den Giovanni in den netten, historischen Teilen der Stadt, die für ihre wirtschaftlichen und geistersammelnden Interessen relevant waren, und dem Sabbat in den schlechten Teilen der Stadt mit mehr Feuerwaffen, als der stärkste Brujah schleppen könnte, und mehr entbehrlichen Blutbeuteln, die niemand vermissen würde, als das blutrünstigste Rudel schlürfen könnte. Alles in allem ein recht stabiles Arrangement.
Fast Forward in die 2010er. Sowohl der Sabbat als auch die Giovanni sind plötzlich verschwunden.
(Die zweite Inquisition, sagen die Einfaltspinsel (offenbar unwissend, wie korrupt und ineffektiv die staatlichen Stellen in Philly sind - oder hat sich hier vielleicht eine Macht von außerhalb eingemischt? Und wer wäre so mächtig, all den Mist binnen weniger Jahre aufzuräumen den Philly PD nicht einmal in Jahrzehnten geschafft hat?).
Der Ruf und die Jyhad-Kriege, rezitieren die Nodisten etwas hilflos (Aber was haben die Giovanni damit zu tun - außer die Gerüchte um einen alten, vorsintflutlichen Clan des Todes wären wahr, und dessen Verpflichtungen hätten die Giovanni eingeholt?).
Plötzlicher Ausbruch eines heißen Krieges zwischen den beiden Sekten um die endgültige Oberherrschaft über die Stadt, spekulieren die Camarillastrategen.
Die Giovanni hatten die Altstadt von allen alten und mächtigen Geistern abgegrast und gerieten zuerst mit den Schlangen des Lichts wegen der jungen und zahlreichen Todesalben in den Ghettos in die Wolle, ehe der Rest des Sabbat mit reingezogen wurde, orakeln die Okkultisten und nicken dazu bedeutungsschwer.)
In jedem Fall ist auf einmal eine Millionenmetropole wieder freies Goldgräbergebiet für alle geworden, ohne existierende vampirische Oberherren.
Ehe die Camarilla mit ihren hohen und behäbigen Gremien sich dazu durchringen kann, einen Arbeitskreis zu bilden, um eine Kommission zu bestimmen, um die Stadt wieder in Beschlag zu nehmen, sind bereits zahlreiche Ringe der Anarchen in die verwaiste Stadt eingedrungen und haben dabei insbesondere in den schlechten Teile der Stadt, die ehemals unter Sabbatkontrolle standen, ihre Claims abgesteckt. (Wobei mehr als ein Anarchenring ein Sabbatrudel unter falscher Flagge ist.)
Während die idealistischeren Anarchen bereits davon träumen, Philly zu einer Stadt der brüderlichen Liebe zu machen, die eine bessere und gerechtere Vampirgesellschaft beherbergt, rückt die Camarilla nach um die besseren, ehemals giovannibeherrschten Teile der Stadt zu kolonisieren - und in deren Schlepptau folgen nicht nur Neugeborene, die von einer eigenen Domäne träumen, sondern auch Ancillae und Ahnen, die uralte Verträge, Ansprüche und Domänenzuschnitte teils noch aus den Tagen von Billy Penn mitschleppen um auf die Parade der Neugeborenen zu regnen.
Viele junge Vampire kommen mit großen Hoffnungen und Träumen nach Philly. Nur wenige werden sie verwirklichen können, und für nicht wenige werden sie als Alptraum enden.
(Was mir hier im Moment in der V5 noch hauptsächlich fehlen würde, sind die Giovanni als Clan. Die Heimatstadt des Philly Mob und der K&A Gang mit ihren zahlreichen lokalen Spuklegenden ohne jegliche Giovanni-Präsenz sind wie alkoholfreies Bier oder veganer Speck - theoretisch möglich, aber de facto sinnlos.)