Kosims, Brett- und Kartenspiele waren für meine Frau und mich viele Jahre lang DAS Hobby schlechthin und verschlangen enorme zeitliche und finanzielle Ressourcen. Wir besitzen mehr als 1000 Brettspiele inkl. Erweiterungen und konnten/können auf einen größeren Spielerpool zurückgreifen.
Zum Bedauern meiner Frau habe ich aber außerhalb der Essener Spielemesse seit Jahren kein Brettspiel mehr angerührt. Meine Leute machen die MMORPG dafür verantwortlich, die ich seit 2016 intensiver spiele. Das ist jedoch nur ein relativ nebensächlicher Grund, denn der Hauptgrund wird von allen ignoriert, obwohl ich daraus kein Geheimnis mache: Meine Leute haben mich im Brettspielbereich unabsichtlich verbrannt, ausgebrannt, desillusioniert.
Jahrelang galt nämlich folgendes Schema bei fast allen meiner Mitspieler (mit rühmlichen Ausnahmen, die ich keinesfalls verschweigen möchte):
- JS liest ständig die Rezis, informiert sich, kauft das Zeug allein und ausschließlich von seinem Geld, studiert die Anleitung und die Errata, baut alles auf, erklärt die Regeln, führt durch das Spiel und räumt alles wieder zusammen. (Letzteres allerdings auf eigenen Wunsch.)
- Wir dagegen kommen kurz vor Spielbeginn, lassen uns alles erklären, spielen drauflos und gehen nach Spielende bequem heim. Wir informieren uns nicht, kaufen nichts (macht ja JS), beteiligen uns nicht gedanklich und/oder finanziell, lesen nichts und denken auch nicht weiter darüber nach. Beim nächsten Spieletreffen wollen wir dann aber, wenn möglich, ein neues Spiel kennenlernen und bitte kein Spiel dreimal oder so spielen.
Wichtig ist: Keiner meiner Mitspieler meinte das böse oder war am und im Spiel desinteressiert; vielmehr waren alle gerne zum Spielen da, und wir hatten auch viele schöne Spieleabende. Manche Kumpels boten sogar auch mal etwas an oder waren sehr mitarbeitsfreudig und leidensfähig - manche. Aber im Laufe der Jahre wurde mein schönstes Hobby immer mehr zu einer sehr teuren Last und Arbeit für mich, bis ich ermüdete und mir die so unkomplizierte Welt der MMORPG zeigte, daß ich meiner Spielelust auch deutlich entspannter fröhnen konnte: Einloggen, zocken (auch mit Leuten zusammen), ausloggen, fertig. Die jahrelangen Belastungen, die mir das Brettspielen für meinen Kreis bot, waren allgemein bekannt, aber nahezu niemand kam mal auf die Idee, mich zu entlasten. Das merkt man auch daran, daß mit meinem Rückzug keine Brettspielangebote auf weiter Flur mehr kamen und auch fast niemand mehr brettspielt(e).
Seitdem sich nun immer mal wieder jemand mit mir treffen will und irgendwie Brettspiel damit verbindet, sage ich gleich bei der Verabredung, daß ich keine Lust dazu habe. So schade ich das finde, aber heimisches Brettspielen ist für mich inzwischen so stark mit Arbeit und Alleinunterhaltung für Spielekonsumenten verbunden, daß ich daran vorerst nicht mehr denken möchte. Dabei freue ich mich wieder sehr auf die Essener Spielemesse, wo ich mal ein solcher Konsument sein kann. Aber selbst noch mal der Bediener sein? Nein, danke.
Habt ihr ähnliche Entwicklungen im Brettspielbereich erlebt mit ziemlich radikalen Folgen für euer Hobby?