Ich habe gerade das erste Abenteuer ("The Persephone Extraction") vorbereitet und stelle ´mal ein paar vermischte Gedanken, Fragen und Meinungen hier ein. Achtung: Spoiler!
Allgemeines zum Abenteuer:
Der Aufhänger ist in meinen Augen großartig! Wie die Agenten nach Paris gelockt werden finde ich super.
Allerdings gibt´s auch ein paar Probleme:
1. Die berühmte Frage „Warum-gerade-wir?“ wird nicht geklärt. Logische Konsequenz: Erstmal ein paar Charaktere machen und dann passende Intros erspielen bzw. Flashbacks einbauen.
2. Das Abenteuer geht davon aus, dass ein Charakter zumindest in Agentenkreisen eine gewisse Bekanntheit für seine Schießkünste, ein anderer Charakter für seinen Sprengstoffeinsatz erworben hat. Und wenn das nicht so ist? Ich habe eine sechsköpfige Runde zusammen und der höchste Sprengstoffwert eines in Frage kommenden Agenten ist 2. Etwas dumm gelaufen. Schwierig ist auch, wenn die Charaktere aus den verschiedensten Ländern Europas kommen. Ich habe 2 amerikanische Brüder, eine Italienerin, eine Engländerin und 2 Israelinnen. Diese Agenten auf nachvollziehbare Art und Weise zu Beginn des Abenteuers in Paris starten zu lassen ist schon eine kleine Aufgabe.
Die vorgefertigten Agenten im Kampagnenband besitzen zumindest teilweise Vampirology. Im Text heißt es dazu: "Die Spielerfiguren sind sich der Existenz der Verschwörung bewusst und hatten alle schon auf irgendeine Art und Weise Kontakt mit Vampiren, wissen aber nicht genau, wie ihre Gegner beschaffen sind und kennen nur Fragmente der Wahrheit." Das finde ich doch sehr schade. Ich liebe diesen Moment zu Beginn einer Night´s Black Agents Kampagne, wenn sich die Agenten gegenseitig mit großen Augen ansehen und fragen: "Hast du das auch gesehen? Ich glaube, es ist wahr!" Nach der genauen Lektüre des ersten Abenteuers kann ich aber guten Gewissens verkünden, dass überhaupt nichts gegen völlig ahnungslose Agenten spricht. Ich kann also erneut mein Türenspiel betreiben ("There are things you know about, and things you don’t, the known and the unknown, and in between are the doors—that’s us." (Ray Manzarek von "The Doors"))
Die eigentliche Abenteuerhandlung ist großartig! Alle Kernszenen sind absolute Highlights, ich bin voll des Lobes, so müssen Night´s Black Agents Szenen aussehen: Knallharte Action an ungewöhnlichen Orten, spannende, vielschichtige Aufklärungsarbeiten, eine Menge Fäden, die man verfolgen kann und mit jeder neuen Erkenntnis steigt der Sense of Doom. Was mich außerdem noch sehr freut ist die Tatsache, dass es in diesem ersten Abenteuer der Kampagne kaum Vampirbegegnungen gibt. Ein einziger Untoter zieht hin und wieder im Hintergrund seine Fäden, sorgt für ein paar gruselige Momente und schlägt vielleicht beim Showdown ein paar Runden zu, bevor er schnell wieder flieht. Das war´s... und das reicht auch völlig, wenn man sich anschaut, wie inflationär diese Biester im weiteren Verlauf der Kampagne noch zum Einsatz kommen. Insgesamt bietet das Abenteuer im Einsatz der übernatürlichen Gegner also genau die vornehme Zurückhaltung, die ein Startabenteuer einer Kampagne auch an den Tag legen sollte.
Eine Frage sei allerdings hier noch in den Raum gestellt: Da sind im Gefrierfach eines Sicherheitslabors größere Mengen eines absolut tödlichen Virus´ gelagert. Auf das Labor wird ein Bombenanschlag verübt... und dann sind alle Viren einfach so tot? Ich habe keine Ahnung von so etwas... aber muss man da nicht eher mit dem Schlimmsten rechnen? Das Abenteuer geht für meinen Geschmack sehr verharmlosend mit den Folgen des Bombenanschlags um.
Insgesamt aber auf jeden Fall ein tolles Ding! 4,75 von 5 Oakleys-Sonnenbrillen für dieses Startabenteuer (Autorin ist übrigens Emma Marlowe, ich werde mir den Namen merken).
„The Mechanism“ als sechstes Abenteuer der Kampagne:
Pelgranes Bonusgabe für Vorbesteller ist „The Mechanism“, ein Abenteuer, das angeblich an beliebiger Stelle der Kampagne eingefügt werden kann... auch als Eingangsabenteuer. Ich sage dazu: Nein! Das geht in meinen Augen nicht! Mit „The Mechanism“ anfangen ist etwa so, als würde man die Geschichte von Frodo und Sam am Fuß des Schicksalsberges beginnen lassen. Für die Dramaturgie der Kampagne wäre das der größte anzunehmende Unfall. Mittendrin irgendwo eingeschoben halte ich das Abenteuer schon eher für möglich. Meine gegenwärtige Lösung sieht folgendermaßen aus: Max Preuve fliegt nach Istanbul, nicht nach London. Die Agenten empfangen seinen Notruf kurz nach Abschluss des Abenteuers „Clean-heeled Achilles“, Sewastopol wird auf eine griechische Insel in der Ägäis verlegt (Salamis?), auch dort sind seltsame, orthodoxe Klöster denkbar, Russen sind jetzt Griechen, die „forbidden island“ kann da bleiben, wo sie das Abenteuer vorsieht. Auf diese Art und Weise kann „The Mechanism“ zu einem Intermezzo kurz vor dem Schlussabenteuer werden... und da gehört das Abenteuer in meinen Augen auch hin. Außerdem müssen die Agenten nicht wegen diesem Zusatzabenteuer noch zweimal mehr durch ganz Europa fliegen, sondern sind direkt an Ort und Stelle (Istanbul), wo es mit der Handlung weitergeht. Sie können auch mit Bötchen durch die Ägäis schippern, wie es einst Odysseus tat... das fänd ich sehr stylish.
Mängel im Abenteuertext
Die letzten Worte Michaelakos Xenovs stammen nicht, wie im Abenteuer angegeben, aus der Odyssee, sondern aus den Metamorphosen Ovids. Das spielt für das Abenteuer keine Rolle, wer aber Wert legt auf korrekte Bezüge zu den antiken Vorbildern, sollte es wissen. Ich habe mich bei all der Recherche über die falsch angegebene Quelle etwas gewundert.
Zwei oder dreimal in der ganzen Kampagne tauchen Textpassagen doppelt auf (was nicht weiter schlimm ist), einmal aber, im Abenteuer „Clean-heeled Achilles“, fehlt dafür Text (zwischen Seite 97 und 98). Das ist schon blöder. Ich habe Pelgrane gefragt, ob sie nicht einfach durchgeben könnten, was da verloren gegangen ist. Die Antwort besagte, dass sie sich des Problems bewusst seien und demnächst irgendetwas dazu herausbringen würden. Wenn ich es richtig verstanden habe, ging´s um eine Art korrigierte PDF.
Eine Karte für den Showdown
Am Donnerstag starten wir. Ich bin schon sehr gespannt und suche jetzt nur noch nach einer schönen Karte, die einen Teil der Pariser Katakomben abbilden könnte. Bedingungen: ein Gebiet mit nur einem Zugang, darin ein größerer Raum, in dem eine Zeremonie stattfinden kann, gleichzeitig aber auch angrenzend ein paar enge, niedrige Gänge mit vielen Vorsprüngen in der Nähe. Muss ich´s selber malen oder hat jemand eine Idee?