... da steckt ja offenbar schon eine recht ausgefuchste Mythologie hinter, die wenig oder nichts mit D&D/Tolkien/S&S-Fantasytraditionen zu tun hat. Kann aber sein, dass ich mich da irre.
Okay, das mit "Exalted" ist ein bisschen komplizierter. Es ist ein bisschen wie bei DSA oder auch bei der WoD. Es gibt da diese starke, ursprüngliche Version, diese Core Story. Mit zunehmenden Editionen und zunehmenden Autoren wurden natürlich auch andere, teils widersprüchliche Setzungen vorgenommen. Hinzu kommen die bei White Wolf schon immer mäandernde Art Direction, bei der sehr unterschiedliche Stile und Motive nebeneinander stehen, die nicht immer unbedingt zum Beschriebenen passen. Das ist die optische Dimension von "Exalted", die ich hier jetzt aber ausklammern will.
Nach eigener Aussage der "Exalted" 1st Edition-Autoren sind die Hauptinspirationen für das Setting antike Epen und Historien wie die Illias, die Odysee, Herodot, die Rigveda, etc. Hinzu kommt Wuxia-Kino ("Hero", "Tiger and Dragon") und Anime ("Prinzessin Mononoke", "Ninja Scroll"). An Literaten werden Tanith Lee ("Night's Master") Michael Moorcock ("Hawkmoon"), Lord Dunsay ("The Complete Pegana"), Sean Steward ("Ressurection Man") und Glen Cook ("The Black Company") genannt... aber ich kenne mich mit denen ehrlich gesagt nicht so dolle aus. Die Liste ist tatsächlich in den späteren Editionen auch kleiner geworden. Oh, und "Final Fantasy" ist auch eine Inspiration, das sollten wir nicht vergessen.
Aber zum Konzept der Mythologie: Vorweg, ich bin der Ansicht, dass die sehr starke, irgendwo auch sehr archaische Kosmologie, mit dem Verlauf der Reihe mehr oder weniger verwässert wurde. Die späteren Autochtonian Exalted und Infernal Exalted, sowie die in der 3ten Edition zugefügten Liminal Exalted zähle ich auf keinen Fall mehr zu dem starken, geradlinigen Unterbau, der das Spiel für mich so besonders gemacht hat.
Ich werde jetzt Historie, Charakterkonzepte etc. aussparen, es soll nur um Kosmologie gehen. Die ist insofern interessant und ineinandergreifend, dass sie extrem unwissenschaftlich ist (überhaupt ist die Spielwelt extrem unwissenschaftlich; es gibt keine Technik oder Mathematik oder sowas in dem Sinne... es gibt mehr so Thaumaturgen und Magierphilosophen... ich muss da immer an die frühen griechischen Theoretiker, die auch irgendwie einmal alles waren... kann das nicht beweisen, aber ich finde das relative Fehlen von Wissenschaft als Charakterbetätigungsfeld spricht eine deutliche Sprache).
Die Naturgesetze funktionieren, weil die zahlreichen Gottheiten und Elementare, die überall auf der Schöpfung (so heißt die Welt "die Schöpfung", engl. "Creation") ihren Dienst tun, dafür sorgen, dass sie funktionieren. Alles auf dieser Welt hat seinen eigenen Gott, der außer für dem Okkulten Kundige (Priester, Exalts, magische Wesen) auch unsichtbar bleibt. Die Götter sind organisiert in einer riesigen, hochkomplexen himmlischen Haifischbecken-Bürokratie, die von der himmlischen Stadt Yu-Shan aus verwaltet wird (die Stadt der Himmlischen Bürokratie in "Reise nach Westen" trifft es ziemlich gut). An der Spitze stehen die Inkarna, die Götter der Gestirne, also der Sonne, des Mondes und der fünf "Jungfern" (Saturn, Mars, Venus, Jupiter, Merkur... ich gebe zu, hier hätten sie etwas kreativer sein können). An der Spitze der Elementare stehen stattdessen die fünf Elementardrachen, Inkarnationen der fünf Elemente (Erde, Feuer, Wasser, Luft und Holz).
Das Konzeptionell starke ist, dass sich diese Gestirne und diese Elemente durch die gesamte Kosmologie ziehen. Die Zahl 5 etwa, für die 5 Elemente, taucht überall auf. Dann die Welt an sich: Die Schöpfung ist keine Kugel oder Scheibe oder sowas: Sie ist eine stoffliche Realität, umgeben vom reinen Potenzial der Möglichkeiten, dem stofflosen Chaos. Das Zusammenfließen der Elemente sorgt überhaupt erst für die Stofflichkeit der Welt. Wo die Elemente sind, da ist Stoff. Wo die Gestirne sind, da ist Zeit. Die Elemente sammeln sich sogar noch an bestimmten Punkten der Welt, den Elementarpolen, wo sie die gesammte Geographie bestimmen. Im Süden etwa wird es mit größerer Nähe zum Elementarpol des Feuers immer heißer, während im Westen der Wasserpol einen gigantischen, spiegelglatten Ozean hervorbringt und der Elementarpol des Holzes im Osten himmelsstrebende Wälder aus Baumriesen.
Und dann wäre da noch die Essenz, der Grundbaustein der Schöpfung, die man sich als eine Mischung aus fernöstlich-esoterischem KI oder Chi und magischen Atomen vorstellen kann. Die Essenz gibt es in den Geschmacksrichtungen der Elemente und Gestirne. Alles ist Essenz und alles wird wieder zu Essenz. Essenz macht die Dinge seiend. Exalts können sie manipulieren. Aber auch normale Menschen. Die Geomantie, die vielleicht eigentliche Wissenschaft bei Exalted, lehrt, wo die Essenzströme zusammenlaufen und wie und erlaubt es sie durch Architektur und Gärtnerei und sowas umzulenken. Es ist quasi magisches Feng Shui.
Ich könnte jetzt noch so weiter machen (die Unterwelt und den Tod als letztes archaisches Prinzip in der Exalted-Mythologie habe ich noch nicht erwähnt). Aber ich muss jetzt los. Später bei Interesse mehr.